BaFin: „Risiken im Fokus“
Mit ihren „Risiken im Fokus“ erläutert die BaFin jährlich die aus ihrer Sicht wichtigsten Risiken für den deutschen Finanzmarkt. Der Bericht erscheint 2025 zum vierten Mal und ersetzt die früheren „Aufsichtsschwerpunkte“ der BaFin. Die Ausgangslage im Jahr 2025 ordnete BaFin-Präsident Mark Branson Ende Januar in einem Statement ein.
BaFin-Präsident Mark Branson sieht 2025 drei Risiken im Fokus: Nachhaltigkeit, technologischen Wandel und die schwächelnde Wirtschaft.
„Es gibt zurzeit nicht das eine, zentrale Risiko. Die Lage ist vielschichtig und komplex“, stellte Branson klar. Drei Themen mit einem steigenden Risiko stellte er besonders heraus: Nachhaltigkeit, technologischer Wandel in der Finanzbranche und die aktuelle wirtschaftliche Lage.
Nachhaltigkeit – „oder präziser: die physischen Risiken des Klimawandels“ – illustrierte Branson mit der jüngsten Feuerkatastrophe um Los Angeles. Für solche Katastrophen seien viele Faktoren – auch regionale Eigenheiten – ursächlich, der Klimawandel schaffe jedoch vermehrt Rahmenbedingungen, die derartige Brandkatastrophen begünstigen. „Natürlich bleiben auch die transitorischen Risiken relevant, die durch die Umstellung auf eine nachhaltige, kohlenstoffarme Wirtschaft auftreten. Doch haben wir regulatorisch und aufsichtsseitig meines Erachtens die physischen Risiken bisher vergleichsweise untergewichtet“, so Branson. Die BaFin lege darauf 2025 einen besonderen Schwerpunkt. Denn die physischen Risiken würden sich in den Kreditportfolios der Banken oder in den Schadenssummen der Versicherer niederschlagen. Die Unternehmen hätten zwar im Management ihrer Nachhaltigkeitsrisiken grundsätzlich Fortschritte gemacht. Aber es existiere noch Verbesserungspotenzial. Zum Beispiel, wenn es darum gehe, Daten zu physischen Klimarisiken zu integrieren und zu verarbeiten. Bei den Banken fehlten häufig kundenbezogene Standortdaten kombiniert mit einer adressgenauen Zuordnung der physischen Gefahren, die dort bestehen. Also zum Beispiel zu möglichen Überschwemmungen durch Starkregen. Bei den Versicherern bestünden Datenlücken zum Beispiel bezüglich öffentlicher Hochwasserschutzmaßnahmen oder bezüglich Bauvorschriften der jeweiligen Städte und Kommunen. Insbesondere Banken seien bei diesem Thema noch am Anfang und konzentrierten sich derzeit auf den Aufbau der Datengrundlage. Wichtig sei dabei, dass historische Daten nur noch begrenzt aussagefähig seien. Denn die Risikolage verändere sich zusehends.
Auch bei den Risiken aus dem tiefgreifenden technologischen Wandel der Finanzbranche seien historische Erfahrungen nur begrenzt hilfreich. An erster Stelle stünden mögliche Cyber-Vorfälle oder große IT-Pannen. Nach Daten des Internationalen Währungsfonds habe fast ein Fünftel aller globalen Cyber-Vorfälle in den vergangenen 20 Jahren Unternehmen des Finanzsektors betroffen. Der Schaden: fast 12 Mrd. US-Dollar. Die Bedrohung durch Cyber-Vorfälle nehme auch aufgrund der angespannten geopolitischen Lage zu. Denn viele Unternehmen des Finanzsektors und ihre zentralen Dienstleister seien Teil der kritischen Infrastruktur und damit ein attraktives Ziel für staatlich veranlasste Angriffe. Aber die Bedrohung steige auch wegen der vielfältigen neuen technologischen Möglichkeiten, wie etwa durch generative KI. 2025 plane die BaFin mehr als 30 IT-Prüfungen, inklusive Nachschauprüfungen und Prüfungen mit dem Schwerpunkt IT-Sicherheit. Außerdem würden Mehrmandaten-Dienstleister intensiver überwacht, die in einem bedeutenden Maße Dienstleistungen für den europäischen Finanzmarkt anbieten und von denen dieser Markt auch abhängig ist. Zudem bereite sich die BaFin darauf vor, in gemeinsamen Untersuchungsteams mitzuarbeiten, die von den europäischen Aufsichtsbehörden geleitet werden und die kritischen IT-Dienstleister überwachen.
Zugleich müssten aufstrebende Technologien, wie das Quantencomputing, im Blick bleiben.Auch wenn es noch keine massentauglichen Quantencomputer gebe: „Forschung und Entwicklung machen rasante Fortschritte“, erinnerte Branson an einen neuen Quantenchip, der in weniger als fünf Minuten eine Berechnung durchführen könne, für die einer der schnellsten heute verfügbaren Supercomputer 10 Quadrilliarden Jahre benötigen würde. Die Unternehmen des Finanzsektors müssten sich darauf einstellen, denn Quantencomputer könnten in der Lage sein, etablierte Verschlüsselungstechnologien zu überwinden. Das werde die Datensicherheit in der Finanzindustrie massiv bedrohen. Die heute gängige Kryptographie für die größten Kryptowerte sei wohl auch nicht quantenresistent. Wichtig sei: Schon heute könnten Daten geklaut und gespeichert werden, um sie später zu entschlüsseln. Die Zeit zu handeln sei jetzt. „Wenn die ersten leistungsfähigen Quantencomputer zum Verkauf stehen, ist es zu spät“, warnte Branson.
Schließlich sprach er auch die schwächelnde deutsche Volkswirtschaft an. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen sei in Deutschland bereits 2024 deutlich gestiegen. Um 16,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dementsprechend habe auch das Risiko zugenommen, dass Kredite an Unternehmen teilweise oder ganz ausfallen. Die Quote notleidender Kredite bei deutschen Instituten stieg bereits im dritten Quartal 2023 stark an und nimmt seitdem weiter zu. Im Vorjahresvergleich legte sie von 1,38 Prozent auf 1,76 Prozent im dritten Quartal 2024 zu. Die BaFin erwarte, dass der Anteil problematischer Kredite weiter steigt. Daher werde sie sich die Risiken aus dem Ausfall von Unternehmenskrediten im Jahr 2025 besonders genau anschauen. Das gelte gerade bei den Instituten, die stark in Branchen engagiert sind, die von einem Konjunktureinbruch oder von geopolitischen Spannungen erheblich betroffen sein könnten.
chk