Zweites Führungspositionen-Gesetz
Der Bundestag hat am 11. Juni 2021 das Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst, das sogenannte „Zweite Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II)“ verabschiedet.
Am 12. August 2021 ist es in Kraft getreten.
Der Anteil von Frauen in Führungspositionen blieb bisher trotz des Ersten Führungspositionen-Gesetzes aus 2015 weiterhin gering. Zwar verdoppelte sich die Frauenquote in den größten deutschen Unternehmen im Vorstand von noch knapp 5 Prozent im Jahr 2015 auf über 10 Prozent im Jahr 2020. Dennoch haben von den derzeit 66 betroffenen Unternehmen in der Privatwirtschaft bisher 21 keine Frau im Vorstand.
Wie der Name des Gesetzes zum Ausdruck bringt, ist dessen Ziel die gleichberechtigte Teilhabe von bisher noch deutlich unterrepräsentierten Frauen in Führungspositionen sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Dienst. Neben der Einführung einer Geschlechterquote sieht das Gesetz auch eine Stärkung des Mutterschutzes und der Eltern- und Pflegezeit vor.
Im Einzelnen werden insbesondere folgende Bereiche neu geregelt:
1. Erhöhung des Frauenanteils im Vorstand in börsennotierten Unternehmen der Privatwirtschaft
Für börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten gibt künftig § 76 Abs. 3a AktG vor, dass im Vorstand mit mehr als drei Mitgliedern je eine Frau und ein Mann vertreten sein müssen. Eine Bestellung des Vorstands unter Missachtung dieser Vorgaben ist nichtig.
Bewertung:
Die gesetzlich eingeführte Quote wird zukünftig mindestens eine Frau im Vorstand mit mehr als drei Mitgliedern vorsehen und damit zu einer zwangsläufigen Steigerung der Anzahl vertretener Frauen im Vorstand führen. Zudem fungiert das Gesetz womöglich auch als Anreiz für nicht in den Anwendungsbereich fallende Unternehmen.
Auf der anderen Seite stellt sich die seit langem kontrovers diskutierte Frage, ob eine Frauenquote tatsächlich die Lösung des Problems darstellt, oder nicht vielleicht auf der anderen Seite einen zu starken Eingriff in die internen Unternehmensstrukturen bedeutet. So wird von Kritikern eine starre Quote abgelehnt und stattdessen gefordert, die Rahmenbedingungen insgesamt (zum Beispiel im Wege der Gehaltsanpassung) zu verbessern.
2. Begründungspflicht bei Zielgröße Null im Vorstand und Aufsichtsrat
Darüber hinaus haben börsennotierte oder mitbestimmte Unternehmen für ihren Vorstand nach § 76 Abs. 4 S. 3 AktG sowie für ihren Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 5 AktG beziehungsweise für ihre Geschäftsführung nach § 36 S. 3 GmbHG nunmehr zu begründen, wenn der Frauenanteil auf die Zielgröße Null festlegt wird. Die Begründung muss ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung zugrunde liegen. Eine fehlende Meldung der Zielgrößen oder deren Begründung kann hohe Bußgelder zur Konsequenz haben.
Bewertung:
Mit Einführung der Begründungspflicht müssen Unternehmen künftig rechtfertigen, warum sie keine Frauen in den Vorstand berufen. Damit erhöhen sich die Hürden für Unternehmen, die sich ihrer Verantwortung einer gleichberechtigten und geschlechtergerechten Verteilung in Führungspositionen entledigen wollen. Sie haben vielmehr umfänglich die Hintergründe ihrer Entscheidung zu erläutern. Diese Regelung wird gezwungenermaßen zum Umdenken in so manchen bisher männerdominierten Führungsebenen in Unternehmen führen.
3. Geschlechterquote in Unternehmen mit mehrheitlicher Beteiligung des Bundes
Unabhängig von Börsennotierung oder Mitbestimmung gilt künftig bei Mehrheitsbeteiligung des Bundes in einer Aktiengesellschaft
Bewertung:
Was § 96 Abs. 2 AktG bisher nur für börsennotierte Gesellschaften vorsah, wurde nun auf derzeit 94 Unternehmen mit mehrheitlicher Beteiligung des Bundes ausgeweitet. Für Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes greift damit eine noch höhere Geschlechterquote als in der Privatwirtschaft. Der Bund möchte hierdurch seine Vorbildfunktion herausstellen und ein Zeichen setzen.
4. Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit, Krankheit
Mit dem Zweiten Führungspositionen-Gesetz wird Vorstandsmitgliedern nach § 84 Abs. 3 AktG zudem die Möglichkeit gegeben, Mutterschutz, Elternzeit und Pflegezeit wahrzunehmen, ohne ihre Position im Vorstand aufgeben zu müssen. In diesem Rahmen erhalten Mitglieder des Vorstandes das Recht, den Aufsichtsrat um den Widerruf ihrer Bestellung für den Zeitraum zu erbeten, in welchem sie ihren Pflichten als Vorstandsmitglied nicht nachkommen können. Zugleich wird ihnen die Wiederbestellung zugesichert. Das Gesetz ermöglicht Frauen Mutterschutz nach § 3 Abs. 1 und 2 MuSchG für einen Zeitraum von sechs Wochen vor errechnetem Geburtstermin und acht Wochen nach der Geburt sowie Elternzeit von maximal drei Monaten in Anspruch zu nehmen und erlaubt ihnen anschließend wieder als Vorstandsmitglied tätig zu sein. Auch für die Pflege von nahen Angehörigen oder im Falle der eigenen Krankheit wird ein Zeitraum von bis zu drei Monaten für alle Vorstandsmitglieder vorgesehen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Zeitraum verlängert werden, wobei die Höchstgrenze auf 12 Monate festgesetzt ist.
Entsprechendes gilt für Geschäftsführer einer GmbH nach § 38 Abs. 3 GmbHG sowie für geschäftsführende Direktoren gemäß § 40 Abs. 6 SE-Ausführungsgesetz.
Bewertung:
Was vor dem Hintergrund des Mutterschutzes und Gesundheitsschutzes als selbstverständlich scheint, hat weitere fünf Jahre gebraucht, um gesetzlich umgesetzt zu werden. Dass viele deutsche Unternehmen noch immer nicht ausreichend Frauen in Führungspositionen fördern, zeigt ein Blick ins Ausland. Seit Jahren liegt Deutschland im Vergleich zum EU-Durchschnitt hinsichtlich des Frauenanteils in Führungspositionen im hinteren Drittel.
Die von der Bundesjustizministerin bezeichnete „Auszeit“ stellt vielmehr ein Grundbedürfnis aller Frauen in Führungspositionen mit Kinderwunsch sowie solcher Mitglieder der Führungsebene, die einen nahen Angehörigen pflegen, dar. Es ist sehr zu begrüßen, dass Frauen, aber auch Männer in Führungspositionen zumindest für eine gewisse Zeit (maximal drei Monate) künftig von diesem Recht Gebrauch machen können, ohne dass sie den Verlust ihrer Führungsposition befürchten müssen. Andererseits berücksichtigt das Gesetz auch die unternehmerischen Interessen, indem die „Auszeit“ zeitlich begrenzt wurde.
Fazit:
Das Zweite Führungspositionen-Gesetz stärkt die Rechte von Frauen in Führungspositionen und zielt auf die Vereinbarkeit von Karriere und Familie. Ob es jedoch tatsächlich ein „Meilenstein“ für Frauen in Deutschland sein wird und in Zukunft zu einem erheblichen Anstieg der Frauenquote in Führungspositionen führt oder es eines etwaigen „Dritten Führungspositionen-Gesetzes“ bedarf, bleibt abzuwarten. Sicher ist, dass es noch ein langer Weg zu einer ausgewogenen paritätischen Führung von Männern und Frauen in deutschen Unternehmen ist. Das Gesetz schafft zumindest schon einmal eine Grundlage hierfür.
Autorin Victoria Kaiser Rechtsanwältin GvW Graf von Westphalen Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaft mbB, Frankfurt |