Auswirkungen des Abgasskandals auf die Compliance-Entwicklung
Der Abgasskandal beeinflusst Compliance
Wir sind es ja schon gewohnt, dass wir auf dem guten Weg zu einer besseren Compliance immer wieder gestoppt werden durch vermeintlich große Skandale. Der VW-Skandal bzw. der Automobil-Skandal insgesamt mit all seinen Folgen ist sicherlich der Höhepunkt. Und dieser Skandal hat nicht nur das Vertrauen in die Automobilindustrie nachhaltig erschüttert, er stellt auch in vielerlei Hinsicht die Compliance-Bemühungen und die Compliance-Entwicklung in Frage.
Am Ende des Tages wird aber dieser Skandal der Treiber von Compliance schlechthin sein. Dies mag zynisch klingen, ist es aber nicht. Ganz im Gegenteil. Alle Automobilkonzerne, auch die, die betrogen haben, haben eine mehr oder weniger gute Compliance mit redlichen Compliance-Officers. Eine noch so gute Compliance kann aber keine Betrügereien verhindern. Kriminelle sind immer schlau genug, Grenzen und Richtlinien zu überwinden. Aber was lernen wir daraus? Im Moment scheint es so, als stünden sich alle unversöhnlich gegenüber. Die Automobilindustrie – zumindest in Deutschland – zeigt spürbar wenig Reue, sondern empört sich sogar über die Aufregung in der Bevölkerung und über Vorverurteilungen und beruft sich auf den Grundsatz der Unschuldsvermutung, anstatt für bedingungslose Aufklärung zu sorgen.
Unverhohlen und ungeprüft werden Rücktritte und Schadensersatzzahlungen in Milliardenhöhe verlangt. Politiker fordern noch mehr Schadensersatz und noch schärfere Gesetze und wir zeigen mit dem Finger auf gestrauchelte Manager, die in Haft sitzen, bis an ihr Existenzminimum gepfändet werden und haben immer schon gewusst, dass es so kommen muss.
Was haben wir gestöhnt über die Compliance, die uns von den Amerikanern und den Briten vorgelebt und übergestülpt wird, aber wir wären nicht Deutsch, wenn wir diese Compliance nicht “noch besser” machen würden und sie auf die Spitze treiben, wie es derzeit passiert. Wir verzeihen keinem Manager, wir verzeihen keinem Unternehmer und fordern stets Verschärfungen in jeder Hinsicht.
Tatsächlich wird der Automobilskandal mittelfristig zu einer besseren Compliance führen. Bspw. kann es sich kein Automobilkonzern mehr leisten, etwa Zulieferer zu beauftragen, die ihrerseits keine Compliance haben. Daher sind Zulieferer durch den Skandal gezwungen, sich ihrerseits compliant gegenüber einem Unternehmen aufzustellen, welches derzeit in den Schlagzeilen ist. Daher sind in Zukunft nur noch diejenigen Zulieferer wettbewerbsfähig, die sich neu aufstellen.
Der Automobilskandal hat uns auch dazu gebracht, endlich einmal genauer über Sammelklagen nachzudenken. Von der neuen Bundesregierung ist zu fordern, dass diese sich des Themas annimmt. Der Zugang zum Recht bei Compliance-Verstößen dieser Art muss für den Verbraucher einfacher werden.
Zugleich sollten wir die Chance nutzen, stets über Sinn und Zweck von Compliance tatsächlich nachzudenken und zwar in dem Sinne, wie viel Compliance benötige ich eigentlich. Jedes Unternehmen benötigt tatsächlich nur so viel Compliance wie unbedingt nötig. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Wir sollten auch Managern, die einen Fehler begangen haben, eine zweite Chance einräumen. Es ist fatal, wenn ein ansonsten über jeden Zweifel erhabener Manager entlassen werden muss. Dies schadet am Ende dem Unternehmen und der Allgemeinheit. Ein neuer Manager muss eingearbeitet werden. Das kostet Geld und Zeit. Die vielgescholtenen Amerikaner sind da übrigens viel souveräner.
Der Automobilskandal muss auch die Diskussion über ein Unternehmensstrafrecht beleben. Warum wehren wir uns eigentlich so sehr dagegen? Wie kann es sein, dass die Amerikaner und die Briten bspw. unsere deutschen Konzerne und deren Manager in Regress nehmen können, uns Deutschen aber diese Handhabe weitgehend fehlt? Das ist doch absurd!
Wir müssen bei Compliance-Verstößen auch die Unternehmen in die Pflicht nehmen, sei es im Strafrecht oder im Ordnungswidrigkeitenrecht. Zugleich muss aber, und auch dies wird die Compliance-Diskussion positiv voranbringen, gewährleistet sein, dass bei Vorliegen einer guten Compliance das Unternehmen nicht bestraft oder mit einem Bußgeld belegt wird.
Besonders erfreulich ist in diesem Zusammenhang das jüngst ergangene Urteil des BGH vom Mai 2017, welches ausdrücklich danach gefragt hat, ob im Rahmen der Zumessung der Buße bzw. der Strafe geprüft wurde, ob ein Compliance-Management-System vorliegt.
Prof. Dr. Peter Fissenewert ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Buse Heberer Fromm. 2005 erhielt er eine Professur für Wirtschaftsrecht. Seit Jahren beschäftigt er sich mit Compliance-Themen. Er zählt zu den führenden Beratern und Autoren in diesem Bereich und nimmt regelmäßig als Redner an hochkarätigen Fachveranstaltungen teil.