Das Urteil des BVerfG und seine Vorgaben für den Gesetzgeber
Die verfassungsgerichtlichen Vorgaben für die Grundsteuer sollen eine gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen gewährleisten. Der Gesetzgeber hat Spielräume, muss die Steuer aber so ausgestalten, dass ihr Belastungsgrund folgerichtig und gleichheitsgerecht umgesetzt wird.
Der Spruch „Roma locuta, caundsa finita“, gilt häufig übertragen auch für verfassungsgerichtliche Entscheidungen. Er passt aber nicht zur Grundsteuer. Das Urteil des BVerfG vom 10.4.2018 (BVerfGE 148, 147) zieht zwar ab 2025 einen Schlussstrich unter die wettverzerrende und gleichheitswidrige Einheitsbewertung von Grundbesitz, beendet aber nicht die jahrzehntelange Verfassungsdiskussion über die Grundsteuer und ihren Belastungsgrund. die Verfassungsänderung (Art. 105 Abs. 2 S. 1 GG) im Jahre 2019 mit der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Grundsteuer und der neuen Möglichkeit der Abweichungsgesetzgebung der Länder hat vielmehr verfassungsrechtliche Grundfragen neu aufgeworfen.
Gerade bei der Grundsteuerreform lohnt es zu unterscheiden, was „Karlsruhe“ entschieden hat und was nicht. Denn das BVerfG hat keinen der umstrittenen Rechtfertigungsgründe für die Grundsteuer (Äquivalenz-versus Leistungsfähigkeitsprinzip) vorgeschrieben und die Entscheidung darüber dem Gesetzgeber überlassen. Dem Urteil des BVerfG ist nicht zu entnehmen, dass die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer wertabhängig ausgestaltet sein muss. Das BVerfG hat nur „im bestehenden System der Grundsteuer“ mit der einfachgesetzlichen Festlegung auf das Bewertungsziel des Verkehrswertes argumentiert (Rz. 145 und 104) und ausdrücklich klargestellt, dass die Gleichheitswidrigkeit nicht schon durch das Auseinanderfallen von Verkehrs- und Einheitswerten verursacht wird (Rz. 109, 139). Darum ist der Weg zu wertunabhängigen Modellen verfassungsgerichtlich nicht versperrt. Das BVerfG lässt vielmehr unter Beachtung der Anforderungen an ein gleichheitsgerechtes Bewertungsverfahren verschiedene Grundsteuermodelle zu, um die zur Zeit in den Ländern politisch gerungen wird.
Die verfassungsgerichtlichen Vorgaben für die Grundsteuer lauten im Wesentlichen: Die Bemessungsgrundlage muss, um die gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen zu gewährleisten, so gewählt und ihre Erfassung so ausgestaltet sein, dass sie den mit der Steuer verfolgten Belastungsgrund in der Relation der Wirtschaftsgüter zueinander realitätsgerecht abbildet. Um beurteilen zu können, ob die gesetzlichen Bemessungsregeln eine in der Relation realitätsgerechte Bewertung der erfassten Güter und damit die Vergleichbarkeit der Bewertungsergebnisse im Einzelfall sicherstellen, muss das Gesetz das für den steuerlichen Belastungsgrund als maßgeblich erachtete Bemessungsziel erkennen lassen (Rz. 97). Ausgehend von diesen Vorgaben hat der Gesetzgeber für die Wahl der Bemessungsgrundlage und die Ausgestaltung der Regeln ihrer Ermittlung einen großen Spielraum, solange sie nur prinzipiell geeignet sind, den Belastungsgrund der Steuer zu erfassen. Bei der Wahl des geeigneten Maßstabs darf sich der Gesetzgeber auch von Praktikabilitätserwägungen leiten lassen, die je nach Zahl der zu erfassenden Bewertungsvorgänge an Bedeutung gewinnen und so auch in größerem Umfang Typisierungen und Pauschalierungen rechtfertigen können, dabei aber deren verfassungsrechtliche Grenzen wahren müssen (Rz. 98).
Im Rahmen dieses verfassungsgerichtlich abgesteckten Feldes liegt der Ball nun bei der Rechtspolitik. Der Bundesgesetzgeber hat ihn noch im Jahre 2019 im Bundes-Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts mit einem weiterhin wertabhängigen Modell aufgegriffen. Nunmehr müssen die abweichungswilligen Landesgesetzgeber entscheiden, ob sie aus der aktuellen Modellpallette ein „rein“ leistungsfähigkeits- oder äquivalenzorientiertes Modell oder auch ein Kombinationsmodell wählen. Die Grundentscheidung liegt beim Gesetzgeber, der aber eine folgerichtige Ausgestaltung der Grundsteuer und ihren gleichheitsgerechten Vollzug gewährleisten muss.
Autor Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen Inhaber des Lehrstuhls für Deutsches, Europäisches und Internationales Steuerrecht und Öffentliches Recht an der Ludwig-Maximilians-Universität München |