Die Gründung einer Einkaufskooperation aus Inhouse-Sicht – 1. Teil: „Die Sondierungsphase“
Wer mit Wettbewerbern gemeinsam einkauft, kann Einkaufspreise senken und so die Profitabilität steigern.
Einkaufskooperationen sind daher eine beliebte strategische Option für Unternehmen, auch in Krisenzeiten.
In einer vierteiligen Serie stellt Dr. Reto Batzel die Aufgaben vor, die bei der Gründung einer Einkaufskooperation typischerweise von den Unternehmensfunktionen Recht und Compliance übernommen werden. Der erste Beitrag zum Thema beschäftigt sich mit der Sondierungsphase.
Passt es? In der Sondierungsphase wird das prinzipielle Interesse an einer zukünftigen Zusammenarbeit geklärt.
Den ersten Schritt zur Gründung einer Einkaufskooperation kann man als „Sondierungsphase“ bezeichnen. Vereinfacht gesagt schaut sich hier ein Unternehmen im Markt um und prüft, welche anderen Unternehmen Interesse an der gemeinsamen Beschaffung haben könnten und als potenzielle Partner in Frage kommen. Sondierungen sind vielschichtig. Es geht nicht nur darum, Unternehmen mit hohem Einkaufsvolumen zu identifizieren (mehr Einkaufsvolumen bedeutet schließlich: mehr Verhandlungsmacht gegenüber Lieferanten und damit tendenziell niedrigere Einkaufspreise). Der zukünftige Kooperationspartner muss auch strategisch passen, z.B. weil die Einkaufsprozesse ähnlich sind, man sich gegenseitig für vertrauenswürdig hält oder vertriebsseitig kein (allzu enger) Wettbewerber ist.
Ist ein potenzieller Partner ausgemacht, nimmt oft die Unternehmensleitung die Kontaktaufnahme in die Hand. Im informellen Austausch bestätigt sich schnell das prinzipielle Kooperationsinteresse, meist werden auch erste inhaltliche Gesichtspunkte erörtert. Die Experten aus Recht und Compliance erfahren vom Start solcher Sondierungsgespräche mitunter erst dann, wenn die Gespräche bereits angelaufen sind. Sobald Recht und Compliance involviert sind, sollten sie den Ball aufnehmen und zügig klären, ob die angestrebte Kooperation überhaupt zulässigerweise umgesetzt werden kann. Die Antwort auf diese Frage der „rechtlichen Machbarkeit“ und auf weitere damit im Zusammenhang stehende Fragen liefert in erster Linie das Kartellrecht.
Die kartellrechtliche Machbarkeit hat verschiedene Aspekte. Im Kern dreht es sich um die Frage, ob ein Unternehmen in der Zusammenarbeit mit einem oder mehreren Partnern ein kritisches Maß an Marktmacht erreichen würde. Mehr Durchsetzungsstärke in Einkaufsverhandlungen bedeutet zwar tendenziell niedrigere Einkaufspreise. Erreicht eine Kooperation aber ein gewisses kritisches Maß an Marktmarkt, sorgen sich Kartellbehörden, dass die Kooperationspartner die Kooperationsvorteile für sich behalten können und diese nicht an die nachgelagerte Marktstufe, etwa in der Gestalt niedrigerer Verkaufspreise, zumindest teilweise weiterreichen. Das Kartellrecht schiebt kritischer Marktmacht einen Riegel vor und verbietet Einkaufskooperationen, deren Partner ein kritisches Maß an Marktmacht erreichen.
Die kartellrechtliche Machbarkeit ist selbstverständlich zügig zu klären. Eine unzulässige Kooperation wäre schließlich nicht nur ein Kartellverstoß, sondern auch eine gewaltige Ressourcenverschwendung. Die weiteren Teile dieser Serie gehen auf dieses Thema näher ein.
In den meisten Fällen ist jedoch das durch Sondierungsgespräche entstandene Risiko eines kartellrechtlich unzulässigen Informationsaustauschs prioritär zu behandeln. Was vielen Teilnehmern von Sondierungsgesprächen nicht immer klar ist: Potenzielle Partner einer Einkaufskooperation sind, selbst wenn sie vertriebsseitig in unterschiedlichen Märkten unterwegs sind, jedenfalls einkaufsseitig immer Wettbewerber! Auch auf dieses Verhältnis findet das Kartellverbot Anwendung. Die potenziellen Kooperationspartner dürfen sich zwar austauschen, um die Möglichkeit einer Einkaufskooperation zu erörtern. Inhalt und Umfang ihres Austauschs dürfen aber nicht über das hinausgehen, was für die Sondierung zwingend erforderlich ist. Das gilt für einkaufsseitige und erst recht für verkaufsseitige Themen. Jeder nicht erforderliche, also „überschießende Informationsaustausch“ zu kommerziell sensiblen Themen ist regelmäßig ein (bußgeldbewehrter) Kartellverstoß.
Es ist daher entscheidend, die unternehmensinternen und -externen Abläufe der Sondierung so zu organisieren, dass es nicht zu einem überschießenden Informationsaustausch kommt. Insbesondere folgende Maßnahmen können helfen, drohende Kartellrechtsverstöße zu vermeiden:
Checkliste „Sondierungsphase“ – unzulässigen Informationsaustausch verhindern
• Verpflichtung der sondierungsbeteiligten Mitarbeiter zur besonderen Vertraulichkeit („interne Vertraulichkeitsvereinbarung“)
• Auch zwischen den Kooperationspartnern die besondere Vertraulichkeit der Sondierung vereinbaren („externe Vertraulichkeitsvereinbarung“)
• Mitarbeiter über Inhalt und Grenzen des kartellrechtlich zulässigen Informationsaustauschs informieren („kartellrechtliche FAQs“)
Das Thema von Teil 2 dieser Reihe ist „Die Verhandlungsphase“ und erscheint in der April-Ausgabe von Compliance.
Dr. Reto Batzel
Dr. Reto Batzel ist Partner von MARCK, einer auf Kartellrecht, Compliance und Regulatory spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei aus Düsseldorf. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Beratung nationaler und internationaler Mandanten zu Einkaufskooperationen und anderen Formen der Zusammenarbeit zwischen Wettbewerbern. www.marck.eu