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BBM 2021, 10
Mandler 

Die Abweichungsmodelle der Länder

Im Zuge der Reform der Grundsteuer wurde auch das Grundgesetz geändert. Einerseits wurde die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes abgesichert, daneben aber auch den Ländern das Recht gewährt, eigene Regelungen zur Grundsteuer vorzusehen. Sieben Länder wollen davon Gebrauch machen.

Die neu ine das Grundgesretz aufgenommene Länderöffnungsklausel gibt den Ländern die Möglichkeit, ab 2025 eigene vom Bundesrecht abweichende Regelungen zur Grundsteuer zu treffen. Das kann von punktuellen Anpassungen bis zu einem gänzlich eigenen Modell gehen. Sieben Länder haben sich dafür entschieden, die Öffnungsklausel zu nutzen. Dabei beschränken sich alle Abweichungen auf das Grundvermögen.

MESSZAHLEN-ANPASSER

Das Saarland und Sachsen folgen weitestgehend dem Bundesmodell und passen nur die Steuermesszahlen an. Sie fürchten, dass eine Anwendung der Messzahlen des Bundes in ihren Ländern zu einer Belastungsverschiebung von Geschäftsgrundstücken hin zu Wohngebäuden führt. Um dem entgegen zu wirken, setzen sie für Wohngrundstücke eine Messzahl an (0,36 Promille statt 0,31 Promille beim Bund), die nur die Hälfte der Messzahl für Geschäftsgrundstücke (0,72 Promille statt 0,34 Promille beim Bund) beträgt.

DIE FAMILIE WERTUNABHÄNGIGER MODELLE

Bereits in früheren Diskussionen gab es Vorschläge für ein wertunabhängiges Flächenmodell. Diese auch unter dem Begriff „Südländer-Modell“ bekannten Überlegungen, bilden die Basis gleich mehrerer Abweichungsmodelle, so dass man durchaus von einer Modellfamilie sprechen kann.

Abbildung 10

Allesamt beruhen sie auf dem Äquivalenzprinzip. Die Steuerlast soll nach der Möglichkeit der Inanspruchnahme kommunaler Infrastruktur verteilt werden. Festgemacht wird dies typisierend anhand der Flächengrößen. Gebäudeflächen fallen dabei deutlich stärker ins Gewicht als die reine Grundstücksfläche. Dies kommt in der Höhe der flächenbezogenen Ansätze zum Ausdruck, die in der Modellfamilie einheitlich ausfallen:

  • Ansatz pro qm Grundstücksfläche: 0,04 Euro

  • Ansatz pro qm Gebäudefläche Wohnnutzung (Wohnfläche): 0,35 Euro

  • Ansatz pro qm Gebäudefläche andere Nutzung (Nutzfläche): 0,50 Euro

Verfechter einer wertbezogenen Grundsteuer kritisieren das Modell und fordern, die Ansätze durch eine Bezifferung des Nutzungsvorteils oder gar des kommunalen Aufwands zu belegen. Die Befürworter des Modells weisen eine solche Interpretation der Ansätze zurück. Die Relationen, in denen diese Ansätze zueinander stehen, seien lediglich als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zur Verteilung der Steuerlast zu sehen. Die Angabe in Euro sei dabei allein dem Umstand geschuldet, dass auch die sich in Folge ergebenden Messbeträge Eurogrößen sein müssen, damit sich nach Anwendung des gemeindlichen Hebesatzes eine Steuer in Euro ergibt.

Bayern ergänzt dieses Grundmodell um Regelungen, die bei sehr großen unbebauten Flächen den Ansatz für die Grundstücksfläche BBM 2021 S. 10 (11)reduzieren. Dahinter steckt die Überlegung, dass bei großen – aber nur begrenzt baulich ausgenutzten Flächen – das Ausmaß der möglichen Inanspruchnahme kommunaler Infrastruktur nicht linear zunimmt.

Dagegen möchte Hessen mit seinem Modell dem Umstand Rechnung tragen, dass der Zugang zu kommunaler Infrastruktur lageabhängig ist. Die Lageabstufung findet durch Multiplikation der Ansätze mit einem Faktor statt. Er leitet sich aus dem Verhältnis des Bodenrichtwerts für die Bodenrichtwertzone, in der das Grundstück liegt, und dem durchschnittlichen Bodenwert in der Gemeinde ab. Unterschiede im Bodenrichtwert schlagen jedoch nicht in voller Höhe auf die Grundsteuer durch, sondern nur gedämpft. Beispielsweise fällt bei einem Grundstück in einer Lage, die doppelt so teuer wie der Durchschnitt ist, die Grundsteuer 20 Prozent höher aus (Faktor 1,2). Beträgt der Zonen-Bodenrichtwert nur die Hälfte des Durchschnitts, gibt es einen Abschlag von 20 Prozent (Faktor 0,8).

Niedersachsen übernimmt sowohl die Anpassungen von Bayern als auch die von Hessen. Dort wird es also eine Flächendegression und eine Lageabstufung geben.

Ähnlich sieht es in Hamburg aus. Das Verfahren bezüglich der Flächendegression ähnelt dem bayerischen. Bei der Lageabstufung geht Hamburg jedoch einen eigenen Weg. Den Ausgangspunkt bildet das Hamburger Wohnlagenverzeichnis. Es ordnet die unterschiedlichen Wohnlagen der Stadt nach einer Vielzahl von Kriterien (unter anderem Bodenrichtwert, Einwohnerdichte, Lärmbelastung) den beiden Kategorien „normal“ und „gut“ zu. Gegenwärtig fallen rund zwei Drittel der Straßenabschnitte in die Kategorie „normal“. Bei den dort belegenen Grundstücken wird der Ansatz für Wohnflächen pauschal um 25 Prozent abgesenkt, während er in der Lage „gut“ unverändert bleibt. Lagebezogene Anpassungen der Ansätze für andere Nutzungen oder für die Grundstücksfläche sind nicht vorgesehen.

BODENWERTMODELL

Einen ganz eigenen Weg geht Baden-Württemberg mit einer reinen Bodenwertsteuer. In die Bemessungsgrundlage fließt nur der Wert des (unbebauten) Grund und Bodens ein. Falls ein Gebäude vorhanden ist, bleibt dieses trotzdem außen vor. Es handelt sich hier zwar um ein wertabhängiges Modell. Dennoch folgt es nicht nur dem Leistungsfähigkeitsprinzip wie das Bundesmodell, sondern greift auch den Äquivalenzgedanken auf. Gerade aus Kreisen der Finanzwissenschaft erhält die Annahme, im Wert des Bodens manifestiere sich zutreffend das Nutzungspotenzial des Grundstücks und daher sei er ein guter Anknüpfungspunkt für die Besteuerung, große Zustimmung. Auch, dass die bauliche Ausnutzung eines Grundstücks in diesem Modell nicht zu einer höheren Grundsteuer führt, heben Unterstützer hervor. Ein negativer Anreiz im Hinblick auf die Bebauung werde so vermieden. Allerdings gibt es auch Stimmen, die das Außerachtlassen des Gebäudes in einer wertbezogen ausgestalteten Steuer kritisieren.

Unstreitig ist jedoch der große Vorteil dieses Modells, ohne Abfrage von Gebäudedaten, auszukommen. Lediglich eine Angabe zur Nutzung ist nötig, denn dient ein Gebäude überwiegend Wohnzwecken, gibt es auf Ebene der Messzahl einen Abschlag von 30 Prozent auf den gesamten Bodenwert.

Als Hürde erweist sich die Ermittlung des Bodenwertes. Da er bei diesem Modell als einziger Anknüpfungspunkt für die Besteuerung dient, sind hier höhere Anforderungen im Hinblick auf die Treffgenauigkeit zu stellen, als bei einem Modell, wo er nur die Rolle eines ergänzenden Lageindikators übernimmt. Um das Modell handhabbar zu machen, stellt auch Baden-Württemberg auf die Zonenwerte ab. Anpassungen an die besonderen Eigenschaften des jeweiligen Grundstücks – wie sie bei Einzelgutachten vorgegeben sind – müssen in einem Massenverfahren aus Gründen der Administrierbarkeit unterbleiben. Hinzu kommt, dass die bundesrechtlichen Mindestvorgaben für die Erstellung der Zonenwerte doch erhebliche Streubreiten zulassen. So muss lediglich die Mehrheit der Grundstücke in einem Wertkorridor von +/- 30 Prozent um das Referenzgrundstück liegen. Wird der Korridor ganz ausgeschöpft, besteht zwischen Grundstücken am unteren (70 Prozent) und am oberen (130 Prozent) Rand ein Wertunterschied von rund 85 Prozent. Trotzdem wird bei beiden Grundstücke der gleiche (Zonen)Wert angesetzt. Dass eine große Minderheit der Grundstücke sogar außerhalb des Korridors liegen darf, birgt weitere Risiken. Möchte ein Land das Bodenwertmodell rechtssicher umsetzen, hat es jedoch die Möglichkeit, seinen Gutachterausschüssen engere Vorgaben zu machen, um die Streuung einzugrenzen. Möglich ist auch, dass die jeweiligen Gutachterausschüsse bereits heute detaillierter arbeiten. Das kann nur vor Ort beurteilt werden. Der Preis für die Vereinfachung durch den Verzicht auf die Betrachtung des Gebäudes ist aber letztlich eine höhere Komplexität bei der Bodenwertermittlung.

UMGANG MIT DER GRUNDSTEUER C

Die Mehrheit der Länder, die die Öffnungsklausel nutzen, übernehmen die Regelungen des Bundes zur sogenannten Grundsteuer C. Diese geben Gemeinden die Möglichkeit, für unbebaute aber baureife Grundstücke einen höheren Hebesatz festzusetzen. Lediglich Bayern und Baden-Württemberg verzichten ganz auf diese Regelung. Hessen modifiziert sie dahingehend, dass Gemeinden den besonderen Hebesatz nach der Dauer der Baureife staffeln können und dass eine Hebesatzhöchstgrenze vorgegeben wird.

Der Beitrag ist nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst und gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wieder.

Abbildung 11

Autor

Peter Mandler

Dipl.-Volkswirt, Dipl.-Finanzwirt (FH), Mitglied der hessischen Finanzverwaltung

 
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