GmbH-gebV oder Verantwortungseigentum weiter gedacht?
Der Vorschlag einer “GmbH mit gebundenem Vermögen” (GmbH-gebV) ist weder geeignet noch erforderlich für die Zielsetzung eines nachhaltigen und verantwortungsvollen Unternehmertums.
Der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung sieht vor, eine geeignete Rechtsgrundlage zu schaffen, um einen Vorschlag der “Stiftung Verantwortungseigentum” für eine “GmbH mit gebundenem Vermögen” (GmbH-gebV) aufgreifen zu können. Der Vorschlag ist jedoch weder geeignet noch erforderlich für die Zielsetzung eines nachhaltigen und verantwortungsvollen Unternehmertums. Um wirtschaftliche Tätigkeit und Gemeinwohl zukünftig noch stärker zusammenzudenken, gibt es andere und bessere Möglichkeiten.
Mit der GmbH-gebV soll eine Rechtsform für Unternehmen mit einem treuhänderischen Unternehmensverständnis geschaffen werden, bei der eine Gewinnausschüttung an die Gesellschafter ausgeschlossen wird. Das Vermögen sowie die zu erzielenden Gewinne sollen im Unternehmen verbleiben. Grundsätzlich ist es begrüßenswert, wenn verschiedene, für die jeweiligen Bedarfe geeignete Rechtsformen zur Verfügung stehen. Die positiven Rückmeldungen, die zur Aufnahme dieses Vorhabens in den Koalitionsvertrag geführt haben, resultieren jedoch nicht aus einer sachlichen Abwägung der Vor- und Nachteile einer solchen etwaigen neuen Rechtsform. Wenn man den Verfechtern und Verfechterinnen zuhört, könnte man den Eindruck gewinnen, dass die “GmbH-gebV” die Vision eines altruistischen Wirtschaftens im marktwirtschaftlichen Gewand juristisch möglich machen würde. Dabei ist festzuhalten: Die Unternehmen, die sich unwiderruflich für die neue angedachte Rechtsform entscheiden würden, müssten keinerlei zwingenden, spezifischen Bezug zum Allgemeinwohl haben. Sie wären in der Auswahl ihres Geschäftsgegenstands und -zwecks vollkommen frei.
Hinzu kommt, dass es in Deutschland bereits eine Vielfalt an Rechtsformen gibt, etwa die Stiftung, die Kapital- oder Personengesellschaften, die Genossenschaft oder den Verein, die bereits heute nachhaltiges und werteorientiertes Unternehmertum ermöglichen. Spätestens wenn man darauf verweist, wird der Einwand laut, dass alle diese Formen einen hohen Beratungsaufwand zur Herstellung von Rechtssicherheit erfordern würden. Gerade für KMU und junge Unternehmer und Unternehmerinnen hört sich ein vermeintlich “einfaches” und dem Zeitgeist entsprechendes Konstrukt der GmbH mit gebundenem Vermögen natürlich viel verlockender an als beispielsweise eine Stiftungsgründung.
Anerkannte Experten und Expertinnen, darunter Prof. Dr. Birgit Weitemeyer, Prof. Dr. Peter Rawert und Prof. Dr. Rainer Hüttemann, haben die angestrebte Rechtsform einem Realitätscheck unterworfen. Wir teilen die von ihnen vorgebrachten Bedenken. Eine auf ewig wirksame Kapitalbindung im Gesellschaftsrecht bleibt in Hinsicht auf die unionsrechtliche Kompatibilität zweifelhaft. Eine hohe Missbrauchsanfälligkeit des Konstrukts über indirekte Ausschüttungen würde zudem dazu führen, dass sich die Governance der gewünschten Rechtsform innerhalb kürzester Zeit erheblich verkomplizieren dürfte. Bereits der Koalitionsvertrag weist explizit daraufhin, dass der Ausschluss von Steuersparkonstruktionen sichergestellt werden müsse. In der Tat gibt es verschiedene steuerliche Gerechtigkeitslücken: Da die Besteuerung bei einem Anteilsübergang nur auf Basis der geleisteten Einlage erfolgen soll, wird das in der GmbH-gebV angehäufte Vermögen dauerhaft der Schenkung- und Erbschaftsteuer entzogen, auch im Falle möglicher verdeckter Ausschüttungen. Bislang gibt es dieses Privileg nur bei gemeinnützigen Organisationen. Das Recht sollte jedoch weiterhin zwischen gemeinnützigem Wirken im Interesse der Allgemeinheit und privatwirtschaftlichem Wirken unterscheiden. Vor dem Hintergrund der enormen rechtlichen Bedenken ist es wenig verwunderlich, dass sich das Bundesministerium der Justiz bislang zögerlich gezeigt hat.
Da der Bundesverband Deutscher Stiftungen die wichtige Debatte unterstützt, wie sich wirtschaftliche Tätigkeit und Gemeinwohl noch stärker zusammendenken lassen, hat er gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) Vorschläge vorgelegt. Beide Verbände plädieren für eine sinnvolle Weiterentwicklung bestehender Rechtsformen, insbesondere auch der Stiftung. So wichtig beispielsweise die Ewigkeitsstiftung als rechtliches Konstrukt ist, so offensichtlich ist gleichzeitig der Bedarf nach kontinuierlichen Anpassungen. Für den Stiftungssektor haben sich die beiden Verbände im Zuge der 2021 verabschiedeten Stiftungsrechtsreform vergeblich für ein Änderungsrecht des Stifters zu Lebzeiten sowie für Stiftungen auf Zeit eingesetzt. Denkbar wäre es aber auch, etablierte ausländische Regelungsmodelle zum Vorbild zu nehmen, wie die Benefit Corporation in den USA mit der doppelten Zielsetzung einer Gewinn- und Gemeinwohlorientierung oder die Community Interest Company in England. Diese Rechtsformen müssen ein Gemeinwohl- oder Nachhaltigkeitserfordernis erfüllen und sind durch ein ausgeprägtes internes bzw. externes Kontrollsystem gekennzeichnet.
Neben der Frage zur Weiterentwicklung von Rechtsformen wäre auch die Idee eines breit aufgestellten, gesetzlichen oder privatrechtlichen Zertifizierungsregimes eine Möglichkeit, nachhaltiges Wirtschaften nach außen sichtbar zu machen. Grundsätzlich gilt: Die genannten Verbände stehen dem Gesetzgeber gerne für Diskussionen zur Verfügung, wie der Wunsch nach mehr “Corporate Purpose” umgesetzt werden kann.
Kirsten Hommelhoff, LL.M., ist Generalsekretärin des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, der die Interessen der deutschen Stiftungen gegenüber Politik und Gesellschaft vertritt. Mit über 4.700 Mitgliedern ist er der größte und älteste Stiftungsverband in Europa.