LkSG – ein Beispiel für Moralimperialismus?
„Den Wegfall des LkSG wird niemand bemerken.“
Es gibt durchaus auch positive Nachrichten. Jüngst habe ich festgestellt, dass unser Wirtschaftsminister Habeck auch ein begeisterter Leser des Compliance-Beraters, insbesondere meines Beitrages CB 2023, S. 171 ff. ist. Wie komme ich zu dieser Leseranalyse? In diesem Beitrag kritisiere ich die Eignung des LkSG, die selbst gesetzten Ziele zu erreichen. Bis vor kurzem war ich mit dieser Kritik noch allein, in letzter Zeit mehren sich die kritischen Beiträge. Nun folgt dem auch Wirtschaftsminister Habeck, indem er erklärte, das LkSG solle bis auf weiteres ausgesetzt werden. Spaß beiseite, dieses nonchalante Vorgehen ist ein einzigartiger Vorgang. Nachdem man trotz umfangreicher substantiierter Kritik ein Bürokratiemonster auf die Wirtschaft losgelassen hat, stellt man nach einem halben Jahr fest, dass das Gesetz doch nicht so toll ist? Diese Erkenntnis ist zu begrüßen, auch die Selbstkritik beim Wirtschaftsministerium. Doch, was ist seitdem passiert? Relativ wenig, es wird noch beraten.
Wie ist die Reaktion bei den einschlägigen Verbänden und Institutionen? Anstatt sich in einem maßlos überregulierten Land darüber zu freuen, dass sogar die Regierung vorsichtig dazu tendiert, eigene Gesetze zurückzunehmen, wird vereinzelt ein solcher Schritt kritisiert. Die Gründe hierfür erschließen sich nicht so recht. Teilweise wird vertreten, dass dies Unternehmen, die das LkSG bereits umgesetzt haben, benachteiligen oder gar ihr Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit belasten würde. Auch wird geäußert, dass es aufgrund einer Aussetzung des LkSG zu Menschenrechtsverletzungen kommen könnte.
Da tun sich ganz erhebliche logische Lücken auf. Nach wie vor steht es jedem Unternehmen frei, auch bei einem Wegfall des LkSG, in der Lieferkette auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards zu achten und unliebsame Lieferanten auszusortieren. Freilich wird den Wegfall des LkSG niemand auf der Welt bemerken, denn es ist von grundlegenden Fehlannahmen und konzeptionellen Schwächen geprägt: Zunächst handelt es sich um nichts anderes als moralischen Imperialismus und Paternalismus da saturierte westliche Gesellschaften die Gesetzgebung, Umwelt- und Arbeitsstandards anderer Länder eingreifen möchten. Selbstverständlich steht es jedem Land frei, die – aus unserer Sicht zu schwachen – Standards bei Menschenrechten und im Umweltschutz zu verbessern. Möglicherweise haben andere Länder aber andere Interessen und Wertvorstellungen, die ignoriert werden. Dass die Bevormundung durch den Westen nicht gewünscht ist, machen zwei Zitate unmissverständlich deutlich: „Wenn wir mit China sprechen, bekommen wir einen Flughafen, sprechen wir mit Deutschland gibt es einen Vortrag“, Ngozi Okonjo-Iweala, Nigeria, Generaldirektorin der WTO und „Die Grünen fallen mit ihrem Vorhaben in den Kolonialismus des 19. Jahrhunderts zurück [...]. Die Dreistigkeit zu bestimmen, was ein afrikanisches Land zu tun habe, ist eine rassistische Einstellung und ein rassistisches Verhalten uns gegenüber“, Maxi Louis, Direktorin des Naturschutzgebiet- und Hege-Verbands NACSO, Namibia. Klare Worte, die die Macher des LkSG gewiss nicht gern hören.
Die andere Fehlannahme ist, dass westliche Unternehmen eine so starke Verhandlungsmacht haben, um westliche Standards in der Lieferkette durchzusetzen. Doch haben die letzten Jahre unmissverständlich deutlich gemacht, dass die Lieferkette extrem anfällig ist, und westliche Unternehmen nicht immer in der starken Verhandlungsposition sind, um bei Verstößen gegen das LkSG beliebig neue Lieferanten zu finden. Tatsächlich zeigt sich, dass die Abhängigkeit gegenseitig auf gleichem Niveau besteht.
Schließlich führt die ultima ratio, der Rückzug europäischer Unternehmen aus kritischen Regionen, nicht zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen. Denn sehr dankbar übernimmt China die Positionen der sich zurückziehenden westlichen Unternehmen. Tatsächlich droht bei konsequenter Anwendung des LkSG, insbesondere der Kündigung von Geschäftsbeziehungen in kritischen Ländern, eine Verschlechterung der Umwelt und Menschenrechtsbedingungen. All das ist nicht neu und wurde in den letzten Jahren mehr oder weniger präsent diskutiert.
Was bedeutet das nun für Unternehmen die Umweltbelange oder Menschenrechte ernst nehmen? Die Quintessenz ist eine rechtsphilosophische mit praktischem Bezug: In der realen Welt besteht leider ein ganz erheblicher Unterschied zwischen Gutes wollen und Gutes tun. Was tun also mit Gesetzen, die keinerlei positive Effekte haben und die selbstgesetzten Ziele möglicherweise konterkarieren? Ich freue mich auf Ihre Antworten!
Dr. Malte Passarge ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und Partner in der Kanzlei HUTH DIETRICH HAHN Rechtsanwälte PartGmbB, Vorstand des Instituts für Compliance im Mittelstand (ICM) und Geschäftsführer von Pro Honore e. V. sowie Chefredakteur des Compliance-Beraters.