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BB 2011, 1
Rudolph, Bernd 

Vergebliche Regulierungsmüh?

CRD IV: die Umsetzung von Basel III in der EU

Michel Barnier, der EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, hat im Juli die Vorschläge zur Umsetzung des Basel-III-Pakets in der EU mit dem Ziel vorgestellt, den EU-Bankensektor widerstandsfähiger zu machen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die Banken in der Lage bleiben, die zum Wachstum der Wirtschaft notwendigen Finanzmittel bereitzustellen.

Da die Kommissionsvorlage die vielfach positiv bewerteten Basel-III-Regelungen aufgreift und zu einer verbindlichen Richtschnur für die über 8000 europäischen Banken umsetzt, könnte man eigentlich erwarten, dass das vorgestellte Programm einhellig begrüßt wird. Davon ist allerdings wenig zu spüren. Bei aller Anerkennung der Motivation der neuen Vorschriften, mit den Erfahrungen der Finanzkrise für einen strengen Regulierungsrahmen zu sorgen, hört man die Warnung, Basel III dürfe erst umgesetzt werden, wenn auch in den USA und anderen Finanzplätzen Anzeichen erkennbar seien, die Banken vergleichbaren Regeln zu unterwerfen. Die Warnung wird sogar noch um die Forderung nach einer Review-Klausel ergänzt, das Inkrafttreten von Basel III in der EU unter den Vorbehalt der Umsetzung in anderen Finanzzentren zu stellen. So hilfreich solche Forderungen als Druckmittel zur Umsetzung von Basel III an anderen Finanzplätzen sein können, so wenig kann es überzeugen, dass die Gleichmäßigkeit möglicher Belastungen wichtiger sein soll, als die innere Konsistenz und Schlüssigkeit der Anforderungen im Hinblick auf das Regulierungsziel.

Auch innerhalb der EU lässt sich gegen die Gleichförmigkeit von Regeln und Belastungen vorbringen, dass verschiedenartige institutionelle Strukturen der Kreditwirtschaft und der Unternehmensfinanzierung eigentlich unterschiedliche Regeln geboten sein lassen. Wenn in Deutschland die Unternehmen in größerem Umfang als in Frankreich von einer Kreditfinanzierung über die Banken Gebrauch machen, kann die Veränderung einer bankaufsichtlichen Vorgabe in Deutschland weitergehende Folgewirkungen zeigen als in Frankreich. Der bereits in Basel II angelegte "One-Size-fits-all"-Ansatz der EU-Kommission trägt weder den Besonderheiten der verschiedenen europäischen Bankenmärkte noch den fundamental unterschiedlichen Graden der Systemrelevanz kleiner und großer Banken in der EU Rechnung und auch nicht den unterschiedlichen Geschäftsmodellen einzelner Institute oder Institutsgruppen.

Die Vorgabe eines einheitlichen formalen Regelwerks induziert Anpassungsreaktionen bei der optimalen Ausrichtung des Geschäftsmodells einer Bank. Als Nebeneffekt wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit eine weitgehende Homogenisierung der Geschäftsmodelle der Institute herausbilden, so dass Geschäftsfelder mit einer strengen Regulierung eher gemieden und solche mit weniger strengen Restriktionen bevorzugt werden. Der Wettbewerb um das beste Geschäftsmodell, das sich an den Bedürfnissen des Markts orientiert, wird verzerrt. Beispiel Staatsanleihen versus Unternehmenskredite: Sind Kredite an Unternehmen je nach ihrem Risikogehalt mit Eigenkapital zu unterlegen, Kredite an Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums aber nicht, so erzeugt dies Anreize, Länderanleihen gegenüber Unternehmenskrediten im Aktivgeschäft zu bevorzugen. Gelten die Regelwerke der Banken gleichmäßig in allen EU-Staaten, so ergibt sich daraus eine gleichgerichtete Tendenz zur Bevorzugung der Staatsfinanzierung. Diese Tendenz hat schwerwiegende Nebenwirkungen zur Folge:

  • Erstens erfordert die Bereitstellung der Staatskredite ungleich weniger Personal (und "weiches" Wissen) und damit ungleich weniger Betriebskosten als die Vergabe von Unternehmenskrediten mit vergleichbarem Umfang, so dass von der Kostenseite der Anreiz zum Aufbau umfangreicher Portfolios aus Staatsanleihen gefördert wird.
  • Zweitens stellt sich eine Analyse der wirtschaftlichen Situation von Staaten als nicht sonderlich hilfreich dar, wenn der "Wert" der Forderungen weniger von fundamentalen Daten des betreffenden Landes als vielmehr von der Einschätzung und vom Verhalten der übrigen Marktteilnehmer abhängig ist (der "Beauty Contest" von Keynes lässt grüßen).
  • Drittens schützt das gleichgerichtete Verhalten der Banken einer Bevorzugung von Staatskrediten vor den möglichen Folgen von Verlusten aus solchen Engagements: Da die Banken mutmaßlich dann Verluste erleiden, wenn auch alle anderen Institute über Verluste klagen, besteht die "Chance" einer Systemkrise, in der von der Regierung (oder einem Stabilisierungsfonds) mit hoher Wahrscheinlichkeit die "Rettung" bzw. eine finanzielle Hilfestellung erwartet werden kann.

In den kommenden Monaten muss das EU-Parlament darüber beraten, ob und in welcher Form die vorgeschlagenen Regeln umgesetzt werden. Da das Regelwerk in Form einer Verordnung kommt, die unmittelbar wirkt und von den Parlamenten der Mitgliedstaaten nicht einmal mehr genehmigt werden muss, ist die Gleichbehandlung der Institute, Finanzinstrumente und Transaktionen in der EU vorprogrammiert. Ob damit die erklärte Zielsetzung der Vorschläge erreicht werden kann, nämlich einen "weiteren großen Schritt zur Schaffung eines gesünderen und sichereren europäischen Finanzsystems zu tun", darf bezweifelt werden. Möglicherweise steigen mit CRD IV, der europäischen Umsetzung von Basel III, auch die Systemrisiken.

Prof. Dr. Bernd Rudolph leitete bis Anfang 2011 an der Ludwig-Maximilans-Universität München das Institut für Kapitalmarktforschung und Finanzierung. Er beschäftigt sich in der Forschung derzeit mit Fragen des Kreditrisikotransfers und der Bankenregulierung und betreut an der ADG Business School die Kurse für Portfoliomanagement, Finanzderivate und Corporate Finance.
 
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