MaComp: Jüngste Aktualisierung führt zu bedeutenden Änderungen
Die BaFin hat am 26. September 2024 das „Rundschreiben 05/2018 (WA) zu den Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp)“ in überarbeiteter Fassung veröffentlicht. Anlass der MaComp-Anpassung ist die zuvor erfolgte Veröffentlichung neuer Fassungen von Leitlinien auf europäischer Ebene. Zentraler Aspekt vieler Neuerungen ist die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitspräferenzen als eine Ausprägung der zunehmenden Bedeutung von ESG-Faktoren im Finanzsektor. Im Folgenden werden verschiedene bedeutende Änderungen in Auszügen vorgestellt. Einen ausführlichen Beitrag der Autoren hierzu lesen Sie in CB 1/2-2025.
Ein zentraler Aspekt der MaComp-Aktualisierung ist die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitspräferenzen.
An zahlreichen Stellen des Kapitels BT 5 „Product-Governance-Anforderungen im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen“ wurden Modifizierungen vorgenommen.
Bei der Berücksichtigung der fünf Zielmarktkategorien (1. Kundenkategorie; 2. Kenntnisse und Erfahrungen; 3. Finanzielle Situation mit Fokus auf der Verlusttragungsfähigkeit; 4. Risikotoleranz bzw. Vereinbarkeit des Risiko-Rendite-Profils des Produktes mit dem Zielkunden; 5. Ziele und Bedürfnisse) im Rahmen der Bestimmung des abstrakten Zielmarktes haben fortan die zu jeder Kategorie zu treffenden Aussagen detailliert zu erfolgen. Gleichzeitig dürfen dabei die Kategorien nicht miteinander vermischt werden. Die Wechselwirkungen und jetzt auch die Kohärenz zwischen den Kategorien müssen allerdings dabei einbezogen werden. (5.2.1 Nr. 3)
Vertriebsunternehmen sind nun speziell zur Prüfung der zu verwendenden Vertriebsstrategien für die verschiedenen Kundengruppen verpflichtet. Im Fokus steht dabei, ob Art und Weise der Vermarktung im besten Interesse der betreffenden Kundengruppe sind. Daran anknüpfend ist deren potenzielle Anwendung festzulegen. Ausdrücklich als problematisch gelten hier etwa Nudging-Verfahren (sogenannte „sanfte Schubser“, etwa durch optische oder auditive Anreize) oder Gamification-Praktiken (Übertragung von Spielelementen oder spielähnlichen wettbewerblichen Elementen auf einen Nicht-Spiel-Kontext wie Finanzdienstleistungen), weshalb sodann insbesondere eine sorgfältige Prüfung zu erfolgen hat. (5.3.1 Nr. 4)
Beachtenswert ist auch die Aufnahme von „Finfluencern“ („Financial Influencer“) in die aufgeführten Beispiele von Marketingstrategien – ihre Nutzung wird insofern von der BaFin anerkannt, ist aber auch entsprechend zu überwachen.
Schließlich werden in der neuen Fassung auch die für Konzepteure und Vertriebsunternehmen geltende Pflicht zur turnusmäßigen Produktüberprüfung sowie die Anforderungen an diesen Prozess detailliert ausformuliert. Für diese Überprüfung, ob weiterhin Konformität der Produkte besteht im Hinblick auf die Bedürfnisse, Merkmale und Ziele und ob die Vertriebsstrategie nach wie vor angemessen ist, sind quantitative und qualitative Kriterien heranzuziehen. (5.4.2)
In Kapitel BT 7.1 „Prüfung der Geeignetheit nach § 64 Absatz 3 WpHG, Artikel 54, 55 DV“ stehen diverse Ergänzungen und Modifikationen im Zusammenhang mit den Nachhaltigkeitspräferenzen. Unter anderem müssen den Kunden fortan Begrifflichkeiten sowie Unterschiede hinsichtlich der Definitionen von Nachhaltigkeitspräferenzen gemäß Artikel 2 Absatz 7 Buchstabe a bis c Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 erläutert werden. Fachausdrücke sollen hierbei vermieden werden. Überdies gibt die neue Fassung vor, welche Informationen hinsichtlich der Nachhaltigkeitspräferenzen durch die Wertpapierdienstleistungsunternehmen eingeholt werden müssen bzw. können, sprich obligatorisch bzw. fakultativ einzuholende Informationen.
Auch die Anforderungen an die Geeignetheitsbewertung wurden in Bezug auf die Nachhaltigkeitspräferenzen auf verschiedene Art und Weise aktualisiert. So ist es etwa im Rahmen der Geeignetheitsbewertung bei der Ermittlung eines passenden Produktes (bzw. einer passenden Anlagestrategie im Fall von Portfolioberatung oder Anlageberatung mit Portfolioansatz) regelmäßig erst in einem zweiten Schritt zulässig, die Nachhaltigkeitspräferenzen zu berücksichtigen. Zuvor sind in einem ersten Schritt Kenntnisse und Erfahrung, finanzielle Lage und weitere Anlageziele zu bewerten.
Im Rahmen der Sicherstellung der Zuverlässigkeit von Kundeninformationen gibt es ebenfalls Aktualisierungen. Sie beziehen sich auf die Art, mit der etwaige Kundenkenntnisse und -erfahrungen abgefragt – und schließlich beurteilt – werden sollen. So sollten dem Kunden in diesem Zusammenhang im Sinne einer aussagekräftigeren Einschätzung und passgenaueren Bewertung etwa verstärkt Multiple-Choice Fragen gestellt werden, bei denen es eine objektiv richtige Antwort gibt. Sie sollen allgemein formulierten Fragen vorgezogen werden und vermeiden, dass Unternehmen sich stärker auf die Selbsteinschätzung des Kunden verlassen.
In der Praxis ist zu empfehlen, verstärkt mit offenen Fragen zu Nachhaltigkeitspräferenzen zu operieren, wie zum Beispiel: „Welche Nachhaltigkeitspräferenzen haben Sie?“ Auf diese Weise könnte ein individuelles Kundenverständnis von „Nachhaltigkeit“ potenziell noch besser nachvollzogen, entsprechend berücksichtigt und damit ein Auseinanderfallen von Kunden- und Bankverständnis über den Begriff der Nachhaltigkeit und somit vor allem zivilrechtliche Haftungsrisiken vermieden werden.
Hartmut T. Renz, RA, Partner Regulatory, Risk & Compliance Advisory, Andreas M. Marbeiter, Director Regulatory, Risk & Compliance Advisory und Tom Pechmann, Legal Counsel bei der STRATECO GmbH