Online-Anbieter müssen nicht immer über Herstellergarantien informieren
Im Streit darum, ob Online-Anbieter Informationen zu Herstellergarantien bereitstellen müssen, hat der EuGH nun ausgleichend geurteilt. Diese Informationsflicht bestehe nur dann, wenn der Verbraucher ein berechtigtes Interesse daran habe – etwa, wenn die Herstellergarantie als Werbe- und Verkaufsargument eingesetzt wird.
Online-Anbieter: Wer die Herstellergarantie als Verkaufsargument einsetzt, muss auch über sie informieren.
Am 5. Mai 2022 hat der EuGH (C-179/21) über die Frage geurteilt, ob ein Online-Anbieter verpflichtet ist, den Verbraucher über das Bestehen einer gewerblichen Garantie des Herstellers zu informieren. Im konkreten Fall wollte ein Anbieter von Taschenmessern ein gerichtliches Verbot erwirken, damit ein Konkurrent künftig ein Produkt nicht mit Herstellergarantien bewirbt, ohne hierbei auf die gesetzlichen Regelungen zu Garantien hinzuweisen.
Der BGH, vor dem das Verfahren zunächst verhandelt wurde, hatte den Streit dem EuGH vorgelegt. Der EuGH stellte fest, dass die Pflicht, den Verbraucher über das Bestehen einer gewerblichen Garantie des Herstellers zu informieren, sämtliche für diese Ware bedeutsamen Informationen abdeckt. Der Verbraucher müsse anhand dieser Informationen entscheiden können, ob er sich vertraglich an den Unternehmer binden möchte. Diese Informationen umfassen die wesentlichen Eigenschaften der Waren sowie grundsätzlich alle untrennbar mit der Ware verbundenen Garantien, darunter die vom Hersteller angebotene gewerbliche Garantie. Der EuGH weist allerdings darauf hin, dass die Übermittlung von Informationen über die gewerbliche Garantie des Herstellers zwar ein hohes Schutzniveau für den Verbraucher sicherstellt, eine unbedingte Verpflichtung, solche Informationen stets zur Verfügung zu stellen, aber unverhältnismäßig erscheint. Im Rahmen der Abwägung zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen kommt das Gericht zu dem Befund, dass der Online-Anbieter nur dann verpflichtet ist, dem Verbraucher vorvertragliche Informationen über eine gewerbliche Garantie des Herstellers zur Verfügung zu stellen, wenn der Verbraucher ein berechtigtes Interesse am Erhalt dieser Informationen hat, um die Entscheidung zu treffen, ob er sich vertraglich an den Unternehmer binden möchte. Dieses Interesse liege vor, wenn der Unternehmer die gewerbliche Garantie des Herstellers zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn er daraus ein Verkaufs- oder Werbeargument herleitet, um die Wettbewerbsfähigkeit oder die Attraktivität seines Angebots im Vergleich zu den Angeboten seiner Wettbewerber zu verbessern.
Für Philipp Rohdenburg, Rechtsanwalt bei CMS Deutschland, ist dieses Urteil „etwas überraschend“. Denn entgegen seiner oftmals verbraucherfreundlichen Linie habe der EuGH hier zumindest teilweise zugunsten der Online-Händler entschieden.
Zwar entstehe für Online-Händler ein Mehraufwand, da diese sich damit auseinandersetzen müssen, ob die Hersteller der von ihnen vertriebenen Produkte die Herstellergarantie als Verkaufs- oder Werbeargument einsetzen. Eine allgemeine Informationspflicht, die kaum überwindbare Hürden für Händler geschaffen hätte, gerade wenn sie nichteuropäische Produkte anbieten, bestehe jedoch nicht.
„Für Verbraucher bedeutet die Entscheidung mehr Transparenz im Onlinehandel, während der für Händler entstehende Mehraufwand im Rahmen der Angebotsgestaltung in den meisten Fällen noch darstellbar sein dürfte“, ordnet Rohdenburg ein.
Das habe auch für den deutschen Markt und insbesondere für deutsche Online-Anbieter unmittelbare Folgen: „Wird ein Angebot mit einer Garantie beworben, muss der Anbieter sämtliche Informationen hinsichtlich der Garantie bereitstellen. Andernfalls riskiert er eine Abmahnung.“
chk