Im Blickpunkt
Der Neunte Senat des BAG hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet, um die Frage klären zu lassen, ob aus dem Unionsrecht die Verpflichtung des Arbeitgebers abzuleiten ist, einem Arbeitnehmer bezahlten Erholungsurlaub nachzugewähren, der zwar während des Urlaubs selbst nicht erkrankt ist, in dieser Zeit aber eine behördlich angeordnete häusliche Quarantäne einzuhalten hatte (PM Nr. 30/22 zu BAG, Beschluss v. 16.8.2022 – 9 AZR 76/22 (A)). Der Kläger beantragte und die Beklagte bewilligte dem Kläger Erholungsurlaub für die Zeit vom 12. bis zum 21.10.2020. Die zuständige Ordnungsbehörde beschied für den Kläger eine häusliche Quarantäne für die Zeit vom 9. bis zum 21.10.2020, weil er zu einer mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Person Kontakt hatte. Für die Zeit der Quarantäne war es dem Kläger untersagt, seine Wohnung ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamts zu verlassen und Besuch von haushaltsfremden Personen zu empfangen. Der Kläger hat die Wiedergutschrift der Urlaubstage auf seinem Urlaubskonto verlangt. Er war der Ansicht, es sei ihm nicht möglich gewesen, seinen Urlaub selbstbestimmt zu gestalten. Die Situation bei einer Quarantäneanordnung sei der infolge einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vergleichbar. Der Arbeitgeber müsse ihm deshalb entsprechend § 9 BUrlG den Urlaub nachgewähren. Für den vorlegenden Senat ist es entscheidungserheblich, ob es mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Einklang steht, wenn vom Arbeitnehmer beantragter und vom Arbeitgeber bewilligter Jahresurlaub, der sich mit einer nach Urlaubsbewilligung durch die zuständige Behörde angeordneten häuslichen Quarantäne zeitlich überschneidet, nach nationalem Recht nicht nachzugewähren ist, weil der betroffene Arbeitnehmer selbst nicht krank war.
Prof. Dr. Christian Pelke, Ressortleiter Arbeitsrecht