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BB 2011, 1
Wybitul, Tim 

Machen sich Arbeitgeber strafbar, wenn sie betriebliche E-Mail-Zugänge ihrer Beschäftigten kontrollieren?

Beschäftigtendatenschutz

Es gibt häufig Situationen, in denen Arbeitgeber Zugriff auf dienstliche E-Mails ihrer Mitarbeiter nehmen wollen. Ein Beispiel hierfür ist die plötzliche Erkrankung eines Mitarbeiters mit Kundenkontakt. Hat der erkrankte Beschäftigte keinen Stellvertreter benannt, der auf die E-Mails zugreifen kann, so können Aufträge liegen bleiben oder verloren gehen. Auch in Gerichtsverfahren werden mittlerweile häufig E-Mails als Beweismittel vorgelegt. Falls der fragliche Mitarbeiter in der Zwischenzeit ausgeschieden ist, kann der Arbeitgeber ihn schwerlich bitten, relevante E-Mails einfach auszudrucken. Es ist offensichtlich, dass der Arbeitgeber in solchen Fällen ein berechtigtes Interesse daran haben kann, den betrieblichen E-Mail-Zugang des Mitarbeiters zu kontrollieren.

Das Sichten dienstlicher E-Mails kann aber sehr riskant sein - jedenfalls wenn der Arbeitgeber seinen Beschäftigten erlaubt, den betrieblichen E-Mail-Zugang auch für private Zwecke zu nutzen. Denn nach Auffassung der Aufsichtsbehörden für den Datenschutz und der (noch) herrschenden Fachliteratur sollen solche Arbeitgeber "Diensteanbieter" im Sinne des Telekommunikationsgesetzes (TKG) sein und sich wegen Verletzung des Fernmeldegeheimnisses strafbar machen können. Zudem soll die erlaubte Privatnutzung auch die Sichtung betrieblicher E-Mails ausschließen, falls private und dienstliche E-Mails nicht eindeutig zu unterscheiden sind. Nach § 206 StGB wird bestraft, wer einer anderen Person Mitteilungen über Tatsachen macht, die ihm als Beschäftigtem eines Unternehmens bekannt geworden sind, das geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt. Wollen sich Arbeitgeber Kontrollrechte am betrieblichen E-Mail-Zugang sichern, müssen sie die private Nutzung der Systeme vollständig verbieten.

Nimmt ein Administrator auf Aufforderung eines Vorgesetzen Einsicht in den betrieblichen E-Mail-Zugang eines Mitarbeiters, können sich alle Beteiligten nach der beschriebenen Auffassung wegen Verletzung des Fernmeldegeheimnisses strafbar machen. Bislang mussten sich Arbeitgeber hierzu an der Fachliteratur orientieren. Denn zu der Frage, ob Arbeitgeber gegenüber ihren Mitarbeitern tatsächlich das Fernmeldegeheimnis berücksichtigen müssen, gab es keine Rechtsprechung. Dies ist nun anders. Denn das LAG Niedersachsen (Urt. vom 31.5.2010 - 3 CA 311/08) und das LAG Berlin-Brandenburg (Urt. vom 16.2.2011 - 4 Sa 2132/10) hatten über die Frage zu entscheiden, ob Arbeitgeber bei der Kontrolle des betrieblichen E-Mail-Systems gegenüber ihren Mitarbeitern stets das Fernmeldegeheimnis beachten müssen. Nach Auffassung beider Gerichte sind Mitarbeiter-E-Mails auch bei erlaubter Privatnutzung nicht immer tabu.

Das LAG Niedersachsen urteilte ohne nähere Begründung, dass Arbeitgeber keine Diensteanbieter von Telekommunikation seien. Das LAG Berlin-Brandenburg bezog sich in seinem Urteil auf diese Entscheidung und bezeichnete sie als herrschende Meinung. Da die überwiegende Fachliteratur und die Aufsichtsbehörden das Gegenteil vertreten, ist das eine gewagte Begründung ... und vor allem eine verpasste Chance. Denn die besseren Argumente sprechen für die von den Gerichten vertretene Auffassung. Daher hätten die Richter ihre Entscheidungen auch gut begründen können.

Es ist kaum sachgerecht, Arbeitgeber bei betrieblichen E-Mails an den gleichen Maßstäben zu messen wie Telekom, AOL, GMX oder andere gewerbliche Email-Provider. Auch der Wortlaut des TKG spricht eher gegen die bislang herrschende Auffassung in der Fachliteratur. Denn nach den gesetzlichen Bestimmungen erbringen Diensteanbieter ihre TK-Leistungen "in der Regel gegen Entgelt". Arbeitgeber stellen ihren Beschäftigten den betrieblichen E-Mail-Zugang grundsätzlich als Betriebsmittel und nicht gegen Entgelt zur Verfügung. Zudem müssen Diensteanbieter ihre TK-Leistungen "Dritten" anbieten. Arbeitnehmer sind aber Teil des Betriebs und keine unternehmensfremden Dritten. Auch § 3 Abs. 8 S. 2 BDSG definiert den Dritten als eine Person oder Stelle außerhalb des Unternehmens.

Im Ergebnis ist die neue Rechtsprechung zu begrüßen. Denn ein Verbot des Zugriffs auf betriebliche E-Mails kann Arbeitgebern nicht zuzumuten sein, die im Einzelfall ein berechtigtes Interesse an der Sichtung oder Auswertung elektronischer Kommunikation haben. Das BAG nimmt bei Kontrollen grundsätzlich eine Abwägung zwischen den berechtigten Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers im Einzelfall vor.

Auch die neue Rechtsprechung schützt die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer umfassend und nimmt eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne des BDSG vor. Bei Verstößen drohen Arbeitgebern hohe Bußgelder und die Abschöpfung wirtschaftlicher Vorteile. Arbeitgeber sollten die Rechtslage vor dem Zugriff auf E-Mail-Zugänge von Mitarbeitern weiterhin genau prüfen. Das BDSG und der Gesetzentwurf zum Beschäftigtendatenschutz liefern bislang zu wenig Kriterien, an denen sich Arbeitgeber für ein rechtmäßiges Vorgehen orientieren können. Hier sollte der Gesetzgeber dringend nachbessern.

Tim Wybitul ist seit 2010 Partner in einer internationalen Großkanzlei. Er ist Lehrbeauftragter für Datenschutz bei der Deutschen Universität für Weiterbildung, Berlin. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Beschäftigtendatenschutz, Compliance und interne Ermittlungen. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen, darunter das im Verlag Recht und Wirtschaft erschienene "Handbuch Datenschutz im Unternehmen" und ist Mitherausgeber der "Zeitschrift für Datenschutz".
 
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