Die Gründung einer Einkaufskooperation aus Inhouse-Sicht – 2. Teil: „Die Verhandlungsphase“
Wer eine Einkaufskooperation gründet, kann Einkaufspreise senken und so die Profitabilität steigern. Einkaufskooperationen sind daher eine beliebte strategische Option für Unternehmen, auch in Krisenzeiten. In einer vierteiligen Serie stellt Dr. Reto Batzel die Aufgaben vor, die bei der Gründung einer Einkaufskooperation typischerweise von den Unternehmensfunktionen Recht und Compliance übernommen werden. Dieser 2. Teil der Serie beschäftigt sich mit der Verhandlungsphase.
Verhandlungsphase: Die Inhalte einer möglichen Zusammenarbeit müssen im Detail besprochen werden, ohne dabei kommerziell hochsensible Daten direkt auszutauschen.
Nach Abschluss der Sondierungen (siehe dazu den ersten Beitrag dieser Serie) beginnen die Kooperationspartner über den Inhalt einer möglichen Zusammenarbeit im Detail zu sprechen. Es geht dabei um verschiedene Parameter: vom inhaltlichen Umfang und Ablauf der gemeinsamen Verhandlungen bis hin zu praktischen Fragen über künftige Erweiterungen oder über Kooperationsbeginn und -beendigung. Die Verhandlungsergebnisse werden typischerweise in einer Absichtserklärung oder in einem Entwurf der Kooperationsvereinbarung festgehalten.
Mitglieder der Unternehmensfunktionen Recht und Compliance sind oft dafür zuständig, die Ergebnisse der Verhandlungen in rechtssichere Vertragsklauseln umzusetzen. Dabei prüfen sie laufend, ob das kommerziell Gewünschte kartellrechtskonform vereinbart und später, im laufenden Kooperationsbetrieb, auch praktisch umgesetzt werden darf. Außerdem achten sie auf die Einhaltung der kartellrechtlichen Grenzen des Informationsaustauschs in den noch laufenden Verhandlungen. In allen diesen Fällen können kartellrechtliche Guidelines – die idealerweise schon in der Sondierungsphase aufgesetzt wurden – bei der Beratung der Verhandlungsteams helfen.
Oft wollen die Verhandlungsteams schon vor Abschluss der Einkaufskooperation miteinander Einkaufspreise austauschen. Das ist verständlich: Sie wollen einschätzen können, ob der gemeinsame Einkauf zu wirtschaftlichen Vorteilen führt, die den Aufwand und die Risiken des Projekts rechtfertigen. Ein Austausch der bloßen Einkaufspreise führt aber in einem solchen Fall gar nicht weiter. Schließlich erschöpfen sich die Vorteile einer Einkaufskooperation nicht schon darin, dass ein Partner niedrigere Einkaufspreise hat. Es geht auch zum Beispiel um die Bündelung hinreichender Beschaffungsmengen oder gegebenenfalls darum, durch die Kooperation den Zugang zu neuen Lieferanten und Produkten zu erhalten.
Die für eine umfassende Wirtschaftlichkeitsanalyse erforderlichen Preis-, Mengen- und Umsatzdaten sollten nicht zwischen den Partnern direkt ausgetauscht werden – dies ist vor Abschluss der Kooperation grundsätzlich kartellrechtlich verboten. Stattdessen sollte ein neutraler Dritter, z.B. eine Unternehmensberatung, die Daten erhalten und die Wirtschaftlichkeitsanalyse durchführen; nur das Schätzergebnis wird den Unternehmen mitgeteilt. Recht und Compliance achten darauf, dass das Schätzergebnis hinreichend aggregiert bzw. anonymisiert und damit kartellrechtlich unkritisch ist. Externe Kartellrechtsanwälte können mit entsprechenden Leitlinien oder bei Einzelfallfragen unterstützen.
Die womöglich zentrale Aufgabe der Verhandlungsphase ist aber, zu klären, ob die gemeinsame Beschaffung „an sich“ kartellrechtlich zulässig ist. Es geht im Kern dabei um Folgendes: Führt die Zusammenarbeit zu einer kritischen Bündelung von Marktmacht? Marktmacht wird vor allem anhand gemeinsamer Marktanteile gemessen, wobei nicht nur die Marktanteile im Einkauf, sondern auch beim Absatz relevant sind. Die Zulässigkeitsprüfung ist komplex, da zahlreiche Faktoren (wie etwa die richtige Marktdefinition) eine Rolle spielen. Verallgemeinernd lässt sich aber sagen: Gemeinsame Marktanteile von bis zu 15 % auf Einkaufs- und Absatzmärkten sind regelmäßig unkritisch, gemeinsame Marktanteile jenseits von 15 % auf Einkaufs- oder Absatzmärkten sind zunehmend kritisch und gemeinsame Marktanteile von 40 % oder mehr sind grundsätzlich prohibitiv.
Typischerweise ziehen Recht und Compliance für die Zulässigkeitsprüfung externe Kartellrechtsanwälte hinzu. Die externen Kartellrechtsanwälte prüfen dann auch, ob der gemeinsame Einkauf nur eine vertragliche Zusammenarbeit auf Zeit sein soll, die in erster Linie einen kartellrechtskonformen Kooperationsvertrag verlangt, oder ob es zu einem „Zusammenschluss“ der Partner kommt, z.B. durch die Gründung einer Einkaufsgesellschaft, die die Aufgabe des gemeinsamen Einkaufs übernimmt. Diese weitere Prüfung ist wichtig: Kommt es zu einem Zusammenschluss, kann es sein, dass dieser von einer oder mehreren Kartellbehörden fusionskontrollrechtlich freigegeben werden muss, bevor die Kooperation praktisch umgesetzt wird.
Checkliste „Verhandlungsphase“
• Prüfung der Ergebnisse der Vertragsverhandlungen auf ihre kartellrechtliche Zulässigkeit hin („operative Zulässigkeit der Kooperation“)
• Kartellrechtskonformität des Informationsaustauschs zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Zusammenarbeit durch neutralen Dritten
• Prüfung der prinzipiellen kartellrechtlichen Zulässigkeit der Einkaufskooperation und etwaig notwendiger fusionskontrollrechtlicher Freigaben
Das Thema des nächsten Beitrags (Teil 3) dieser vierteiligen Serie zum Thema Einkaufskooperationen aus der Inhouse-Sicht ist „Die Umsetzungsphase“ und erscheint in der Mai-Ausabe von Compliance.
Dr. Reto Batzel
Dr. Reto Batzel ist Partner von MARCK, einer auf Kartellrecht, Compliance und Regulatory spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei aus Düsseldorf. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Beratung nationaler und internationaler Mandanten zu Einkaufskooperationen und anderen Formen der Zusammenarbeit zwischen Wettbewerbern. www.marck.eu