Finanz-Compliance im Koalitionsvertrag
Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD ist vor allem von dem Wunsch geprägt, die Wirtschaft zu entlasten. So liegt das Hauptaugenmerk für compliance-relevante Inhalte auf dem Kapitel „Bürokratierückbau“.
Aber auch der Geldwäschebekämpfung und Kapitalmarktregulierung widmet der Koalitionsvertrag eigene Kapitel. Die allerdings enthalten weniger „klare Kante“ gegen Überregulierung.
Wenn sich ein Zweckbündnis auf einen Vertrag einigt: der neue Bundeskanzler Friedrich Merz und sein künftiger Vize-Kanzler und Finanzminister Lars Klingbeil.
Ein Grund dafür, dass der Koalitionsvertrag in Sachen Finanz-Compliance auf das ausdrückliche „Weniger-ist-Mehr“ bei der Regulierung verzichtet, dürfte das für Deutschland eher schlechte Zeugnis aus der Prüfung der Financial Action Task Force (FATF) von 2022 sein. Das hat offenbar auch bei den neuen Regierungsparteien nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Bis zur nächsten Prüfung, so versprechen es die Koalitionäre, werden „entscheidende Verbesserungen bei der Geldwäschebekämpfung“ vorgenommen. Insbesondere den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Bereich der Geldwäsche hatte die FATF als „Herausforderung“ beschrieben. „Das Fehlen verfügbarer Daten zwischen Bund und Ländern zur Messung der Effektivität, der Bedarf an neuen Technologien zur besseren Datennutzung bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit Datenschutzbehörden sind in mehreren Bereichen deutlich geworden“, hatte die FATF den Deutschen ins Stammbuch geschrieben. Das will die neue Regierung nun angehen und auch einen verbesserten Austausch mit internationalen Organisationen, der EU und der europäischen Aufsichtsbehörde AMLA erreichen. Außerdem will Schwarz/Rot Lücken im Transparenzregister schließen: „Sind ein oder mehrere wirtschaftlich Berechtigte nicht zu ermitteln, so dürfen Rechtsgeschäfte juristischer Personen, die den Betrag von 10.000 Euro netto überschreiten, von geldwäscherechtlich Verpflichteten nicht getätigt werden“, heißt es dazu ganz konkret im Koalitionsvertrag. Mit einem Vermögensermittlungsverfahren sollen zudem verdächtige Vermögensgegenstände von erheblichem Wert sichergestellt werden, bei denen Zweifel an einem legalen Erwerb nicht ausgeräumt werden können. Die bestehenden Vermögenseinziehungsinstrumente sollen um ein Einziehungsverfahren für Vermögensgegenstände ungeklärter Herkunft erweitert werden.
In Sachen Kapitalmarktregulierung verweist das Papier vor allem auf die EU und eine einheitliche europäische Finanzregulierung ohne „Goldplating“ – also ohne den Anspruch, auf nationaler Ebene die Vorgaben der EU über zu erfüllen. Hier schimmert dann doch wieder der Bürokratierückbau bzw. der Wunsch zur Bekämpfung von Überregulierung durch.
Der Blick soll aber auch über den Tellerrand der EU hinausgehen: „Wir setzen uns dafür ein, dass die EU-Kommission regelmäßig einen Bericht zur europäischen Finanzmarktregulierung erstellt, der die hiesige Regulierung mit der in großen Finanzplätzen außerhalb der EU im Lichte wachsender internationaler Divergenzen vergleicht.“ Die Ergebnisse des Berichts sollen eine Maßgabe für künftige Regulierungsinitiativen auf europäischer und nationaler Ebene sein. Dahinter steht der Wunsch nach mehr Wettbewerbsfähigkeit mit außereuropäischen Finanzmärkten.
Auch des Deutschen zweitliebstes Kind, das Bargeld, erhält eine eigene Überschrift im Koalitionsvertrag: „Das Bargeld als gängige Zahlungsform erhalten wir. Wir setzen uns für echte Wahlfreiheit im Zahlungsverkehr ein und wollen, dass grundsätzlich Bargeld und mindestens eine digitale Zahlungsoption schrittweise angeboten werden sollen.“
Der vom inzwischen neuen Bundeskanzler Friedrich Merz im Wahlkampf angekündigte Politikwechsel findet sich im Bereich der Finanz-Compliance also eher nicht. Die Aufarbeitung des FATF-Berichts inklusive verbesserter Geldwäschebekämpfung und natürlich der Beibehalt des Bargelds waren auch schon in der Ampelkoalition und im einst FDP-geführten Finanzministerium „State oft the Art“. Eine Form der „Kontinuität“ also, die auch darin besteht, dass nach dem Regierungsausscheiden der FDP das zuletzt von der SPD besetzte Finanzministerium nun von Lars Klingbeil als neuem Finanzminister geführt wird.
Dennoch: Die Zusicherung, „Gesetze, Verordnungen und Regelungen, die nicht gemacht werden müssen, werden wir nicht machen“, sollte auch für die Finanz-Compliance Geltung haben und scheint in Deutschland inzwischen so ungewöhnlich zu sein, dass sie explizit im Koalitionsvertrag erwähnt werden musste. Nicht zuletzt ist ja auch die deutsche Finanzbranche von den Deregulierungsbemühungen im Omnibus-Paket der EU betroffen. Das europäische Omnisbusverfahren will die neue Regierung unterstützen.
Komplett vom Tisch scheint die Diskussion um ein Unternehmensstraftrecht, das noch in der vorherigen schwarz-roten Koalition als „Verbandssanktionengesetz“ ein zentrales Thema der Compliance-Community war. Die beständige Aufforderung von Wirtschaftsvertretern und auch einiger politischer Akteure, Unternehmen nicht unter einen ständigen Generalverdacht zu stellen, mag hier Wirkung gezeigt haben. Auch wenn ein überarbeitetes bzw. neues Unternehmensstrafrecht nicht zwingend mit einem negativen Framing der Wirtschaftsakteure verbunden sein müsste, in Deutschland wird es wohl auf absehbare Zeit keinen neuen Anlauf für ein „Verbandssanktionengesetz“ geben.
Christina Kahlen-Pappas
Christina Kahlen-Pappas ist Redakteurin des Compliance-Beraters und verantwortliche Redakteurin der Online-Zeitschrift Compliance.