Grundsteuerreform – die entscheidende Phase hat begonnen!
Eigentlich wollte der Bund mit seinem neuen Grundsteuergesetz die Reformdiskussion beenden. Doch verstößt das Gesetz gegen die Verfassung. Die ebenfalls reformierte Kompetenzordnung erlaubt den Bundesländern, eigene Grundsteuergesetze zu erlassen. So bietet sich die Chance, ein Zeichen für eine moderne digitalisierte Besteuerung zu setzen, die alle Steuerbetroffenen so weit wie möglich entlastet.
Die Grundsteuer gehört mit ihren 36 Millionen zu belastenden Einheiten zum steuerlichen Massenfallrecht. Jedes neue Grundsteuergesetz muss somit einen harten Praxistest bestehen, sich in einer Vielzahl an Fällen bewähren. Das Bundesverfassungsgericht betont daher, dass ein einfaches Grundsteuergesetz in Kraft zu setzen ist. „Praktikabilitätserwägungen“ können „Vorrang vor Gesichtspunkten der Ermittlungsgenauigkeit“ haben, „auch beträchtliche Bewertungs- und Ermittlungsunschärfen“ in Kauf genommen werden. Das Gericht deutet so ersichtlich auf die Chance, ein einfaches und digital anwendbares Steuergesetz zu erlassen. Der so eröffnete Entscheidungsraum der Politik ist nicht grenzenlos. Der Gesetzgeber muss den Belastungsgrund der Grundsteuer im Gesetz erkennbar regeln, nach diesem die Steuer von anderen Abgaben unterscheiden sowie gleichheitsgerecht und folgerichtig bemessen. Diese vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen verfassungsrechtlichen Vorgaben verletzt das Grundsteuergesetz des Bundes. Zudem verfehlt es – wie ebenfalls vielfach kritisiert – den verfassungsrechtlichen Auftrag, ein einfach anzuwendendes Grundsteuermodell in Kraft zu setzen. Das Bundesgesetz entscheidet sich nicht in hinreichender Klarheit für einen Belastungsgrund der Grundsteuer. In dieser Unsicherheit nutzt es für die steuerliche Bewertung sehr unterschiedliche Parameter, die nicht in ein folgerichtiges System gebracht werden. Der Gleichheitssatz wird verletzt. Der Vollzugsaufwand ist hoch. Die Landesgesetzgeber müssen daher die ihnen vom Grundgesetz eröffnete Möglichkeit nutzen und eigene Grundsteuergesetze erlassen.
DER FAVORIT: FLÄCHENMODELL MIT LAGEFAKTOR
Damit die Steuerbetroffenen dann nicht durch eine Vielzahl, gar durch 16 unterschiedliche Grundsteuergesetze überfordert werden, sollten sich die Länder auf möglichst wenige Grundsteuermodelle einigen, die den Vollzugsaufwand gering halten. Die gegenwärtigen Favoriten scheinen das bayerische Flächenmodell und Systeme zu sein, die dieses Modell um einen Lagefaktor ergänzen (Hamburg,
Baden-Württemberg hat sich für einen Sonderweg entschieden. Das sogenannte „modifizierte Bodenwertmodell“ bemisst die Grundsteuer nach dem Wert der Grundstücke. Gebäude werden steuerlich nicht erfasst. Die im Vergleich zum Wert des Grundbesitzes daher hohe Abgabe für unbebaute Grundstücke soll Grundbesitzer zum Bau von Immobilien bewegen. Dieser Lenkungszweck ist aber fragwürdig, weil er nur in Regionen mit Wohnungsmangel erwünscht ist, in anderen Gebieten hingegen nicht. Zudem können dem Anliegen von vornherein nur Eigentümer von unbebauten Baugrundstücken oder von Hausgrundstücken mit Erweiterungsmöglichkeiten folgen. Andere Grundbesitzer müssten die Lenkungsabgabe entrichten, obwohl sie dem Lenkungsimpuls nicht nachgeben können. Diese Wirkungen der Bodenwertsteuer sind freiheitswidrig. Jede lenkende Abgabe führt zu einem sozialen Dilemma. Ein Steuerpflichtiger kann dem Impuls folgen oder – wenn er hinreichend finanzkräftig ist – die Abgabe entrichten und sich so von der Lenkungswirkung gleichsam freikaufen. Die Bodenwertsteuer verschärft dieses soziale Problem erheblich. Sie animiert nicht – wie andere Lenkungsabgaben – zu einem einfachen Verhalten, etwa dem Verzicht auf eine Zigarette oder eine Pkw-Fahrt. Vielmehr will sie mit dem Bau oder der Erweiterung eines Gebäudes eine beträchtliche Investition anregen, die sich bestimmte Abgabepflichtige nicht leisten können. Doch auch unabhängig von diesen Einwänden verletzt das Bodenwertmodell den Gleichheitssatz. Gebäude machen den Grundbesitz in vielen Fällen erst nutzbar, bilden einen erheblichen Wert. Maßgeblich ist, ob ein verfallenes Bauernhaus, eine renovierte Jugendstilvilla, ein moderner Mehrfamilienkomplex oder ein Gewerbegebäude Teil des Grundbesitzes ist. Die Gebäude von der Steuer auf den Grundbesitz auszunehmen ist daher gleichheitswidrig. Zudem ist die Ebene der steuerlichen Bewertung nach den klaren Worten des Bundesverfassungsgerichts für eine steuerliche Lenkung nicht geeignet. Wer schon im ersten Schritt der Ermittlung der Steuerlast darauf verzichtet, die Begünstigungswirkung den Begünstigungsadressaten möglichst gleichmäßig zugutekommen zu lassen, legt zufällig und willkürlich eintretende Entlastungen bereits strukturell an.
Die Grundsteuer ist eine Objektsteuer, die nach dem Grundbesitz zu bemessen ist. Neben der Gewerbesteuer bildet sie die zentrale Finanzquelle der Gemeinden. Sie sollte deshalb als allgemeine Äquivalenzabgabe begründet und erhoben werden. Die Kommunen würden sie für die Leistungen erhalten, von denen der Grundbesitz profitiert, für Straßen, Kindergärten und Schulen, für Grünanlagen, Spielplätze, Kultur- und Sportstätten. Die Grundsteuererträge würden insbesondere örtliche Gebühren und Beiträge ergänzen, die nicht alle Infrastrukturleistungen der Gemeinden erfassen und nicht in einer allgemeinen, sondern einer individuellen Äquivalenz belasten. So richten sich die Beiträge für die Erschließung des Grundbesitzes oder die Gebühren für Wasser und die Müllabfuhr nach der jeweiligen Leistung.
Angesichts der Vielzahl der Steuerfälle ist die Grundsteuer zudem möglichst einfach und digital zu erheben. Das Flächenmodell, das gegenwärtig der Freistaat Bayern präferiert, entscheidet sich daher zu Recht für ein einfaches Bewertungssystem. Die Steuer würde als Äquivalenzabgabe nach den Flächen der Grundstücke und Immobilien bemessen, die den Kommunen oder Katasterverwaltungen bekannt oder aus den vorhandenen Daten leicht zu ermitteln sind. Die Leistungen der Gemeinde würden in der Fläche des Grundbesitzes typisierend erfasst.
Das Flächenmodell sollte aber – wie in Hamburg, Hessen und Niedersachsen – um einen pauschalen Regionalwert ergänzt werden. Dieser Vorschlag nimmt den Einwand auf, nach dem das Flächenmodell für Hausgrundstücke derselben Größe dieselbe Grundsteuer erhebt, obwohl sich ihre Lagen deutlich unterscheiden. Der Grundbesitz in der Bestlage einer Stadt sollte auch steuerlich von einem eher unattraktiven Randbezirk unterschieden werden. Der pauschale Regionalwert schärft zudem das Äquivalenzprinzip und damit den Belastungsgrund beider Modelle. Typisierend richten sich die kommunalen Leistungen nicht nur nach der Größe, sondern auch nach dem Ort des Grundbesitzes. Die Leistungen unterscheiden sich in Ballungszentren und ländlichen Regionen strukturell. Hinzu treten Differenzierungen nach der Lage der Grundstücke innerhalb einer Gemeinde, wenn ein Wohngebiet von einem Spielplatz, einem Park, zahlreichen Parkplätzen oder auch nur einer großzügigen Bebauung profitiert. Das Flächenmodell mit einem pauschalen Regionalwert erscheint als das vorzugswürdige Grundsteuersystem.
DER NOTWENDIGE STEUERLICHE BEFREIUNGSSCHLAG
Die Bundesländer sollten sich bei der Reform der Grundsteuer insgesamt abstimmen, um möglichst wenige Modelle und einfache Grundsteuergesetze zu erlassen, die das Maß der Verfassung ersichtlich wahren. Noch wäre Zeit, die Kooperation zu verbessern. Die Landesgesetzgeber sollten insgesamt ein Beispiel für ein modernes Steuergesetz geben, das am besten vollständig digital anwendbar ist, auf vorausgefüllte Steuererklärungen setzt und so die Staatseinnahmen verlässlich sichert. Steuerstaat und Grundrechtsschutz würden besser als bisher entfaltet. Keiner würde in der Zahl- und Verwaltungslast mehr belastet, als es für den Auftrag der Steuer, die öffentliche Hand zu finanzieren, notwendig ist. Vielmehr wären alle Betroffenen in einem wahrhaften Befreiungsschlag entlastet: die Gemeinden, die Finanzverwaltung, die Gerichte und die Steuerpflichtigen.
Autor Prof. Dr. Gregor Kirchhof, LL. M., Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Steuerrecht sowie Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Steuerrecht an der Universität Augsburg |