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BBM 2021, 4
Wünnemann 

Globale Mindeststeuer – Fluch oder Segen?

Eine neue „Weltsteuerordnung für Unternehmensgewinne“ wird Realität: Rund 140 Staaten haben sich auf eine globale Mindeststeuer und eine weltweite Neuverteilung des Steueraufkommens hieraus geeinigt. Nun kommt es auf die technische Ausgestaltung für eine Umsetzung ab dem Jahr 2023 an.

Abbildung 2

Die erzielte Einigung der G20-Finanzminister ist ein Meilenstein im internationalen Steuerrecht und bildet die Grundlage für eine neue „Weltsteuerordnung für Unternehmensgewinne“. Damit soll ein „Level Playing Field“ bei der Besteuerung von Unternehmensgewinnen geschaffen und das Steueraufkommen hieraus fair zwischen den Staaten verteilt werden. Im Ergebnis sollen hiermit rund 150 Milliarden Euro zusätzliche Steuereinnahmen erzielt werden und vor allem die Marktstaaten der Nutzer von digitalen Leistungen werden davon profitieren. Basis der Einigung ist ein „Zwei-Säulen-Vorschlag“ der OECD, der seit 2019 erarbeitet und fortentwickelt wurde.

WELTWEITE NEUVERTEILUNG DES AUFKOMMENS AUS UNTERNEHMENSGEWINNEN

Säule 1 der OECD-Vorschläge zielt auf eine weltweite Neuverteilung des Steueraufkommens aus Unternehmensgewinnen zwischen den Staaten ab. Große multinationale Unternehmen sollen dann auch in ihren jeweiligen Marktstaaten unabhängig von einer physischen Präsenz in Form einer Betriebsstätte Körperschaftsteuer entrichten. Damit soll sichergestellt werden, dass diese Unternehmen überall dort, wo sie tätig sind und Gewinne erzielen, einen fairen Anteil an Steuern zahlen.

Betroffen sind nicht nur Digitalunternehmen, sondern branchenunabhängig die größten Konzerne der Welt: In den Anwendungsbereich fallen alle multinationalen Unternehmen, die einen weltweiten Umsatz von mehr als 20 Milliarden Euro und eine Gewinnmarge von über 10 Prozent erzielen. Zusätzliche Voraussetzung dafür ist, dass ein Unternehmen in dem Marktstaat einen bestimmten Mindestumsatz erzielt. Die Umsatzschwelle von 20 Milliarden Euro soll gegebenenfalls nach sieben Jahren auf 10 Milliarden Euro abgesenkt werden.

GLOBALE MINDESTSTEUER FÜR UNTERNEHMENSGEWINNE

Mit einer globalen Mindeststeuer (Säule 2 der OECD-Vorschläge) soll verhindert werden, dass Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer BBM 2021 S. 4 (5)verlagern, während sie ihre Kosten in Hochsteuerländern wie Deutschland anrechnen. Dafür soll ein weltweites effektives Mindestbesteuerungsniveau von 15 Prozent für Unternehmensgewinne eingeführt werden. Sofern der effektive Steuersatz eines Tochterunternehmens in einem Staat unter 15 Prozent liegt, erfolgt eine Nachversteuerung bei der Muttergesellschaft oder eine Versagung des Betriebsausgabenabzugs bei der Tochtergesellschaft. Der globale Mindeststeuersatz gilt auf länderbezogener Basis, das heißt es wird nur das Besteuerungsniveau innerhalb eines Staates betrachtet. Eine Verrechnung von niedrigbesteuerten Einkünften in einem Staat mit höherbesteuerten Einkünften in einem anderen Staat ist demnach nicht zulässig. Unklarheit herrscht jedoch noch über die Definition der steuerlichen Bemessungsgrundlage.

UMFASSENDE FOLGEN FÜR DIE UNTERNEHMEN

Mit der Einigung der G20-Staaten über diese globale Lösung wird ein „Level Playing Field“ bei der Besteuerung von Unternehmensgewinnen geschaffen und eine Steuervermeidung durch Gewinnverlagerung in Niedrigsteuerländer vermieden. Für die deutschen Unternehmen ergeben sich umfassende Folgen, sowohl durch die weltweite Neuverteilung der Unternehmensgewinne als auch infolge der globalen Mindeststeuer. Von der Säule 1 werden aufgrund der hohen Grenzen zunächst nur wenige multinationale Großkonzerne betroffen sein, aber die globale Mindeststeuer wird für einen nicht unerheblichen Kreis von Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro relevant sein. Die nationale Umsetzung der hochkomplexen Detailregelungen wird hohen Aufwand für alle Beteiligten hervorrufen – nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die Finanzverwaltung. Es ist daher dringend eine Vereinfachung und praxistaugliche Ausgestaltung der Regelungen notwendig und die Arbeiten im Laufe des Jahres 2022 müssen dazu genutzt werden.

Zudem begründen die Detailregelungen hohe Doppelbesteuerungsrisiken der Unternehmen, die durch eine Mehrfachbesteuerung der Staaten befürchtet wird. Es bedarf verbindlicher Kollisionsregeln zwischen den Staaten, um eine Mehrfachbesteuerung zu verhindern. Zudem müssen internationale Streitvermeidungs- und Streitbeilegungsmechanismen verbessert und verbindlich ausgestaltet werden.

KLARSTELLUNGEN UND VEREINFACHUNGEN NOTWENDIG

Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der OECD-Vorschläge bestehen noch zahlreiche Unklarheiten und die hochkomplexen Regelungen rufen Zweifel auf, ob diese praxistauglich umsetzbar sind. Dies gilt insbesondere für die vorgesehenen Regelungen zur weltweiten Neuverteilung des Steueraufkommens (Säule 1). Um den Marktstaaten Besteuerungsrechte zuzuweisen, müssen Umsatzerlöse zu den Marktstaaten der Endverbraucher zurückverfolgt werden, in denen die Waren oder Dienstleistungen konsumiert beziehungsweise genutzt werden. In vielen Fällen wird es jedoch schlicht nicht möglich sein festzustellen, an welchen Endkonsumenten ein Produkt geht. Grundsätzlich stellt die Abschaffung der Unterscheidung zwischen digitalen und konventionellen Unternehmen unter Säule 1 jedoch eine Vereinfachung dar. Im Übrigen ist zu befürchten, dass die Zahl der betroffenen Unternehmen, die unter das neue System fallen, in Zukunft aufgrund politischer Entscheidungen ausgeweitet wird.

Auch bei der globalen Mindeststeuer (Säule 2) gibt es noch zahlreiche offene Fragen, die über die Festlegung des globalen effektiven Mindeststeuersatzes hinausgehen. Neben der Frage der Bemessungsgrundlage für den globalen Mindeststeuersatz betrifft dies auch den Umgang mit latenten Steuern für temporäre Differenzen. Um Vereinfachung zu schaffen, sollte die Steuerbemessungsgrundlage angelehnt an die auf Ebene der Muttergesellschaft geltenden Rechnungslegungsstandards wie IFRS/US-GAAP bestimmt werden. Im Ergebnis bedarf es noch wesentlicher Fortschritte und zwingender Vereinfachungen, um den administrativen Aufwand für die Unternehmen zu begrenzen. Darüber hinaus ist eine international abgestimmte Mustergesetzgebung ebenso wie eine international abgestimmte Umsetzung durch ein multilaterales Instrument (MLI) essenziell.

SCHLÜSSIGES GESAMTKONZEPT GEBOTEN

Die weltweite Einigung über eine neue Weltsteuerordnung für Unternehmensgewinne hat auch zum Ziel, Sondersteuern wie nationale Digitalsteuern oder eine europäische Digitalabgabe zu vermeiden. Die europäische Kommission sollte daher endgültig von ihren Plänen für eine Digitalabgabe abrücken. Entscheidend ist ein schlüssiges Gesamtkonzept für eine internationale Besteuerung von Unternehmensgewinnen, sodass Doppelbelastungen der Unternehmen und überschießende Bürokratie beseitigt werden. In Deutschland sollten bestehende Anti-Missbrauchsregelungen abgeschafft beziehungsweise zumindest nachgebessert werden, insbesondere die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung. Überfällig ist insbesondere eine Absenkung der Niedrigbesteuerungsgrenze bei der Hinzurechnungsbesteuerung auf 15 Prozent.

Abzusehen ist bereits jetzt, dass internationale Steuerkonflikte deutlich zunehmen werden und hierfür effiziente Lösungen unverzichtbar sind. Es bedarf effizienter und für alle Staaten verbindlicher Mechanismen zur Streitvermeidung und Streitbeilegung, um die Vielzahl von Steuerkonflikten bewältigen zu können und Rechtssicherheit in diesen Fällen zu schaffen.

Abbildung 3

Autorin

Dr. Monika Wünnemann

Leiterin der Steuerabteilung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. (BDI)

 
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