V Vorwort
Private Kapitalanlagen und deren Besteuerung sind seit jeher ein Thema, das emotional und ideologisch stark besetzt ist, auch wenn die dazu in der Öffentlichkeit geäußerten Kommentare nicht immer von Sachkenntnis und differenzierter Betrachtung zeugen. Das kaum überschaubare Spektrum der Meinungen reicht vom Millionärserben, der endlich einmal Steuern bezahlen soll, bis zum Arbeitnehmer, dem man es nicht zumuten kann, die Erträge des mühsam Ersparten noch einmal zu versteuern. Angeheizt wird die Diskussion gerade in den letzten Jahren durch eine Vielzahl von Selbstanzeigen, darunter etliche von prominenten Mitbürgern, Durchsuchungen bei Banken, zweifelhafte Cum/Ex-Geschäfte und den Versuch der Staaten, der Kapitalflucht und der Steuerhinterziehung durch einen umfassenden internationalen Datenaustausch und weiteren Maßnahmen Herr zu werden. Angesichts eines seit der Jahrtausendwende bis zum Jahr 2015 um ca. 60 v.H. auf ca. 12,2 Billionen EUR gestiegenen privaten Nettovermögens ist indes auch für den, der Steuerrecht als Eingriffsrecht versteht, das stets einer austarierten Ermächtigungsgrundlage bedarf, verständlich, dass auch der Staat an diesen Steigerungen angemessen teilhaben will.
In Deutschland hat die Besteuerung privater Kapitalanlagen – wie des Privatvermögens allgemein – in den letzten Jahren gravierende Änderungen erfahren. Mit der Einführung der Abgeltungsteuer ab 2009, verbunden mit der Absenkung der relevanten Beteiligungsgrenzen in § 17 EStG und den Änderungen des § 23 EStG, insbesondere der Relativierung der sogenannten „Spekulationsfristen“, hat der Gesetzgeber einen Systemwechsel eingeleitet und sich von der ursprünglichen Trennung zwischen (steuerpflichtiger) Ertrags- und (steuerfreier) Vermögensebene immer mehr gelöst. Im Ergebnis hat der Gesetzgeber damit einen Paradigmenwechsel herbeigeführt, der letztlich auf die steuerliche Erfassung jeglicher Wertsteigerungen des privaten Vermögens hinausläuft.
Ob die Einführung der Abgeltungsteuer mit dem abgeltenden proportionalen Steuertarif i.H.v. 25 % tatsächlich den gewünschten Erfolg (vor allem Erhöhung des Steueraufkommens und Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens) gehabt hat, lässt sich naturgemäß nur schwer verifizieren. Zumindest hinsichtlich des Besteuerungsverfahrens sind indes Zweifel angebracht: Die Erfahrungen der Praxis weisen jedenfalls darauf hin, dass nach wie vor ein beträchtlicher Beratungs- und Deklarationsaufwand von Nöten ist, und dass sowohl die Steuerpflichtigen als auch die Beraterschaft, die Kreditinstitute und nicht zuletzt auch die Finanzverwaltung mit dem neuen Recht erhebliche Schwierigkeiten haben.
Das alles hat Herausgeber und Autoren dazu bewogen, den – hoffentlich nicht zu verwegenen – Versuch zu unternehmen, allen am Besteuerungsverfahren
Im Einzelnen stellen die Autoren zunächst die Grundtatbestände der Kapitalanlagebesteuerung dar, die Einkünfte i.S.d. §§ 17, 20 und 23 EStG, danach folgen Kapitalertragsteuer- und Veranlagungsverfahren. Daran schließt die Besteuerung von Investmentanteilen an, wobei das geltende Recht wie die Rechtslage nach der Reform des Investmentsteuerrechts ab 2018 erörtert werden. Mit dem Kapitel „Internationales und Europäisches Steuerrecht“ trägt das Handbuch der zunehmenden Bedeutung der über Ländergrenzen hinwegreichenden Anlage- und Besteuerungspraxis Rechnung. Dies findet seinen Niederschlag auch im Kapitel „Informationsmöglichkeiten der Finanzverwaltung“, mit dem erstmals der Versuch einer systematischen Darstellung dieses zunehmend unübersichtlichen Bereichs unternommen wurde. Darüber hinaus werden Umwandlungen und Kapitalmaßnahmen, Steuerstrafrecht und Selbstanzeige, Kapitalanlagen im Erbschaftsteuerrecht sowie Altersvorsorge und Vermögensleistungen mit den jeweiligen steuerlichen Besonderheiten dargestellt. Abgerundet wird das Handbuch durch Ausführungen zur Besteuerung von Stiftungen, wobei sowohl in Deutschland ansässige Stiftungen als auch solche in Österreich und Liechtenstein behandelt werden.
Die Herausgeber danken den Autoren, die zwar aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit mit den von ihnen behandelten Themen tief vertraut sind, die aber alle viel Freizeit geopfert haben, um die richtige Mischung aus Theorie und Praxis für ihre Beiträge zu finden. Wir sind sicher, dass das gelungen ist.
Unser besonderer Dank gilt dem Verlag, insbesondere aber unserer Lektorin, Frau Tanja Brücker, die Herausgebern und Autoren mit viel Einsatz, Einfühlungsvermögen und großer Geduld auch in schwierigen Phasen des Projekts stets zur Seite stand.
Das Werk beruht auf der Rechtslage zum 1. September 2017. Da alle Autoren in ihrer täglichen Arbeit mit der steuerlichen Beurteilung privater Kapitalanlagen befasst sind, sind wir für alle Rückfragen, Anregungen, Hinweise, Ergänzungen wie auch für kritische Bemerkungen dankbar.
München, Frankfurt am Main im September 2017
Joachim Moritz | |
Dr. Joachim Strohm |