Der finanzielle Fußabdruck des Menschenhandels
Moderne Sklaverei und Menschenhandel bescheren Menschenhändlern illegale Gewinne von über 150 Mrd. USD pro Jahr (ILO-Report Profits and Poverty: The Economics of Forced Labour). Für Finanzinstitute ist dies relevant, da die aus Menschenhandel stammenden Gelder als Erträge aus Straftaten gelten. Jede Bank, die Transaktionen mit diesen Geldern durchführt, macht sich möglicherweise der Geldwäsche strafbar.
Moderner Menschenhandel: hat nicht selten Berührungspunkte mit Finanzkriminalität.
Anhaltspunkte für das Ausmaß des modernen Menschenhandels geben folgende Meldedaten: 2018 gab es in Deutschland laut dem Global Slavery Index rund 167.000 moderne Sklaven, vor allem Frauen aus Osteuropa und Russland, die zur Prostitution gezwungen werden. In Großbritannien, wo es ein offizielles Meldewesen, den sogenannten National Referral Mechanism (NRM) gibt, an den potenzielle Opfer von Menschenhandel gemeldet werden können, wurden 2019 mehr als 10.600 Fälle gemeldet.
Praktisch alle diese Verbrechen haben ein finanzielles Motiv und hinterlassen daher in der Regel auch einen finanziellen Fußabdruck. Die Herausforderung für die Strafverfolgungsbehörden besteht in der Komplexität der Verbrechen und dem unzureichenden Verständnis dafür, wie deren finanziellen Fußabdrücke tatsächlich aussehen.
Der effektivste Weg, diese Straftaten aufzudecken, besteht darin, die unterschiedlichen Vorgehensweisen für die betreffende Straftat genauer zu verstehen. Wenn man versteht, wie sich Täter und Opfer verhalten, lassen sich Berührungspunkte mit dem Finanzbereich erkennen, und genau diese Berührungspunkte sollten im Mittelpunkt der Aufdeckung von Finanzkriminalität stehen.
In unserem Bericht „Human Trafficking for Labour Exploitation“ konnten wir zeigen, dass beim Menschenhandel sowohl Opfer als auch Täter Spuren hinterlassen – aber diese Spuren sind nuanciert und vielschichtig. Sie werden nur dann deutlich, wenn man sie im Kontext zueinander betrachtet.
Das zeigt sich an dem größten Fall moderner Sklaverei, der jemals in Großbritannien aufgedeckt wurde („Operation Fort“) und den wir für unseren Bericht „Human Trafficking for Labour Exploitation“ näher untersucht haben:
Den Polizeibehörden in den West Midlands zufolge wurden mehr als 400 Menschen mit dem Versprechen von Arbeit und einem besseren Leben von Polen nach England gelockt. Die Menschenhändler nutzten Bankkonten, die auf die Namen ihrer Opfer eröffnet wurden, um Geld zu waschen und ihre Beteiligung zu verschleiern. Bei der Untersuchung wurde deutlich, dass es viele Punkte gab, an denen die Verbrecher hätten gefasst werden können: Es gab Anzeichen von Nötigung, die dokumentiert wurden, als Bankkonten eröffnet wurden, die Opfer führten kein normales Leben, Löhne wurden auf ihren Konten einbezahlt und verschwanden sofort wieder, in vielen Fällen erfolgten die Auszahlungen in anderen Städten. Der Arbeitsagentur stand eine scheinbar unendliche Zahl an polnischen Einwanderern für geringqualifizierte Jobs zur Verfügung und viele Personen hatten dieselben Adressen und Telefonnummern. Erst als sich eines der Opfer in einer Suppenküche meldete, gelang es, dieses Verbrechen aufzudecken.
Nur wenn Finanzinstitute solche Fälle von Menschenhandel nicht nur untersuchen, sondern auch ein tieferes Verständnis dafür entwickeln, wie diese Verbrechen ablaufen, können sie diese Verbrechen besser aufdecken und verhindern.
Nicola Eschenburg
Nicola Eschenburg leitet seit Mai 2021 die Entwicklung des FinCrime Testing Service (FTS) bei BAE Systems Applied Intelligence.