R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
Logo ruw-online
Logo ruw-online
Suchmodus: genau  
 
 
CNL 2023, 8
Passarge 

Ein Blick auf das BAFA: Vorsicht vor Handreichungen

Das LkSG befindet sich in der Phase der Umsetzung, viele große Unternehmen haben die Maßnahmen mehr oder weniger dezidiert übernommen. Der Aufwand ist beträchtlich, der Nutzen zweifelhaft. Den Unternehmen soll bei der Umsetzung der zahlreichen, aber wenig konkreten Pflichten gemäß § 20 LkSG vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) mit Informationen, Hilfestellungen und Empfehlungen geholfen werden. Die Stellungnahmen des BAFA sind so umfangreich wie zahlreich. Die Veröffentlichungen sorgen regelmäßig für eine gewisse Aufregung in der Compliance-Szene, zuletzt die Empfehlungen für KMU. Gerechtfertigt ist dies gewiss nicht – die Rolle des BAFA ist durchaus bedenklich.

Abbildung 9

Zu viele Handreichungen können die klare Sicht versperren.

Schon der Ansatz des LkSG, Unternehmen umfangreiche und detaillierte Pflichten aufzuerlegen, ist ausgesprochen unglücklich und steht im Widerspruch zum risikobasierten Ansatz für den Umgang mit Compliance-Risiken und den Grundsätzen der Business Judgement Rule. Eine Häufung von Handlungsvorgaben führt lediglich zu einer „Tipp-the-Box-Compliance“, die viele Menschen mit dem Befüllen von Software und Ausfüllen von Formularen beschäftigt, aber die gesetzten Ziele kaum erreicht.

Dabei ist die Rolle des BAFA unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung bestenfalls kritisch, dürfte aber verfassungswidrig sein. Im Aufgabenkreis des BAFA werden die Aufgaben von Exekutive, Judikative und Legislative in einer Behörde vereint.

Die Ermittlungsbefugnisse des BAFA sind umfangreich, so dürfen Betriebsgrundstücke betreten, Einsicht in Unterlagen genommen und Auskünfte und Herausgabe von Unterlagen angeordnet werden. § 15 gewährt dem BAFA das Recht, konkrete Anordnungen und Maßnahmen zu treffen, um Verstöße gegen Sorgfaltspflichten festzustellen, zu beseitigen und zu verhindern. Unternehmen sind nicht nur zur Duldung, sondern zur aktiven Erteilung von Auskünften und Herausgabe von Unterlagen verpflichtet. Faktisch entsprechen die Befugnisse denen der Staatsanwaltschaft, allerdings mit dem Unterschied, dass ein Richtervorbehalt nicht vorgesehen ist. Diese Mitwirkungspflicht verstößt gegen den Grundsatz nemo tenetur.

Das BAFA ermittelt nicht nur, es verhängt auch Strafen. Die Bußgeldtatbestände sind unbestimmt und führen angesichts des hohen Bußgeldrisikos zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Führt ein Unternehmen die Risikoanalyse fahrlässig nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig durch, stellt dies gemäß § 24 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 LkSG eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dar. Unklar ist, ob jeder einzelne Fehler innerhalb einer Risikoanalyse eine Ordnungswidrigkeit ist, oder ob die gesamte (fehlerhafte) Risikoanalyse als einheitliche Ordnungswidrigkeit zu behandeln ist.

Schließlich agiert das BAFA mit seinen Handreichungen, in denen die unbestimmten Tatbestände des LkSG definiert und Vorgaben zu den verschiedenen Sorgfaltspflichten gemacht werden, als Ersatzgesetzgeber.

Die schiere Flut der Empfehlungen verhindert, dass sich in der Praxis angemessene und sachgerechte Maßnahmen entwickeln können. Ein Blick auf die letzten 20 Jahre Entwicklung im Rechtsgebiet Compliance zeigt, dass sich in der Praxis zweckmäßige, effiziente und effektive Compliance-Maßnahmen entwickelt haben – ohne Hilfestellung einer Behörde.

Auch inhaltlich sind die Empfehlungen des BAFA nicht unbedingt hilfreich. Angesichts der Unsicherheiten bei den Sorgfaltspflichten und den drohenden Bußgeldern schauen viele Unternehmen und Berater auf die Handreichungen des BAFA wie das Kaninchen auf die Schlange. Dabei wird vergessen, dass diese Erklärungen nicht rechtsverbindlich sind. Es sind weder Akte der Legislative, noch der Judikative, sondern lediglich Empfehlungen, die zu hinterfragen durchaus lohnend ist.

In der jüngsten Handreichung für KMU wird erklärt, dass KMU bei der Umsetzung der für die verpflichteten Unternehmen geltenden Vorgaben nicht mitwirken müssen. Dies sei aber irgendwie doch ganz gut, da so Kundenbeziehungen gestärkt und Wettbewerbsvorteile erzielt werden können. Eine Erkenntnis, auf die Unternehmen gewiss auch von allein gekommen wären. Weiter wird erklärt, dass Klauseln, mit denen Erklärungen zur Einhaltung der Vorgaben aus dem LkSG abgegeben werden, unzulässig seien und gegen AGB-Recht verstoßen könnten. Zudem wird den Unternehmen empfohlen, bei unklaren rechtlichen Fragestellungen anwaltlichen Rat einzuholen. Letzteres ist bestimmt ein weiterer toller Tipp, auf den Unternehmen aber auch ohne Hilfestellung des BAFA gekommen wären.

Ob vertragliche Klauseln zwischen Unternehmen wirksam sind oder nicht, entscheidet nicht eine Behörde, sondern die Rechtsprechung. Vor allem aber wird nicht begründet, aus welchem Grunde die Abgabe von Erklärungen über die Einhaltung von Vorgaben im eigenen Unternehmen unzulässig sein sollte. Vergleichbares ist im Hinblick auf die Einhaltung von Mindestlohn anerkannte Praxis, auch in anderen Compliance-Bereichen geben Unternehmen gegenüber ihren Auftraggebern Erklärungen über die Einhaltung von Compliance-Maßnahmen in ihren Unternehmen ab. Aus welchem Grunde dies für die Einhaltung der Pflichten aus dem LkSG eine unzulässige Maßnahme sein soll, erklärt das BAFA nicht. Vor allem aber steht dies im Widerspruch zu § 6 Abs. 4 Nr. 2 LkSG. Auch wird erklärt, dass KMU selbst nicht prüfen müssten, welche Präventions- und Abhilfemaßnahmen sie durchführen sollten. Angesichts dieser Vorgaben fragt sich, wie die betroffenen Unternehmen ihre Pflichten nach dem LkSG überhaupt umsetzen sollen. Die von der Politik geschaffene regulatorische Planwirtschaft stößt an ihre Grenzen.

Dr. Malte Passarge

Abbildung 10

Dr. Malte Passarge ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und Partner in der Kanzlei HUTH DIETRICH HAHN Rechtsanwälte PartGmbB, Vorstand des Instituts für Compliance im Mittelstand (ICM) und Geschäftsführer von Pro Honore e.V. sowie Chefredakteur des Compliance-Beraters.

 
stats