Medienfonds mit Defeasance: Finanzverwaltung stoppt rückwirkende Aberkennung der Verluste im Erstjahr
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Der Fiskus kippte rückwirkend bereits veranlagte Steuervorteile von Medienfonds und löste damit Chaos aus - die Leidtragenden sind Anleger und Fondsanbieter. Nun hat die Finanzverwaltung eine Entscheidung des FG München akzeptiert, das eine rückwirkende Aberkennung der Verluste im Erstjahr für rechtswidrig erachtet hat.
Als gegen Ende der 90er Jahre weltweit agierende Medienkonzerne ankündigten, Berlin für Filmproduktionen ins Auge zu fassen, reagierte die bayerische Politik prompt. Nicht in die Bundeshauptstadt, sondern in den Süden der Republik sollte die boomende Branche der Filmproduktion verlagert werden. Für diesen standortpolitischen Schachzug setzten sich gleich mehrere Minister ein - mit Erfolg.
Bayern war im Vorteil, da die Grundlagen für Kapitalanleger, die steuersparend in Filmfonds investieren wollten, nicht neu geschaffen werden mussten; diese waren durch drei Großanbieter geschlossener Beteiligungen bereits vorhanden. Man wandte erprobte Strukturen an: Die Fonds überließen die Verwertung der Filme einem dritten Unternehmen zu festen Konditionen mit einem Erfolgsaufschlag; die Zahlung erfolgte am Ende des Überlassungszeitraums; da eine Bank die Bezahlung an die Fondsgesellschaft sicherstellte, musste man nicht befürchten, dass der Lizenznehmer die Zahlung am Ende der Laufzeit nicht leisten wollte oder konnte (sog. Defeasance-Struktur).
Das böse Erwachen kam, als der Staat - wiederum ausgehend von Bayern - im Jahr 2007 die jahrelange Veranlagungspraxis über den Haufen warf. Das Bundesfinanzministerium und die Minister der Länder gelangten urplötzlich zur Auffassung, Fonds, welche die etablierten Defeasance-Strukturen umgesetzt hatten, neu zu überprüfen. Kompensiert man nämlich die aus der Filmproduktion resultierenden steuerlichen Anfangsverluste bereits von Beginn an durch einen Zahlungsanspruch gegen den Lizenznehmer oder die Bank, bleibt für den Anleger im Zeichnungsjahr kein nennenswerter Steuervorteil mehr übrig. Die Finanzverwaltung hob kurzerhand Veranlagungen rückwirkend auf. Der für einzelne Anleger ruinöse Nebeneffekt ist, dass die - je nach Zeichnungsdatum bis zu zehn Jahren - ausstehende Steuer rückwirkend mit 6 % p. a. zu verzinsen ist. Nach Schätzung des Bayerischen Finanzministeriums von Oktober 2009 belaufen sich die steuerlichen Forderungen allein gegen in Bayern ansässige Anleger auf mindestens eine Milliarde Euro.
Nicht nur Emissionshäuser setzten sich heftig gegen diese rückwirkende Abschaffung einer etablierten Finanzverwaltungspraxis zur Wehr. Auch Abgeordnete des Bayerischen Landtages wandten sich an die Bayerische Staatsregierung mit Anfragen, wie das Finanzministerium hinsichtlich der gebotenen Rechts- und Planungssicherheit für Anleger zu einer derart nachträglich veränderten Beurteilung gelange. Viele Fonds entschlossen sich, die steuerliche Neubehandlung der Finanzbehörden nicht zu akzeptieren und für die Anleger Rechtsmittel einzulegen.
Anleger, die sich parallel Hilfe suchend an die Zivilgerichte wandten, um ihre Beteiligung rückabzuwickeln, mussten erfahren, dass in Anbetracht der Unvorhersehbarkeit dieser steuerlichen Kehrtwende Regressansprüche gegen Emissionshäuser und Vertriebsbanken nicht bestehen. So entschied eine der renommierten Bankkammern des Landgerichts München I (Az. 28 O 21996/09). In der ausführlich begründeten und rechtskräftigen Entscheidung setzte sich das Gericht gründlich mit dem Prospekt auseinander und kam zum Ergebnis, dass Fehler nicht ersichtlich sind. Das Modell der Defeasance-Struktur bei Medienfonds war gängige Praxis, welches von den Betriebsstättenfinanzämtern anstandslos mitgetragen wurde. Da die Prospektangaben und die im Prospekt enthaltenen Zahlenbeispiele auf den damaligen steuerlichen Vorschriften sowie Verwaltungsanweisungen beruhen, kann in einem Schadensersatzrechtsstreit weder den Emissionshäusern noch Vertriebsbanken ein Vorwurf im Hinblick auf Aufklärungsdefizite gemacht werden. Die Kehrtwende der Finanzverwaltung konnte und musste von den Prospektherausgebern und den Bankberatern nicht vorhergesehen werden. Dies gilt nicht nur für Zeichner aus der Frühphase, sondern jedenfalls bis ins Jahr 2005 hinein. Es ist daher niemandem gedient, wenn Anlegeranwälte tausende Schadensersatzklagen vor die Zivilgerichte bringen, wie dies ein Berliner Anwalt öffentlichkeitswirksam kurz vor dem Jahresende 2010 mit einer Lastwagenladung beim Landgericht München I tat.
Das FG München hat nunmehr eine richtungweisende Entscheidung erlassen, in welcher der Kehrtwende der Finanzverwaltung ein Riegel vorgeschoben wurde (Entscheid vom 8.4.2011 - 1 K 3660/09). Im Erstjahr ist weder ein Anspruch gegen den Lizenznehmer noch gegen die Bank zu aktivieren.
Die Finanzverwaltung hat diesen Blickwinkel des FG akzeptiert und auf mündliche Verhandlung sowie auf Rechtsmittel verzichtet. Das Bayerische Finanzministerium will die tragenden Urteilsgründe nicht nur im entschiedenen Einzelfall, sondern auf alle vergleichbaren Medienfonds mit DefeasanceStruktur anwenden. Eine Aktivierung der Schlusszahlung im Erstjahr käme danach nicht mehr in Betracht. Dies lässt hoffen, dass sich die Angelegenheit letztendlich für alle Beteiligten in Wohlgefallen auflöst.