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Wirtschaftsprüferhaftung (2023), S. V, VI 
Vorwort 
Eike Dirk Eschenfelder 

V Vorwort

Die Wirtschaftsprüferhaftung als spezieller Fall der Expertenhaftung im weiteren Sinne erhält immer dann besondere Aufmerksamkeit, wenn öffentlichkeitswirksame Schadensfälle auftreten, wie dies zuletzt im Fall der Wirecard AG zu beobachten war. Mit der gesteigerten Aufmerksamkeit wächst regelmäßig der Ruf nach schärferer Haftung. Für das ansonsten relativ stabile Haftungsregime gilt dann: „panta rhei – alles fließt“, weil Gesetzgeber und Rechtsprechung in diesen Fällen regelmäßig mit entsprechend erhöhter Geschwindigkeit reagieren. Diese Reaktionen manifestieren und spiegeln gleichzeitig die bedeutende Stellung des Wirtschaftsprüfers, dessen Tätigkeiten und Aufgaben in besonderem Maße des Vertrauens der Öffentlichkeit bedürfen. Kommt es zu gravierenden Erschütterungen der öffentlichen Wahrnehmung durch (sich alle Dekaden wiederholende) große, international beachtete Schadensfälle, zieht dies entsprechende – haftungsrelevante – Eruptionen nach sich. Der jüngste Schadensfall der Wirecard AG und dessen Aufarbeitung ist noch in vollem Gange. Gleichwohl haben der Gesetzgeber (mit dem Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG)) sowie die Rechtsprechung (mit ersten Ausformulierungen und Bewertungen in den zahlreichen insoweit (noch) rechtshängigen Haftungsprozessen) erste Konsequenzen gezogen. Weitere Folgewirkungen und Schärfungen wie auch Präzisierungen des Haftungsrechts sind zu erwarten.

Dabei ist zu beachten, dass der Wirtschaftsprüfer über seine originäre Prüfungstätigkeit hinaus oftmals in unternehmerische Sachverhalte und Entscheidungen im Unternehmen einbezogen ist, was ihn zu einem potentiellen Haftungssubjekt macht. Es gilt – ähnlich wie bei Haftungsprozessen gegen Organmitglieder, die seit Beginn des Jahrtausends einen rasanten Anstieg zu verzeichnen haben –, dass ein solventes (mögliches) Haftungssubjekt und nicht zuletzt ein dahinter stehender Haftpflichtversicherer das Prozessieren attraktiv machen. So gerät der Wirtschaftsprüfer bei der Suche nach Verantwortlichen für etwaige Schäden schnell in den Fokus der Betrachtung. Dies ist bei anderen Experten – wie Rechtsanwälten und Steuerberatern – ganz ähnlich. Die Wirtschaftsprüferhaftung geht aufgrund eigener gesetzlicher Grundlagen und der besonderen Stellung des Wirtschaftsprüfers im wirtschaftlichen Leben – insbesondere aufgrund der diesem zugewiesenen öffentlichen Schutzfunktion im Rahmen von Prüfungstätigkeiten – in weiten Teilen aber eigene Wege. Auch dies zeigen die neuesten Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung.

Generell knüpft das spezifische Haftungsrisiko eines Wirtschaftsprüfers neben der originären Prüfungstätigkeit auch an kapitalmarktbezogene, steuerrechtliche, betriebswirtschaftliche und insolvenz- sowie allgemein unternehmensberatende Tätigkeiten des Wirtschaftsprüfers an. Unter Beachtung dieser Vielfalt der von Wirtschaftsprüfern im Unternehmen konkret übernommenen Aufgaben werden im vorliegenden Buch sowohl die Grundlagen der Berufshaftung von Wirtschaftsprüfern allgemein als auch die konkreten Ausformungen der Haftung bei speziellen Tätigkeiten beschrieben. Ausgehend von der Stellung und den Aufgaben des Wirtschaftsprüfers sowie den konkreten Pflichtenkreisen werden die vertraglichen Grundlagen seines Tätigwerdens dargestellt. Dies umfasst auch die Einordnung nach Vertragstypen, die Beschreibung des Zustandekommens eines Vertragsver VI hältnisses sowie die Bedeutung von Nebenabreden. Die für eine Haftung maßgeblichen Grundlagen werden nach deren Bedeutung für die Praxis anhand der einzelnen Voraussetzungen, die grundsätzlich in jedem Haftungsfall eine Rolle spielen können, aufgezeigt. Die von der Rechtsprechung je nach Tätigkeitsbereich entwickelten konkreten Anforderungen an die Pflichtgemäßheit des Handelns und die spezifischen Haftungsvoraussetzungen werden beschrieben und auf Allgemeingültigkeit hin bewertet. Dabei orientiert sich die Darstellung an den unterschiedlichen Tätigkeitsarten des Wirtschaftsprüfers und untersucht daran sowohl die materiell-rechtlichen Haftungsvoraussetzungen als auch prozessuale Probleme bei der Durchsetzung bzw. Abwehr von Haftungsansprüchen, insbesondere die Haftung gegenüber Dritten.

Die kompakte Darstellung nach einzelnen Anspruchsgrundlagen und den unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen eines Wirtschaftsprüfers auf Grundlage der neuen, aktuellen höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung soll dem Rechtsanwender einen Leitfaden zur praktischen Lösung von Rechtsproblemen im Zusammenhang mit Haftungsfragen des Wirtschaftsprüfers an die Hand geben. Mit Beantwortung relevanter prozessualer Fragestellungen wie auch Hinweisen zur Haftungs- und Schadensvermeidung bzw. Anspruchsverfolgung werden Hilfestellungen für die eigene rechtliche Bewertung möglicher Haftungssachverhalte in der Praxis gegeben.

Die jüngsten Änderungen in der Gesetzgebung sowie Ausformungen und Weiterentwicklungen in der Rechtsprechung nebst Präzisierungen auf standesrechtlicher Seite durch den IDW sind in der vorliegenden 2. Auflage bis Januar 2023 berücksichtigt. Maßgebliche Neuerungen haben sich dabei durch das FISG ergeben, welches zum 1.7.2021 in Kraft getreten ist und insbesondere eine Verschärfung der zivilrechtlichen Haftung des Wirtschaftsprüfers intendiert und in weiten Teilen auch bewirkt hat. Welche hieran anknüpfenden Rechtsauslegungen und –fortbildungen die Rechtsprechung darüber hinaus bei der Aufarbeitung des Wirecard-Skandals noch vornehmen wird, bleibt mit Spannung abzuwarten.

Frankfurt am Main, im April 2023

Dr. Eike Dirk Eschenfelder

 
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