Die Betriebliche Altersversorgung in Zeiten der Corona-Krise
Gerade die BAV muss mit ihrer großen Finanzierungslast nicht nur aktuell in der Krise, sondern auch langfristig mit den wirtschaftlichen Folgen von Covid-19 umgehen. Relevanz haben daher jetzt und vermutlich auch zukünftig operative Fragen zur Berücksichtigung des Corona-Kurzarbeitergelds in der BAV, zu den Möglichkeiten des Arbeitgebers, in der Krise BAV einzuschränken, sowie die Herausforderungen der aktuellen BAG-Rechtsprechung.
Im Zusammenhang mit durch die Krise bedingter Kurzarbeit gilt es bei der Handhabung der BAV Verschiedenes zu beachten: Für die Höhe der für die BAV geschuldeten Arbeitgeberbeiträge kommt es stets auf den konkreten Inhalt der jeweiligen Versorgungszusage an. Bemisst sich die Höhe des Arbeitgeberbeitrags bei einer beitragsbezogenen Versorgungszusage an der Höhe der Vergütung, richtet sich der Beitragssatz nur noch nach der vom Arbeitgeber geschuldeten und aufgrund der Kurzarbeit reduzierten Vergütung. Das Kurzarbeitergeld stellt hier keine pensionsfähige Vergütung dar und wird für die Beitragsbemessung nicht herangezogen. Ist indes – unabhängig von dem geschuldeten Arbeitsentgelt – ein fester Beitrag zugesagt, ist dieser zu leisten. Sieht die Versorgungszusage eine dienstzeitabhängige Versorgung vor, sind Zeiten der Kurzarbeit unverändert leistungserhöhend zu berücksichtigen.
Daneben führt Kurzarbeit auch oft zum arbeitnehmerseitigen Wunsch, die im Rahmen einer Entgeltumwandlungsvereinbarung festgelegten Arbeitnehmerbeiträge zu reduzieren. Oft ist darin eine Frist für eine Anpassung der vom Arbeitgeber einzubehaltenden und abzuführenden Beiträge festgelegt. Sofern keine einvernehmliche Vereinbarung bezogen auf das abzuführende Entgelt erfolgt, hat der Arbeitnehmer diese Frist grundsätzlich einzuhalten. In Extremfällen kann ihm ein einseitiges Recht zur Anpassung der Entgeltumwandlungsvereinbarung aufgrund von § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) zustehen. Kommt es zu einer entsprechenden Anpassung, ist es für den Arbeitgeber wichtig zu beachten, dass er einen etwaigen mittelbaren Versorgungsträger entsprechend der vertraglichen Regelungen einbindet. Ist der Durchführungsweg beispielsweise eine Direktversicherung und wird diese regelmäßig mit Entgeltumwandlungsbeiträgen dotiert, ist sicherzustellen, dass eine arbeitsvertragliche Einigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den vertraglichen Anforderungen im Verhältnis zur Versicherung entspricht. Andernfalls läuft der Arbeitgeber Gefahr, vertragliche Pflichten gegenüber Dritten zu verletzen und zur Zahlung der Versicherungsbeiträge ungeachtet von Entgeltumwandlungsbeiträgen verpflichtet zu bleiben.
Insbesondere bei der Vereinbarung einer Beitragsreduktion im Rahmen der Entgeltumwandlung hat der Arbeitgeber zudem stets Aufklärungs- und Mitwirkungspflichten gegenüber dem Arbeitnehmer zu beachten. So sind Arbeitnehmer auf das Aussetzen von Risikoabsicherungen (zum Beispiel dem Invaliditätsschutz) bei der Reduzierung oder Aussetzung von Versicherungsbeiträgen hinzuweisen.
HANDLUNGSMÖGLICHKEITEN FÜR DEN ARBEITGEBER IN DER KRISE
Gerade in der aktuellen Zeit erwägen Unternehmen, ob und auf welchem Weg sie Arbeitgeberbeiträge bzw. ein weitergehendes Erdienen von Versorgungsanwartschaften in der BAV reduzieren oder aussetzen und damit die Finanzierungslast reduzieren können. Inwieweit dies möglich ist, richtet sich zunächst nach der Rechtsgrundlage, durch die die Versorgungszusage erteilt wurde.
Auf kollektivrechtlicher Ebene ist die Kündigung oder die Einführung einer verschlechternden Betriebsvereinbarung regelmäßig an dem durch das BAG aufgestellten dreistufigen Prüfungsschema zu messen („3-Stufen-Theorie“, vgl. BAG, 24.11.1977 – 3 AZR 732/76; BAG, 21.4.2009 – 3 AZR 674/07; BAG 8.12.2020 – 3 ABR 44/19). Insbesondere bei Heranziehung einer wirtschaftlichen Schieflage des Unternehmens als Rechtfertigungsgrund, auch auf der dritten und am wenigsten schutzwürdigen Besitzstandsstufe, ist zu beachten, dass die wirtschaftliche Situation einen vernünftigen Unter¬
Auch im Rahmen der nach § 16 BetrAVG turnusmäßig durchzuführenden Rentenanpassungsprüfpflicht ist das krisenbedingte Aussetzen von Rentensteigerungen denkbar. Die Rechtmäßigkeit einer unterbliebenen Rentenanpassung richtet sich ebenfalls nach dazu durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl. unter anderem BAG, 11.11.2014 – 3 AZR 116/13; BAG, 25.5.2006 – 3 AZR 50/05). Die Anpassung kann entfallen, wenn die Mehrkosten das Unternehmen übermäßig belasten, also aufgrund einer Prognose am Stichtag anzunehmen ist, dass es voraussichtlich nicht möglich sein wird, den Teuerungsausgleich künftig aus dem Wertzuwachs des Unternehmens und dessen Erträgen aufzubringen. Für eine zuverlässige Prognose muss die bisherige Entwicklung über einen längeren repräsentativen Zeitraum von in der Regel mindestens drei Jahren ausgewertet werden (BAG, 15.4.2014 – 3 AZR 51/12).
Auch in Zeiten der Krise bestätigt das BAG in seiner Entscheidung vom 8. Dezember 2020, dass es an die Möglichkeiten der einseitigen Reduzierung von Versorgungsleistungen durch den Arbeitgeber nach wie vor hohe Anforderungen stellt. So reicht aus Sicht des Gerichts auch ein handelsbilanzieller Anstieg der Rückstellungen, die als Instrument der Innenfinanzierung genutzt werden und den bilanziellen Gewinn beziehungsweise Verlust der Gesellschaft mit entsprechend negativen Folgen für das Geschäftsjahr beeinflussen, regelmäßig nicht, um eine Reduktion der Versorgung über das Instrument des § 313 BGB zu rechtfertigen (BAG, 8.12.2020 – 3 AZR 65/19).
RECHTSPRECHUNG DES BAG IM RAHMEN DER INSOLVENZSICHERUNG ÜBER TREUHANDVEREINBARUNGEN
Die neuere Rechtsprechung des BAG (v. 22.9.2020 – 3 AZR 303/18) bezüglich der Beurteilung einer Treuhandgestaltung („CTA“) in der Insolvenz ist in zweierlei Hinsicht beachtlich:
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Zum einen hinsichtlich der Akzeptanz von Treuhandgestaltungen, die in der Besicherung der Versorgungsverpflichtungen über das Treuhandvermögen eine bestimmte Rangfolge vorgeben und den Teil der nicht über den Pensionssicherungsverein aG (PSVaG) gesicherten Versorgung bevorzugen.
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Zum andern hat das BAG im Hinblick auf „unternehmenseigene“ CTA-Gestaltungen zur Besicherung der BAV wohl die Diskussion angeheizt, inwieweit diese potenziell mitbestimmungspflichtige Sozialeinrichtungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG sein könnten.
Das BAG hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein als doppelstöckige Treuhand ausgestaltetes CTA vorrangig Versorgungsansprüche zu sichern hatte, die nicht bereits durch den PSVaG gesichert waren. Der PSVaG als Kläger machte gegenüber dem CTA geltend, er habe analog der §§ 412, 401 BGB die Ansprüche der über den CTA gesicherten Versorgungsberechtigten gegenüber diesem erworben. Dieser sei nicht berechtigt, vorrangig Ansprüche von Arbeitnehmern zu bedienen, die keiner Sicherung über den PSVaG unterlägen, insbesondere sei er nicht berechtigt, mittels des Treuhandvermögens gem. § 16 BetrAVG laufende Renten zu erhöhen. Mit Verweis auf § 9 Abs. 2 S. 2 BetrAVG, wonach der Forderungsübergang auf den PSVaG nicht zum Nachteil des Berechtigten geltend gemacht werden kann, entschied das BAG, dass dem Treuhänder ein Absonderungsrecht hinsichtlich des durch den PSVaG beanspruchten Treuhandvermögens gemäß § 51 Nr. 1 InsO zustehe und bestätigte damit die Zulässigkeit der Sicherungsrangfolge.
Mit der zuvor bezeichneten Entscheidung hat das BAG zudem eine weitere bedeutende Diskussion in Gang gesetzt. Das BAG hat den involvierten CTA zur Absicherung von Rechten aus BAV als eine Sozialeinrichtung im Sinne § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b ArbGG qualifiziert und damit den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet. Spannend bleibt hier die Frage, ob und ggf. ab wann das BAG gleichsam die Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG für das Vorliegen einer mitbestimmten Sozialeinrichtung bei der Involvierung eines CTA annehmen könnte.
Autor Christian Freiherr von Buddenbrock Rechtsanwalt und Partner, BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft, Düsseldorf |