R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
Logo ruw-online
Logo ruw-online
Suchmodus: genau  
 
 
CNL 2025, 6
Federmann/Pruksch/Modrzyk/Bernheim 

Hinweisgeberschutz in Deutschland – Teil 4

Der Hinweisgeberschutz in Deutschland sollte inzwischen etabliert sein. Doch was gilt für die Umsetzung in Konzernen? Teil 4 der mehrteiligen Beitragsreihe blickt auf die Frage, wie ein gemeinsamer Meldekanal für mehrere Unternehmen bzw. bei länderübergreifenden Unternehmensgruppen implementiert werden kann.

Abbildung 7

Gemeinsame Meldekanäle? Länderübergreifend tätige Unternehmen sind mit einem unübersichtlichen Nebeneinander beim Hinweisgeberschutz konfrontiert.

Von besonderer Praxisrelevanz für Unternehmensgruppen ist die Frage, ob sie einen zentralen Meldekanal betreiben dürfen – auch dann, wenn es sich nicht um kleine Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten handelt. Aufgrund des Rechtsträgerprinzips ist jedes verpflichtete Unternehmen zunächst selbst verantwortlich, einen eigenen Meldekanal zu implementieren. Das HinSchG ermöglicht allerdings auch Unternehmen ab 250 Beschäftigten innerhalb eines Konzerns – abweichend von der Rechtsauffassung der EU-Kommission (siehe Protokoll über das 5. Treffen der Expertengruppe der Europäischen Kommission zur Umsetzung der HinSch-RL v. 14.6.2021, S. 3.) – den Betrieb eines zentralen Meldekanals. Die Gesetzesbegründung zu § 14 Abs. 1 HinSchG stellt insoweit klar, dass eine unabhängige und vertrauliche Stelle als „Dritter“ auch bei einer anderen Konzerngesellschaft eingerichtet werden kann, die dann auch für mehrere unabhängige Gesellschaften innerhalb des Konzerns tätig werden kann. Dabei geht diese Rechtsauffassung davon aus, dass die konzernweite zentrale Meldestelle alle Aufgaben einer internen Meldestelle erfüllen darf, das heißt, sie darf nicht nur Meldungen entgegennehmen, sondern darf auch die Bearbeitung der Meldung (das sog. Case Management) betreiben, die Kommunikation mit dem Hinweisgeber übernehmen und etwaige Folgemaßnahmen im Sinne von § 18 HinSchG ergreifen. Jedoch verbleibt die Verantwortung für die Behebung und Weiterverfolgung eines festgestellten Verstoßes immer dezentral bei der jeweils betroffenen Konzerngesellschaft. Die zentrale Stelle wird insoweit als Dienstleister im Auftrag tätig.

Betreiben mehrere kleine Unternehmen mit jeweils bis zu 249 Beschäftigten zusammen einen internen Meldekanal, ist das jeweils betroffene Unternehmen dafür zuständig, den Verstoß abzustellen und der hinweisgebenden Person Rückmeldung zu geben (§ 14 Abs. 2 S. 2 HinSchG).

Komplizierter ist die Implementierung eines gemeinsamen Meldekanals bei länderübergreifenden Unternehmensgruppen. Ein EU-weit einheitliches Hinweisgeberschutzrecht existiert nicht. Vielmehr hatte jedes EU-Land die Verpflichtung, die EU-Whistleblowing-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Dies geschah höchst disparat, sodass sich der Hinweisgeberschutz nun von EU-Land zu EU-Land unterscheidet, manchmal lediglich in Details, zuweilen hingegen erheblich.

Diese rechtliche Ausgangslage führt dazu, dass sich in der EU tätige multinationale Konzerne der Herausforderung ausgesetzt sehen, allen Hinweisgeberschutzgesetzen derjenigen Länder Folge leisten zu müssen, in denen sie tätig sind. Hat z.B. ein deutsches Unternehmen Tochtergesellschaften in Tschechien, Spanien und Belgien, muss es bei der Implementierung des Hinweisgebersystems das jeweilige nationale Recht aller genannten Länder beachten. Möchte die vorgenannte Unternehmensgruppe eine konzernweite Meldestelle einrichten, muss es in allen genannten Ländern die Rechtslage daraufhin prüfen, ob das jeweilige nationale Recht eine konzernweite Meldestelle zulässt. Es gibt EU-Länder, in denen konzernweite Lösungen für größere Unternehmen (das heißt mit über 249 Beschäftigten) nicht zulässig sind (z.B. Ungarn). Dann verbieten sich konzernweite Lösungen und die Tochtergesellschaft in dem betreffenden Land muss zur Erfüllung der regulatorischen Anforderungen einen eigenen, von der Muttergesellschaft unabhängigen Meldekanal einrichten und betreiben. Insgesamt führt der regulative Flickenteppich zu einem für EU-weit tätige Unternehmen unübersichtlichen Nebeneinander verschiedener Rechtssysteme und mithin zu einem erheblichen administrativen Mehraufwand.

RA Dr. Bernd Federmann, LL.M., RA/FAArbR Andreas Pruksch, RA Gracjan Modrzyk und RAin Dr. Patricia Bernheim, Rechtsanwälte bei der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Die bisherigen Teile der Reihe können Sie hier abrufen:

Teil 1 – November-Ausgabe 2024,

Teil 2 – Dezember-Ausgabe 2024,

Teil 3 – Januar/Februar-Ausgabe 2025

 
stats