ESG und Arbeitsrecht – Was kommt da auf Unternehmen zu?
Das Thema ESG („Environment, Social and Governance“) ist aktuell in aller Munde. Während Unternehmen schon immer eine hohe soziale Verantwortung gegenüber ihren Beschäftigten zukam, ist das Thema Nachhaltigkeit in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus geraten. Stetig neue regulatorische Maßnahmen seitens der Gesetzgebung verstärken diesen Trend. Auch das Arbeitsrecht bleibt von dieser Entwicklung nicht unbeeinflusst.
Kaum ein Begriff bündelt das Thema „Nachhaltigkeit“ für Unternehmen so umfassend wie die Abkürzung ESG. Inhaltlich steht das Kürzel für den angestrebten Transformationsprozess der globalen Wirtschaft hin zu echter Nachhaltigkeit, vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass der Umweltschutz keinen weiteren Aufschub duldet. Dies soll durch die feste Integration von ökologischen („Environment“) und sozialen („Social“) Zielen in der Unternehmenskultur gelingen, auf deren Verwirklichung eine verantwortungsvolle Unternehmensführung („Governance“) hinwirkt. Im Jahre 2015 haben sich die 195 Mitgliedstaaten der UN im Rahmen der Agenda 2030 zur nachhaltigen Entwicklung auf 17 „sustainable development goals“ verständigt, die die wesentlichen ESG-Faktoren abbilden. Nationale und internationale Regulierungsmaßnahmen schaffen zudem einen rechtlich verpflichtenden Rahmen (beispielsweise in Form des „green deal“ der EU), dem sich Unternehmen bereits aus Eigennutz fügen müssen, sofern sie in der Zukunft wettbewerbsfähig bleiben und hoheitliche Sanktionen vermeiden wollen.
Für Banken und die Finanzbranche hat die Thematik schon länger einen hohen Stellenwert. Für alle anderen Branchen gewinnt der Begriff ESG beständig an Bedeutung, etwa weil Unternehmen, die ESG-Kriterien nicht erfüllen, bei der Kredit- und Auftragsvergabe zukünftig zunehmend unter Druck geraten werden.
Aus arbeitsrechtlicher Perspektive ist das Thema ESG ebenfalls in vielerlei Hinsicht von Interesse:
ESG UND RECRUITING
Zunächst spielt die Umsetzung von ESG-Kriterien bereits bei der Gewinnung von geeignetem Personal eine immer größere Rolle. Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist die Übernahme nachhaltiger unternehmerischer Verantwortung längst ein entscheidendes Kriterium bei der Jobsuche geworden. Immer mehr Beschäftigte erwarten ein klares Bekenntnis zum Thema Klima- und Umweltschutz und fordern hohe soziale Standards im Miteinander ein, die oftmals über die klassischen Rechte als Arbeitnehmerin oder
Die Umsetzung von ESG-Kriterien erfolgt stets Hand in Hand mit der Etablierung umfassender Informationspflichten. Regulatorische Gesetzgebung wie beispielsweise das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz statuiert Berichtspflichten seitens der Unternehmen zu arbeitsrechtlichen Themen wie dem Gesundheitsschutz, der Arbeitssicherheit oder der Geschlechterstellung. Die Kenntnis der einzuhaltenden Gesetze ist somit Voraussetzung dafür, dass nicht gleich mehrfach gegen Unternehmens- beziehungsweise Arbeitgeberpflichten verstoßen wird. Jenseits dieser Risiken können die Berichtspflichten allerdings auch als Chance begriffen werden: Die Berichtspflichten sind eine gesetzliche Legitimationsgrundlage, um Informationen systematisch zu erheben und den Zielerreichungsgrad des eigenen Unternehmens bei der Umsetzung von ESG-Zielen zu bestimmen. Halten die erhobenen Daten der eigenen kritischen Prüfung stand, so werden sie auch geeignet sein, potenzielle Vorwürfe des sog. „Greenwashings“ abzuwehren. Ferner bieten sie eine stets verfügbare Datengrundlage für den Dialog mit Investoren oder staatlichen Behörden.
BETEILIGUNGSRECHTE DES BETRIEBSRATS
Im kollektiven Arbeitsrecht sind die Rechte des Betriebsrats gemäß § 89 BetrVG zum Arbeits- und betrieblichen Umweltschutz, zum Gesundheitsschutz nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sowie die allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats bezüglich des § 80 Abs. 1 Nr. 9 BetrVG zu beachten. Der Betriebsrat ist demnach in allen Fragen des betrieblichen Arbeits- und Umweltschutzes hinzuzuziehen und hat sich selbst dafür einzusetzen, dass im Betrieb alle Vorschriften des betrieblichen Arbeits- und Umweltschutzes umgesetzt werden. § 89 Abs. 3 BetrVG definiert den betrieblichen Umweltschutz im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes weitreichend als „alle personellen und organisatorischen Maßnahmen sowie alle die betrieblichen Bauten, Räume, technische Anlagen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe und Arbeitsplätze betreffenden Maßnahmen […], die dem Umweltschutz dienen“. Sofern ein Gesamtbetriebsrat gebildet ist, muss das Unternehmen auf der einmal jährlich stattfindenden Betriebsräteversammlung gem. § 53 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG über Fragen des Umweltschutzes im Unternehmen berichten. Gleiches gilt auch für die regelmäßigen Betriebsversammlungen in den lokalen Betrieben: Hier muss der Arbeitgeber mindestens einmal jährlich über den betrieblichen Umweltschutz berichten. Des Weiteren hat der Betriebsrat gem. § 87 I Nr. 7 BetrVG ein zwingendes Mitbestimmungsrecht („Gefährdungsanalyse“) im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Die ESG-Themen sollen demnach in transparenter Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretungen verwirklicht werden und die Belegschaft regelmäßig über die diesbezüglichen Fortschritte informiert werden. In der betrieblichen Praxis mögen insbesondere die Berichtspflichten unterschiedlich stark eingefordert werden. Allerdings sollten Unternehmen achtsam sein und ihre Berichtspflichten möglichst erfüllen, da die Betriebsräte gehalten sind, die Durchführung des betrieblichen Umweltschutzes zu überwachen, Verstöße zu melden und ggfs. externe Behörden einzuschalten, was staatliche Sanktionen und negative Publicity nach sich ziehen kann.
FAZIT
Als Fazit kann somit festgestellt werden, dass ESG auch im Kontext des Arbeitsrechts zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Dauerthemen der Gleichbehandlung, der Vermeidung von Diskriminierung, der Inklusion, des Arbeits- und Gesundheitsschutzes werden fortlaufend regulatorisch vertieft und durch Themen des Umweltschutzes ergänzt. Berichtspflichten gegenüber Behörden und den eigenen Arbeitnehmern beziehungsweise Arbeitnehmervertretungen sollen einen auf die Nachhaltigkeit des Unternehmens positiv wirkenden Rechtfertigungszwang schaffen. Die Nichterfüllung dieser Pflichten kann Haftungsrisiken begründen. Aufgrund der fortlaufenden Dynamik der nationalen und europäischen Gesetzgebung muss jedes Unternehmen einen Prozess etablieren, der die für die eigene Unternehmenspraxis relevanten Regelungswerke identifiziert und deren rechtzeitige Umsetzung initiiert.
Autoren | |
Christof Kleinmann Fachanwalt für Arbeitsrecht und Managing Partner GvW Graf von Westphalen Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaft mbB, Frankfurt | Jan-Erik von Kopp Rechtsanwalt GvW Graf von Westphalen Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaft mbB, Frankfurt |