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BB 2024, I
Stahlschmidt 

Konsumcannabisgesetz und Gemeinnützigkeit

Abbildung 1

Der Konsum von Cannabis ist nicht gemeinnützig!

Im Bundesgesetzblatt 2024 Teil I Nr. 109 vom 27.3.2024 ist ab Seite 2 das “Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG)” nach kontroverser Diskussion veröffentlicht worden. Neben der Legalisierung des Konsums ist auch der Anbau von Cannabis möglich gemacht worden. Sog. Anbauvereinigungen dürfen – unter Erlaubnisvorbehalt – nach den §§ 11 ff. KCanG Cannabis anbauen. In den FAQ Ziffer 22 des Bundesgesundheitsministeriums heißt es dazu: “Anbauvereinigungen sind eingetragene, nicht-wirtschaftliche Vereine oder eingetragene Genossenschaften, deren Zweck der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau und die Weitergabe von Cannabis und Vermehrungsmaterial (Samen und Stecklinge von Cannabispflanzen) zum Eigenkonsum ist. Sie werden nach den Grundsätzen des Vereinsrechts geleitet. Andere Rechtsformen sind nicht zugelassen (z. B. Stiftungen, Unternehmen).” Die Frage ist, was hat das ganze nun mit Steuerrecht zu tun? In der allgemeinen Tagespresse wird die Besorgnis geäußert, dass der Staat womöglich “Kiffen” steuerrechtlich subventionieren könnte. Begründet wird dies damit, dass der Anbau von Cannabispflanzen unter den Begriff der Pflanzenzucht subsumiert werden könne.

Um in den Genuss der Gemeinnützigkeit zu gelangen, muss eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke verfolgen. Dies ist der Fall, wenn die Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern, § 52 Abs. 1 AO. Nach Absatz 2 Ziffer 23 ist die Pflanzenzucht und die Kleingärtnerei als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen. Ursprünglich waren Vereine für Gartenbau und Landwirtschaft in den Blick genommen. Es bedarf keiner prophetischen Vorhersage, dass nun auch Anbauvereine für Cannabis versuchen werden, in den Genuss der Gemeinnützigkeit zu gelangen. Definitionsmäßig ist Cannabis eine Pflanzengattung, die zur Familie der Hanfgewächse zählt, und damit ist sie zweifelsohne eine Pflanze. Die Frage wird also sein, ob der bloße Anbau von Pflanzen und die Weitergabe des pflanzlichen Materials an die Mitglieder geeignet ist, den Begriff der Pflanzenzucht zu erfüllen. Pflanzenzucht ist die bewusste Auswahl und Kreuzung zweier Individuen mit erwünschten Eigenschaften. Die durch die Kreuzung entstandene Tochtergeneration, die die erwünschten Eigenschaften beider Elternteile besitzt, wird anschließend vermehrt. Dabei geht es nicht um eine evolutive Anpassung, sondern darum, die Eigenschaften der Pflanze den Wünschen der Menschen anzupassen, so das Lexikon Pflanzenzüchtung (www.pflanzenforschung.de). Ob mit dem Anbau dieser Pflanzenzuchtbegriff erfüllt ist, wohl eher nicht. Beim Anbau geht es nicht um die Schaffung neuer Pflanzen, sondern um den Erfolg, nämlich das Hervorbringen der Blüten, um ernten zu können. Kommt es aber hierauf an? Die Förderung der Allgemeinheit wird in § 52 Abs. 1 S. 1 AO durch einen unbestimmten Rechtsbegriff definiert. Welches Werteverständnis diesem ausfüllungsbedürftigen Begriff der “Allgemeinheit” zugrunde liegt, lässt die Vorschrift weitgehend unbeantwortet (vgl. Lang StuW 1987, 221, 231 f.). Einheitliche Gemeinwohlwerte lassen sich dem Katalog des § 52 Abs. 2 AO nicht entnehmen. Gemeinwohlkriterien werden mit der kollektiven Befriedigung privater Bedürfnisse in den Stand der Förderungswürdigkeit gehoben. Eine Negativabgrenzung erfolgt in den nachfolgenden Sätzen nur zu einzelnen Teilaspekten. Aber § 52 Abs. 1 S. 2 AO verdeutlicht, dass die eigennützige Zweckverfolgung durch einen anerkannten Zweck nach § 52 Abs. 2 AO nicht als förderungswürdig anzusehen ist. Er schließt ausdrücklich tatbestandlich den Begriff der Förderung der Allgemeinheit aus, wenn die Förderung einem abgeschlossenen, kleinen Personenkreis zugutekommt.

Nach diesem Begriffsverständnis verfolgen die Anbauvereine nicht die Förderung der Allgemeinheit. Nach § 11 KCanG darf Cannabis nur zum Eigenkonsum an die Mitglieder abgegeben werden. Die Höchstanzahl der Mitglieder ist nach § 16 KCanG auf 500 beschränkt. Somit scheitert die Förderung der Allgemeinheit sowohl an dem begrenzten Personenkreis als auch an der Befriedigung rein privater Bedürfnisse, die beim Konsum von Cannabis im Vordergrund stehen. Damit wird deutlich, dass es auf die Frage Pflanzenzucht überhaupt nicht ankommt.

Dies sieht – im Ergebnis mit anderer Begründung – wohl auch die Bundesregierung so. In der Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Katja Hessel vom 13.5.2024 (Drs. 20/11462) heißt es hier: “Unabhängig vom Einzelfall steht bei den Cannabis-Anbauvereinigungen der bloße Anbau von Pflanzen sowie die Weitergabe von pflanzlichem Material an die Mitglieder im Vordergrund, sodass Anbauvereinigungen regelmäßig nicht den gemeinnützigen Zweck der Pflanzenzucht erfüllen dürften und damit keine gemeinnützigen Zwecke verfolgen. Der ausschließliche Zweck von Anbauvereinigungen ist nach Maßgabe von § 1 Nr. 13 des KCanG der gemeinschaftliche nichtgewerbliche Eigenanbau und die Weitergabe von Cannabis zum Eigenkonsum durch und an Mitglieder sowie die Weitergabe von Vermehrungsmaterial und die Information von Mitgliedern über cannabisspezifische Suchtprävention und -beratung.”

Es wird auch die Absicht bekundet, die Thematik zur Sicherstellung eines einheitlichen Steuervollzugs mit den obersten Finanzbehörden der Länder zu erörtern, was zu begrüßen ist. Insofern alle Aufregung umsonst!

Prof. Dr. iur. Michael Stahlschmidt lehrt an der FHDW Paderborn Steuerrecht, Rechnungswesen, Controlling und Compliance und ist Ressortleiter Steuerrecht des Betriebs-Berater und Chefredakteur Der Steuerberater.

 
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