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CNL 2021, 8
Hauser 

EU-Hinweisgeberrichtlinie: Unternehmen haben noch viel zu tun

Am 17. Dezember 2021 endet die Frist für die nationale Umsetzung der EU-Hinweisgeberrichtlinie 2019/1937. Doch wie gut sind europäische Unternehmen auf die neuen rechtlichen Anforderungen vorbereitet? Der im Oktober erschienene Whistleblowing Report 2021 hat über 1.200 Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und der Schweiz befragt.

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Hinweisgeberschutz: Die EU hat die Weichen gestellt, doch in Deutschland fehlt noch die Überführung in nationales Recht und viele Unternehmen sind bislang unzureichend vorbereitet.

Dänemark und Schweden haben als erste EU-Staaten die Vorgaben der Europäischen Union zum Schutz von Hinweisgebern in nationales Recht überführt. Die anderen Mitgliedsstaaten müssen noch bis Ende des Jahres mit neuen Gesetzen nachziehen. Für Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden sieht die Richtlinie u.a. vor, dass sie vertrauliche Meldekanäle einrichten, gewissenhafte Untersuchungsprozesse für Hinweise definieren und Hinweisgebende vor Repressalien schützen müssen. Ab Ende 2023 trifft dies auch auf Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden zu. Die Regularien gelten auch für Unternehmen außerhalb der EU, die über entsprechende Niederlassungen in einem der Mitgliedsstaaten verfügen.

Obwohl es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die EU-Richtlinie in allen Mitgliedsstaaten umgesetzt sein wird, sind viele Unternehmen in Europa noch unzureichend auf die neue Gesetzeslage vorbereitet. Zu diesem Ergebnis kommt der Whistleblowing Report 2021. Die Studie wurde bereits zum dritten Mal als Kooperation der Fachhochschule Graubünden und der EQS Group erhoben und befragt über 1.200 Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und der Schweiz zu unternehmensinternem Whistleblowing und Meldestellen. Neben dem Vorbereitungsstand auf die EU-Hinweisgeberrichtlinie wurde untersucht, inwieweit Unternehmen von Missständen betroffen sind, wie Meldestellen als Instrument zur Prävention und Aufdeckung von Missständen genutzt werden und welche Auswirkungen die Covid-19-Pandemie auf das Meldeverhalten in Unternehmen hatte.

Interessanterweise hält ein Großteil der befragten Unternehmensvertreter die Inhalte und Vorgaben der EU-Richtlinie für grundsätzlich sinnvoll und geht davon aus, dass sie zu einem ausreichenden Hinweisgeberschutz führen werden. Über alle Länder hinweg werden zudem die einzelnen inhaltlichen Aspekte der Richtlinie als überwiegend positiv bewertet.

Gut drei Viertel der Unternehmen in Deutschland, Großbritannien und der Schweiz haben sich schon etwas eingehender mit den Anforderungen der Richtlinie auf die unternehmensinternen Prozesse und Strukturen auseinandergesetzt. In Frankreich liegt der Anteil hingegen nur bei knapp der Hälfte. Bei Großunternehmen ist der Informationsstand in allen vier Ländern deutlich besser als bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).

Blickt man jedoch auf die konkrete Umsetzung der Vorgaben in den Unternehmen zeigt sich, dass noch Handlungsbedarf besteht. Gerade einmal 10 Prozent der befragten Unternehmen, die von der EU-Richtlinie betroffen sind, erfüllen schon alle rechtlichen Vorgaben. Dazu gehört zum Beispiel die Eingangsbestätigung eines Hinweises innerhalb von einer Woche, der Schutz der Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgebenden und Dritter oder das Verbot und die Unterlassung von Repressalien gegenüber den Hinweisgebenden. Der Whistleblowing Report 2021 zeigt, dass deutsche und britische Unternehmen etwas besser vorbereitet sind. Hier erfüllt schon gut jedes siebte bzw. sechste Unternehmen alle Vorgaben. In Frankreich und der Schweiz ist es erst jedes 20. Unternehmen. Nicht überraschend ist, dass über alle Länder hinweg Großunternehmen besser vorbereitet sind als KMU. Für Unternehmen zwischen 50 und 249 Mitarbeitenden gelten die Vorgaben aber auch erst ab Ende 2023.

In Hinblick auf die einzelnen Vorgaben der EU-Richtlinie haben Unternehmen in Deutschland und Großbritannien für die Bestätigung des Erhalts von Meldungen sowie Updates zu Untersuchungsfortschritten und Folgemaßnahmen überdurchschnittlich häufig Prozesse definiert. Auch hat die Hälfte der befragten Unternehmen schon unparteiische Ansprechpersonen für die Bearbeitung von Hinweisen festgelegt.

Schlusslicht bei der Erfüllung der EU-Vorgaben ist Frankreich. Dort erfüllen bisher rund 60 Prozent der betroffenen Unternehmen noch keine einzige Anforderung. Doch auch in der Schweiz, Deutschland und Großbritannien liegt der Anteil der Unternehmen, die noch gar nicht mit der Umsetzung der Vorgaben begonnen haben, zwischen 35 bis 45 Prozent. Dies macht deutlich, dass der Handlungsbedarf für die Unternehmen groß ist, um den gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen und mögliche Sanktionen zu verhindern.

Tiefere Einblicke in den Vorbereitungsstand europäischer Unternehmen auf die EU-Hinweisgeberrichtlinie sowie praktische Handlungsempfehlungen können Sie übrigens in der Dezember-Ausgabe des Compliance-Beraters nachlesen.

Prof. Dr. Christian Hauser

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Prof. Dr. Christian Hauser ist Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Internationales Management am Schweizerischen Institut für Entrepreneurship der Fachhochschule Graubünden. Er ist dort Leiter des Kompetenzschwerpunkts Corporate Responsibility sowie des ersten PRME Business Integrity Action Centers in Europa.

 
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