Letzter Ausweg: Wegzug von Unternehmer und seiner Holding ins Ausland
Die deutsche Wegzugs- und Substanzbesteuerung befindet sich derzeit in einem Umbruch. Die (steuerliche) Behandlung von Unternehmern in Deutschland wird rauer. Durch den Wegzug von Unternehmern und ihren Holdinggesellschaften, die im Zuzugstaat die erforderliche Substanz aufbauen, ist eine Abschirmung vor zukünftiger Ertrags- und Vermögensteuer möglich.
Unternehmer, die im Kontext der fortschreitenden Internationalisierung ohnehin bereits aus außersteuerlichen Gründen mit dem Gedanken eines (zeitweiligen) Auslandsaufenthalts spielen, sollten die Wegzugspläne kurzfristig, bestenfalls noch in diesem Kalenderjahr umsetzen.
VERSCHÄRFUNG DER WEGZUGSTEUER AB 2022
Die neue deutsche Wegzugsbesteuerung wird im Wesentlichen ab dem 1.1.2022 anwendbar. Sie erschwert einen steuerschonenden Wegzug eines Unternehmers mit einer Beteiligung an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft von mindestens 1 Prozent (bereits dann spricht man von einer wesentlichen Beteiligung!) in EU/EWR-Staaten zum Teil deutlich. Denn hierbei wird eine Veräußerung der Kapitalgesellschaftsanteile zum Zeitpunkt des Wegzugs fingiert und in Deutschland besteuert, ohne dass dem Unternehmer ein entsprechender Veräußerungserlös tatsächlich zufließen würde. Dies kann zu erheblichen Liquiditätsbelastungen führen. Das Gleiche gilt, wenn Kapitalgesellschaftsanteile beispielsweise an im Ausland lebende (arbeitende oder studierende) Kinder verschenkt werden. Auch über eine ansonsten funktionslose Familien-Personenholdinggesellschaft gehaltene Kapitalgesellschaftsanteile sind in der Regel von der Wegzugsbesteuerung betroffen, wenn ein Gesellschafter in das Ausland verzieht.
Anders als bisher wird einem EU-/EWR-Staatsangehörigen zukünftig keine dauerhafte zinslose Stundung mehr gewährt, ohne dass sie bei einem Wegzug in einen anderen EU-/EWR-Mitgliedstaat Sicherheitsleistungen erbringen. Stattdessen ist die Wegzugsteuer sofort oder auf Antrag ratierlich über sieben bis maximal zwölf Jahre zu entrichten. Wie bisher gibt es eine Ausnahme für Unternehmer, die lediglich vorübergehend in das Ausland verziehen und eine Rückkehr nach Deutschland gegenüber dem Finanzamt geltend machen. Diese vorübergehende Abwesenheit darf einen Zeitraum von sieben (maximal zwölf) Jahren nicht überschreiten. In diesen eingeschränkten Fällen ist eine effektive Stundung weiterhin möglich. Die Neuregelung
erleichtert hingegen Wegzüge in das sogenannte Drittland (nicht EU-/EWR-Staaten, insbesondere Schweiz) oder von nicht EU-/EWR-Staatsangehörigen, da hier keine Differenzierung mehr vorgenommen wird, sondern alle Wegzüge nunmehr gleich besteuert werden.
VERSCHÄRFUNG DER SUBSTANZSTEUERN
Der Ausgang der Bundestagswahl sowie die Wahlprogramme der SPD und der Grünen lassen Verschärfungen der Ertragsteuern und Substanzsteuern insbesondere bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer durch die neue Bundesregierung befürchten. Hier ist zu erwarten, dass die Steuersätze, beispielsweise bei Einkommen- und Erbschaftssteuer/Schenkungsteuertarifen, erhöht sowie steuerliche Begünstigungen gestrichen werden.
Demgegenüber scheint es unwahrscheinlich, dass eine neue Bundesregierung die in den 90er Jahren als verfassungswidrig eingestufte Vermögensteuer und/oder eine Vermögensabgabe in Deutschland wieder einführt. Zuletzt hatte auch der „grüne“ Finanzminister von Baden-Württemberg gewarnt, dass eine Vermögensteuer den deutschen Mittelstand zu stark belasten würde. Auch in einer Koalition mit der FDP wird die Vermögensteuer nicht durchsetzbar sein.
UMSETZUNG DES WEGZUGS
Um den Wegzug umzusetzen, sind mehrere Teilschritte notwendig. Im Kern sollte ein Wegzug des Unternehmers noch in 2021 erfolgen. Ferner sollte der Unternehmer den Sitz der inländischen (im Wesentlichen nur Kapitalgesellschaftsbeteiligungen haltenden) Holdinggesellschaft im Wege einer identitätswahrenden Sitzverlegung in einen EU-/EWR Staat, wie beispielsweise nach Liechtenstein (= grenzüberschreitender Formwechsel), verlegen. Hierbei muss die Holdinggesellschaft nicht zwingend in denselben Staat verziehen wie der Unternehmer. Die stillen Reserven, die auf Ebene der Holdinggesellschaft aufzudecken und in Deutschland der Körperschaft- und Gewerbesteuer unterliegen, können hierbei fast vollständig steuerfrei gestellt werden. Sie führen zu einer relativ geringen Steuerbelastung auf Ebene der wegziehenden Holdinggesellschaft in Deutschland.
Im Zuzugsstaat erfolgt ein beachtlicher Aufbau von Substanz für einen sogenannten angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb. Die umfasst insbesondere angemessene Büroräumlichkeiten und Büroausstattung, die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr im Zuzugsstaat, die Beschäftigung von qualifizierten Fachmitarbeitern. Auch müssen die Holdinggesellschafts-Geschäftsführer die maßgeblichen Entscheidungen in den Geschäftsräumen der Holdinggesellschaft treffen. Hinweis: Auch nur ein Wegzug des Unternehmers kann bereits eine spürbare Abschirmwirkung erzeugen. Zu klären ist im Vorfeld, ob der deutsche Wohnsitz aufgegeben oder im Zuzugsstaat ein weiterer, zweiter Wohnsitz errichtet werden soll. Wird der deutsche Wohnsitz beibehalten, folgen daraus erhöhte Anforderungen. In diesem Fall müssen engere persönliche und/oder wirtschaftliche Beziehungen aus Deutschland in den Zuzugsstaat nachgewiesen werden. Typische Zielländer eines Zuzugs sind beispielsweise die Schweiz, Liechtenstein, Italien, Österreich, Portugal, Zypern, Großbritannien oder Malta, da diese nicht nur einen hohen Lebensstandard bieten, sondern dem Unternehmer auch attraktive Steuersysteme zur Verfügung stellen.
ZEITPUNKT DES WEGZUGS
Gelingt ein Wegzug noch im Jahr 2021, so ist es nach derzeitiger Rechtslage noch möglich, dass die entstehende deutsche Wegzugsteuer unbegrenzt und zinslos gestundet wird. Auch können in gewissen Konstellationen substanzielle Gewinnausschüttungen und Kapitalrückzahlungen an den Unternehmer durch die Holdinggesellschaft im Anschluss an ihre Sitzverlegung erfolgen, die sodann auch einer steuervergünstigten Vereinnahmung im Zuzugsstaat unterliegen. Auch eine Abschirmwirkung vor deutschen Substanzsteuern ab dem Jahre 2022 wäre nach aktueller Rechtslage so erzielbar, da es sich bei den Anteilen des Unternehmers an seiner Holdinggesellschaft um nicht inländisches Vermögen handelt.
Gelingt der Wegzug erst im Jahr 2022, so ist die Wegzugsteuer ratierlich über sieben Jahre zu entrichten. Besteht eine Rückkehrabsicht nach Deutschland innerhalb von sieben bis zwölf Jahren, kann sie für diesen Zeitraum zinslos gestundet werden. In der Regel wird eine Sicherheitsleistung zu erbringen sein. Auch die Höhe der zulässigen Gewinnausschüttungen und der Einlagenrückgewähr der Holdinggesellschaft im Anschluss an ihre Sitzverlegung ist künftig begrenzt.
NACHFOLGEÜBERLEGUNGEN
Die Gestaltung des Wegzugs lässt sich mit Nachfolgeüberlegungen kombinieren. So kann Vermögen auf mitverziehende Familienangehörige später steueroptimal übertragen werden, auch wenn der Wegzug erst im Jahr 2022 gelingt. Hierbei kann eine Abschirmwirkung von einer deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuer bezüglich der Anteile an der Holdinggesellschaft sowie für nachgelagerte Vermögensgegenstände erzielt werden, da es sich bei der Holdinggesellschaft mit Sitz im Zuzugsstaat um nicht inländisches Vermögen handelt. Voraussetzung ist bei deutschen Staatsangehörigen als Wegzügler jedoch der Ablauf von fünf Jahren. Bei Bedarf steht der Weg für einen späteren Rückzug von Unternehmer und Holdinggesellschaft nach Deutschland offen.
Autoren | |
Dr. Sven-Eric Bärsch Partner, StB, Flick Gocke Schaumburg, Frankfurt | Michal F. Kühn StB, FBIStR, Flick Gocke Schaumburg, Frankfurt |