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CNL 2022, 10
 

Bundeskartellamt will „flexibel“ auf Krisen reagieren

„Unternehmen dürfen die Krise nicht dazu nutzen, ihre Gewinne durch Kartellrechtsverstöße zu erhöhen“, sagte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, anlässlich der Vorstellung des Jahresberichts 2021/22 seiner Behörde. „Wir schauen deshalb genauestens hin“, versprach er. Auf der anderen Seite zeige sich das Kartellrecht aber auch als flexibel genug, um die veränderten Rahmenbedingungen zu berücksichtigen und besondere Bedarfe der Unternehmen, beispielsweise nach krisenbedingten Kooperationen untereinander übergangsweise zu tolerieren.

Abbildung 14

Steht mit den aktuellen Krisen vor neuen Herausforderungen: das Bundeskartellamt in Bonn.

2021 hat das Bundeskartellamt rund 105 Mio. EUR Bußgeld gegen insgesamt elf Unternehmen bzw. Verbände und acht natürliche Personen verhängt. Betroffen waren Branchen wie die Edelstahlherstellung und Stahlschmieden sowie vertikale Preisabsprachen bei Musikinstrumenten, Schulranzen und Unterhaltungselektronik. Im bisherigen Verlauf des Jahres 2022 folgten Bußgelder in Höhe von rund 20 Mio. EUR gegen Hersteller von Brückendehnfugen sowie gegen Unternehmen wegen Absprachen bei der Auftragsvergabe von Industriebauten.

Dennoch sei das Kartellrecht hinreichend flexibel um nützliche und notwenige Kooperationen zu ermöglichen, die sich aber an kartellrechtliche Vorgaben halten und zeitlich klar begrenzt sein müssen. Während der Corona-Krise seien in vielen Branchen Unternehmen darauf angewiesen gewesen, miteinander zu kooperieren, um z.B. in der Produktion, der Lagerhaltung oder der Logistik auf krisenbedingte Engpässe reagieren zu können. Zur Lösung solcher Probleme könne ein koordiniertes Vorgehen gerechtfertigt sein.

Neue Herausforderungen brachten auch die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine: Vor allem die fortlaufende Beobachtung der Kraftstoffpreise an den rund 15.000 Tankstellen in Deutschland mitsamt einer Untersuchung der Raffinerie- und Großhandelsebene stand im Fokus der Behörde. Bislang sei zu wenig darüber bekannt, was zwischen Rohöleinkauf und dem Verkauf an der Tankstelle eigentlich passiere, räumte Mundt ein. Im Herbst will er hierzu erste Zwischenergebnisse vorlegen.

Ein weiterer Schwerpunkt liege für das Bundeskartellamt auf der Digitalwirtschaft. Das Bundeskartellamt hat eine „überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb“ nach dem neuen § 19a Abs. 1 GWB für Alphabet/Google, Amazon und Meta/Facebook bereits festgestellt. Ein entsprechendes Verfahren gegen Apple läuft derzeit noch. Darüber hinaus geht das Bundeskartellamt in weiteren Verfahren gegen alle vier genannten Digitalkonzerne der Frage nach, ob bestimmte Verhaltensweisen der Unternehmen untersagt werden müssen, da sie den Wettbewerb beeinträchtigen bzw. ihre Machtposition absichern.

Im Frühjahr 2021 hat das Bundeskartellamt den Betrieb des Wettbewerbsregisters aufgenommen und mit der Registrierung der abfrageberechtigten Auftraggeber und mitteilungspflichtigen Behörden begonnen. Mit einer elektronischen Abfrage können öffentliche Auftraggeber nachprüfen, ob es bei einem Unternehmen zu Rechtsverstößen gekommen ist, die zu einem Ausschluss von einem Vergabeverfahren führen können. Es gibt bereits über 4.000 Mitteilungen über relevante Verstöße von Staatsanwaltschaften, dem Zoll und anderen Behörden. Täglich werden durchschnittlich rund 800 Abfragen, ob eine Eintragung vorliegt, von Auftraggebern durchgeführt.

Eine Verschärfung des Kartellrechts und mehr Handlungsmöglichkeiten hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vor einigen Wochen angekündigt: Mit der 11. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sollen Sektoruntersuchungen schlagkräftiger ausgestaltet werden, die Hürden für eine kartellrechtliche Gewinnabschöpfung gesenkt und ein missbrauchsunabhängiges Entflechtungsinstrument eingeführt werden. Außerdem plant die Bundesregierung, die Kompetenzen des Bundeskartellamtes im Bereich des behördlichen Verbraucherschutzes noch in dieser Legislaturperiode auszubauen.

chk

Der Jahresbericht 2021/22 ist hier abrufbar.

Wettbewerbsregister: Abfragepflicht und Selbstauskunft

Seit Juni 2022 sind öffentliche Auftraggeber in Vergabeverfahren mit einem geschätzten Auftragswert ab 30.000 EUR (ohne Umsatzsteuer) verpflichtet, das Wettbewerbsregister abzufragen. Für Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber kommt es auf die Schwellenwerte an, die auch für die Anwendbarkeit der Verfahrensregeln des GWB maßgeblich sind. Unterhalb dieser Wertgrenzen können Auftraggeber das Wettbewerbsregister auf freiwilliger Basis abfragen. Seit Juni 2022 ist es Unternehmen und natürlichen Personen zudem möglich, eine Auskunft über den sie betreffenden Inhalt des Wettbewerbsregisters zu erhalten. Anträge können sowohl in schriftlicher als auch in elektronischer Form gestellt werden und sind gebührenpflichtig.

 
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