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CNL 2020, 7
Schluck-Amend 

Gesetzgeber reagiert mit Änderung des Insolvenzrechts auf die Folgen der COVID-19-Pandemie

Am 27. März 2020 trat das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht in Kraft. Der Beitrag erläutert die Auswirkungen des Gesetzes auf das Insolvenzrecht.

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Anpassung an die Folgen der Pandemie: Ohne das neue Gesetz wäre eine Welle an Insolvenzverfahren zu erwarten gewesen.

Eine der wesentlichen Regelungen des neuen Gesetzes ist die Aussetzung der strafbewehrten Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO zunächst vom 1. März 2020 bis zum 30. September 2020. Die Regelung will verhindern, dass Unternehmen, bei denen die von der Bundesregierung beschlossenen Hilfen nicht rechtzeitig ankommen, nur aus diesem Grund Insolvenz anmelden müssen. Die reguläre Drei-Wochen-Frist der Insolvenzordnung ist für diese Fälle zu kurz bemessen.

Geschäftsführer und Vorstände einer Kapitalgesellschaft und von Personengesellschaften ohne natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter trifft die Pflicht, einen Insolvenzantrag unverzüglich zu stellen, wenn die Gesellschaft insolvenzreif wird, also Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingetreten sind. Abwarten können Geschäftsleiter mit der Insolvenzantragsstellung maximal drei Wochen ab Eintritt der Insolvenzreife und das auch nur dann, wenn der Insolvenzgrund innerhalb der drei Wochen nachhaltig beseitigt werden kann (etwa durch frische Liquidität oder Forderungsverzichte der Gläubiger). Verstöße führen zu einer persönlichen Haftung und auch zur Strafbarkeit der Geschäftsleiter.

Ohne das neue Gesetz wäre eine Welle an Insolvenzverfahren zu erwarten gewesen. Zum einen hätte es zu Kettenreaktionen zwischen den Unternehmen führen können, da der Zahlungsausfall eines Schuldners für den Gläubiger oft zugleich auch bedeutet, dass er seine eigenen Gläubiger nicht mehr bezahlen kann. Zum anderen hätten die zuständigen Insolvenzgerichte die Flut an Insolvenzanträgen kaum zeitgerecht bearbeiten können. Auch wären die Kapazitäten der Insolvenzverwalter voraussichtlich schnell ausgeschöpft gewesen. Im Ergebnis hätte es nicht nur eine nie dagewesene Vielzahl an Insolvenzen gegeben, deren Abwicklung wäre vermutlich auch alles andere als optimal verlaufen. Wie im Gesundheitssystem musste also auch hier die Kurve abgeflacht werden.

Durch die Neuregelung wird die Insolvenzantragspflicht im Regelfall bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Dies soll nur dann nicht greifen, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht oder generell keine Aussichten auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen. Dabei wird die Vermutungsregel aufgestellt, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Pandemie beruht und Aussichten auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen, wenn der Schuldner zum 31. Dezember 2019 noch nicht zahlungsunfähig gewesen ist.

Neben der Antragspflicht der Organe der späteren Insolvenzschuldnerin werden auch Insolvenzanträge von Gläubigern durch die Änderungen eingeschränkt. Für Gläubigeranträge, die innerhalb von drei Monaten ab Inkrafttreten des Gesetzes gestellt werden, wird vorausgesetzt, dass der Insolvenzgrund bereits am 1. März 2020 vorlag. Wenngleich die Hürden für einen Gläubigerantrag schon bisher hoch waren, so sind sie nach der Neuregelung praktisch ausgeschlossen.

Insgesamt wird durch diese Regelungen die Zahl der Insolvenzanträge zumindest vorübergehend verringert werden. Neben den Regelungen zur Insolvenzantragspflicht beziehungsweise dem Insolvenzantragsrecht werden auch noch weitere zwingend mitbetroffene Bereiche geregelt.

Ist die Insolvenzantragspflicht ausgeschlossen, wird auch das Risiko einer künftigen Insolvenzanfechtung erheblich reduziert. Die Rückgewähr von im Aussetzungszeitraum gewährten Krediten ist künftig insolvenzfest möglich. Kreditgewährung und Besicherung solcher Kredite gelten auch nicht als sittenwidrige Beihilfe zur Insolvenzverschleppung. Selbst die Rückführung von Gesellschafterdarlehen – nicht aber die Besicherung – genießt Schutz vor späterer Anfechtung, was Finanzierungsanreize für Gesellschafter schafft.

Wird die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt, werden auch die gesellschaftsrechtlichen Zahlungsverbote gelockert. Diese sind nach bisherigem Recht sehr streng. Führt ein Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife noch Zahlungen aus oder lässt diese zu, haftet er hierfür persönlich. Nach der Neuregelung sind diese Zahlungsverbote nicht grundsätzlich suspendiert. Aber Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, gelten dann als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar und lösen keine Haftung aus. Wo genau die Grenzen des neuen Sorgfaltsmaßstabs verlaufen, wird die Rechtsprechung künftig klären müssen. Dabei wird der Gesetzeszweck heranzuziehen sein. Das Ziel des Gesetzgebers ist es, dass Geschäftsführer sich um die Bewältigung der Folgen der COVID-19-Pandemie kümmern können, ohne zugleich eine persönliche Haftung fürchten zu müssen.

Dr. Alexandra Schluck-Amend

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Dr. Alexandra Schluck-Amend ist Rechtsanwältin und Partnerin im Stuttgarter Büro bei CMS Deutschland und leitet den Geschäftsbereich Restrukturierung und Insolvenz. Sie berät insbesondere bei Restrukturierungen und Sanierungen innerhalb und außerhalb der Insolvenz.

 
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