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BB 2018, I
Ernst 

Schlanker Geschäftsbericht: Modell mit Zukunft?

Abbildung 1

Der Umfang, in dem börsennotierte Unternehmen Informationen offenlegen müssen, ist beachtlich. In diesem Zusammenhang sind die Geschäftsberichte in den vergangenen Jahren in ihrem Volumen geradezu explodiert. Kritiker bemängeln, dass die Finanzberichte schwer lesbar und wenig verständlich sind und den Bilanzleser mit unwesentlichen Informationen und Detailangaben eher verwirren, wodurch die Entscheidungsnützlichkeit verloren geht. Vor diesem Hintergrund wird häufig die Frage gestellt, wer diese Unternehmensinformationen eigentlich liest. “Information Overload” ist das Schlagwort in dieser Debatte, und die Devise lautet “Weniger ist Mehr”.

Wenn man aber konkret fragt, auf welche Informationen, die beispielsweise in den letzten Jahren im Geschäftsbericht dazugekommen sind, man gern verzichten würde, wird es etwas stiller. Ist also der schlanke Geschäftsbericht wirklich ein Modell mit Zukunft?

Selbstverständlich kann – und sollte – auf die Erläuterung von Rechnungslegungsvorschriften verzichtet werden, die das betroffene Unternehmen nicht anwendet. Auch die Darstellung der Aktienkursentwicklung, die auf der Investor-Relations-Seite des Unternehmens aktuell und detailliert dargestellt wird und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Geschäftsberichts bereits veraltet ist, birgt unstrittig Kürzungspotenzial.

Was ist aber mit den Informationen, die erst seit Kurzem gesetzlich verpflichtend von den Unternehmen zu veröffentlichen sind und die damit zu einer Ausweitung des Geschäftsberichts geführt haben? Was ist beispielsweise mit dem ausführlichen Vergütungsbericht, für den es im Deutschen Corporate Governance Kodex sogar detaillierte Mustertabellen zum Wert der gewährten Zuwendungen und zum Zufluss für das Berichtsjahr gibt? Sollte man darauf hinwirken, dass man diese Information zukünftig weglassen darf? Oder soll man auf den neuen, informativen Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers mit seinen Key Audit Matters verzichten und wieder zu der alten Boilerplate-Formulierung zurückkehren? Der neue Corporate-Social-Responsibility-Bericht mit seinen fünf (nicht-finanziellen) Bereichen Umwelt, soziale und Arbeitnehmer-Belange, Menschenrechte, Bekämpfung von Korruption und Bestechung sowie Diversität in den Leitungskreis- und Kontrollorganen wird in den meisten Fällen ebenfalls zu einer Ausweitung des Geschäftsberichts führen. Diese Nachhaltigkeitsberichterstattung ist vor allem für diejenigen Investoren von Bedeutung, die in Unternehmen auf Basis ihrer sozialen und ökologischen Leistungen investieren. Die genannten Beispiele stellen für viele Adressaten wesentliche Informationen dar, die zweifellos zu einer Erweiterung der Berichterstattung geführt haben, auf die sie jedoch ungern verzichten möchten.

Während manche Adressaten der Finanzberichte häufig eine mögliche Überfrachtung mit unnötigen Informationen kritisieren, vermissen gleichzeitig andere Leser dieser Berichte wesentliche Informationen. Auch nach meinen eigenen Erfahrungen gibt es Bereiche, in denen eher zu wenig relevante Informationen offengelegt werden. Damit meine ich beispielsweise die Angaben zu den Annahmen beim Wertminderungstest insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Nachweis der Werthaltigkeit des Goodwill für immer mehr Unternehmen wesentlich ist und diese Informationen für den Anleger bedeutend sind. Andere Beispiele sind eine aussagefähige Prognose der wesentlichen Steuerungskennziffern sowie die Informationen zu nahestehenden Personen oder ein ausführlicher Risikobericht, um dem Anleger einen guten Überblick über das Risikoumfeld zu geben. Vor dem Hintergrund, dass die interne Risikoberichterstattung oftmals sehr detailliert ist, gibt es keinen Grund dafür, dass wesentliche Aussagen der internen Berichterstattung nicht in das externe Berichtswesen übernommen werden.

Das Weglassen der Fotos von Vorstand und Aufsichtsrat, der Verzicht auf Grafiken und unternehmensspezifische Bilder oder freiwillige Berichtsteile wie z. B. den Abschnitt “An die Aktionäre” sowie die Verlagerung von Informationen in das Internet führt zweifellos zu einer Kürzung des Geschäftsberichts. Aber ist dies damit gemeint, wenn man die Verringerung der Informationsflut fordert, um damit die verloren geglaubte Entscheidungsnützlichkeit zurückzugewinnen? Besteht nicht auch die Gefahr, dass man die Informationsmenge auf Kosten der Informationsqualität reduziert? Ist es nicht in vielen Fällen ermessensbehaftet, ob Inhalte und Fakten für die Adressaten relevant sind, und sollte man sie im Zweifel tatsächlich weglassen? Ist die Verschlankung des Geschäftsberichts, die Reduktion der Seiten um “x”-Prozent, schon ein Wert für sich?

Was bedeutet es für den Berichtsempfänger, wenn er sich ggf. Informationen aus unterschiedlichsten Quellen wie Geschäftsbericht, Internetseite des Unternehmens sowie sonstigen Internetquellen zusammensuchen muss? Hier kann es leicht passieren, dass er seinen Informationsbedarf nur mit entsprechend höherem Zeitaufwand decken kann.

Aus meiner Sicht ist vor allem die Verständlichkeit der Finanzberichterstattung eine wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung ihrer Informationsfunktion. Ein verständlich geschriebener, gut strukturierter Geschäftsbericht wird auch in naher Zukunft eine wichtige Visitenkarte eines Unternehmens bleiben. Die schiere Seitenanzahl ist dabei kein wesentliches Kriterium.

Prof. Dr. Edgar Ernst ist seit dem 1.7.2011 Präsident der Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) in Berlin. Darüber hinaus ist er Mitglied in verschiedenen Aufsichtsräten sowie Honorarprofessor an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) in Vallendar. 1992–2007 war er Finanzvorstand der Deutsche Post AG. Der Beitrag stellt seine persönliche Meinung dar.

 
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