Blocking-Verordnung
„Aus Furcht vor Umsatzeinbußen wird sie ignoriert.“
Als Reaktion auf US-Sanktionen wurde seitens der EU im Jahr 2018 die Blocking-Verordnung (Delegierte Verordnung (EU) 2018/1100 vom 6. 6. 2018) erlassen. Der Hauptzweck der Blocking-Verordnung besteht darin, europäische Unternehmen zu schützen, die im Einklang mit dem EU-Recht am internationalen Handels- und/oder Kapitalverkehr und an damit verbundenen Geschäftstätigkeiten mit Drittländern – wie dem Iran – teilnehmen. Grundsätzlich verspricht die Blocking-Verordnung Schutz vor US-Sanktionen. Jedoch greift dieser Schutz praktisch ins Leere. Denn aus Furcht vor Umsatzeinbußen werden die US-Sanktionen von europäischen Unternehmen umgesetzt und die Blocking-Verordnung oft ignoriert.
Damit soll jetzt Schluss sein. Erstmals hat 2019 ein iranisches Unternehmen mit einer Zweigniederlassung in Deutschland vor einem deutschen Gericht gegen die US-Sanktionen geklagt. Gestützt wurde die Klage auf die Missachtung der Blocking-Verordnung und mithin auf die Verletzung europäischen Rechts. Die Gegenseite führte an, dass bei einer weiteren Zusammenarbeit mit dem iranischen Unternehmen das Geschäft in den USA, das die Hälfte des Umsatzes ausmache, bedroht sei. Das Hanseatische OLG erkannte einen Verstoß gegen die EU-Blocking-Verordnung. Generell spreche die Verordnung ein Verbot aus, Forderungen oder Verboten im Zusammenhang mit US-Sanktionen gegen den Iran nachzukommen. Insofern kann aufgrund solcher „Sekundärsanktionen“ nicht seitens europäischer Unternehmen auf Geschäfte mit Iran-Bezug verzichtet werden. Dies ist die Kernaussage des Hinweisbeschlusses (OLG Hamburg, 6. 6. 2019 – 11 U 257/18). Der Rechtsstreit liegt nun beim EuGH, sodass sich das Verhältnis europäischer Unternehmen zu US-Sanktionen infolge der Rechtsprechung ändern könnte.
Mit Blick auf die US-Sanktionen sind in erster Linie zwei Kernpunkte zu beleuchten: 1. Können diese überhaupt eine rechtliche Bindungswirkung für deutsche bzw. europäische Unternehmen entfalten? 2. Handelt es sich bei der Befolgung von „Sekundärsanktionen“ um eine Missachtung der Blocking-Verordnung und letztlich um einen Verstoß gegen europäisches Recht?
Extraterritorial wirkende Handelssanktionen sind völkergewohnheitsrechtlich nicht grundsätzlich verboten, setzen jedoch einen hinreichenden Anknüpfungspunkt zum eigenen Staat – vorliegend die USA – voraus. In diesem Fall wird jedoch ausschließlich auf Geschäfte mit dem Iran Bezug genommen. Auch kann ein Anknüpfungspunkt nicht über das Personalitätsprinzip oder die Kontrolltheorie konstruiert werden, da weder das Verhalten eigener Staatsbürger im Ausland reguliert wird, noch das Verhalten ausländischer Konzerne ohne jeglichen US-Bezug zum Gegenstand von Sanktionen gemacht werden soll. Ein Anknüpfungspunkt an das Staatsgebiet wiederum könnte nur über die – auch nicht unumstrittene – sog. Auswirkungslehre konstruiert werden. Diese erfordert aber, dass das Handeln im Ausland sich auf inländischem Staatsgebiet maßgeblich auswirkt. Es bleibt indes unerfindlich, weshalb sich der Handel mit zivilen Gütern zwischen dem Iran und EU-Staaten maßgeblich auf US-amerikanisches Staatsgebiet auswirken soll. Im Ergebnis besteht keine rechtliche Grundlage, die US-Sanktionen zu befolgen bzw. im Einklang mit den Vorstellungen der USA zu handeln. Insofern sind europäische Unternehmen nicht daran gehalten, „Sekundärsanktionen“ umzusetzen. Dennoch gilt es die faktische Durchsetzungskraft bzw. die Abschreckungswirkung der US-Sanktionen zu berücksichtigen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Unternehmen, selbst ohne Bezug zu einem US-Geschäft, Abstand von Geschäften mit dem Iran genommen haben, um dem US-Standard zu entsprechen. Letztlich besteht daher zumindest mittelbar eine gewisse Bindungswirkung.
Hinsichtlich der zweiten Frage handelt es sich mit Blick auf die Blocking-Verordnung um eine Verletzung europäischen Rechts. Der Hauptzweck der Blocking-Verordnung besteht darin, europäische Unternehmen zu schützen, die im Einklang mit dem EU-Recht am internationalen Handels- und/oder Kapitalverkehr und an damit verbundenen Geschäftstätigkeiten mit Drittländern teilnehmen. Indem es zu wirtschaftlichen Nachteilen für diese Unternehmen auf dem US-Markt kommen kann und seitens der US-Behörden ein öffentlicher Druck auf die Marktteilnehmer ausgeübt wird, reagieren die meisten Unternehmen im Einklang mit den Vorstellungen, was zu einer faktischen Aushebelung der Schutzwirkung der Blocking-Verordnung führt. Diese Auffassung wird nunmehr vom Hanseatischen OLG geteilt. Insofern ist die Verordnung noch ein stumpfes Schwert. Es bleibt abzuwarten, ob der EuGH die Auffassung der Vorinstanz teilt. Jedenfalls bietet die Entscheidung des EuGH nun die Möglichkeit, das stumpfe Schwert zu schärfen und die alternativlose Einhaltung der Verordnung voranzutreiben.
Dr. Constantin Frank-Fahle, LL. M. ist Managing Partner in der Kanzlei Germela, Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate). Kontakt: frank-fahle@germela.law
Marc Zimmermann ist Associate in der Kanzlei Germela, Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate). Kontakt: zimmermann@germela.law