Studie: Diskriminierung Älterer bei Kreditvergaben
Ältere Menschen haben es in Deutschland schwer, Kredite zu bekommen. Das geht aus der von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes geförderten Studie „Altersdiskriminierung bei der Kreditvergabe“ des Instituts für Finanzdienstleistungen (iff) hervor.
Bankgeschäfte im Alter: Selbst wer die Hürde überwindet, online unterwegs sein zu müssen, stößt oft auf Grenzen bei der Kreditvergabe.
55 Prozent der Befragten einer Bankenumfrage (100 befragte Banken) bestätigen die Existenz von Altersgrenzen bei der Vergabe von Konsumkrediten, 71 Prozent bestätigen dies bei Immobilienkrediten. Wo es Altersgrenzen gebe, da lägen diese im Durchschnitt bei 67 Jahren. Den Autoren der Studie zufolge spielt das Alter der beantragenden Personen bei der Kreditvergabepraxis eine „benachteiligende Rolle“.
„Die Studie des Instituts ist ein Warnsignal. Sie zeigt, dass ältere Menschen oft pauschal keine Kredite mehr bekommen“, sagte die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, zu den Ergebnissen. „Das kann dazu führen, dass viele ältere Hausbesitzende, die zum Beispiel ihre Heizung erneuern müssen, ernsthafte Probleme bekommen werden.“ Banken sollten natürlich auch in Zukunft die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden prüfen können. Aber pauschale Ablehnungen wegen des Alters seien falsch, sagte Ataman.
Zweck des Forschungsprojekts war es, konkrete Lösungsansätze für eine nachhaltige Klärung dieser Problematik zu unterbreiten.
Die wichtigsten Erkenntnisse des Projektes sind:
– Das Alter der kreditbeantragenden Person spielt bei der Kreditvergabepraxis eine benachteiligende Rolle.
– Aufgrund der zunehmenden Filialschließungen ist vor allem für ältere Kreditnehmer der Zugang zu Beratung erschwert. Dies kann dazu führen, dass der Zugang zu Finanzierungsoptionen erschwert ist, aber auch dazu, dass Anpassungsbedarfe bei laufenden Krediten nicht rechtzeitig und adäquat angegangen werden.
– Es wird angenommen, dass mit fortschreitendem Alter die Rückzahlungswahrscheinlichkeit geringer wird. Gründe hierfür sind beispielsweise das verringerte Einkommen im Rentenalter, das erhöhte Sterberisiko und das erhöhte Risiko der Pflegebedürftigkeit. Reaktionen darauf sind teilweise Altersgrenzen und der notwendige Abschluss einer Restschuldversicherung. Zur altersbedingten Benachteiligung führen die Restschuldversicherungen dann, wenn sie ab einem bestimmten Alter gar nicht mehr verkauft werden, diese aber für einen Teil der Anbieter eine Voraussetzung für eine Kreditvergabe bei älteren Menschen darstellt.
– Aufgrund der zunehmenden Standardisierung, die durch die Digitalisierung und Regulierung sowie durch die Vermittlung der Kredite durch Dritte gefördert wird, werden Kreditanträge von älteren Personen zum Teil ohne eine ergänzend durchgeführte individuelle Prüfung abgelehnt. Beispielsweise findet eine Berücksichtigung etwaiger freiwilliger Einkommensquellen auch im Rentenalter bei einer standardisierten Kreditvergabe nicht statt.
– Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gewährt keinen umfassenden Schutz vor altersbedingten Benachteiligungen bei den Verbraucherkrediten, da man nicht alle Kreditverträge als Massengeschäft oder massengeschäftsähnliches Schuldverhältnis i. S. d. § 19 Abs. 1 Nr. (1) AGG einordnen kann. Diese Rechtsunsicherheit spiegelt sich in der Beratungspraxis wider. Es bedarf einer gesetzlichen Änderung bzw. Anpassung, um altersbedingte Benachteiligung bei der Kreditvergabe unterbinden zu können.
– Es besteht eine große Beratungslücke bei den (altersbedingten) Benachteiligungen bei der Kreditvergabe. Die Berater der Verbraucherzentralen kennen sich mit der Anwendbarkeit des §§ 19 ff. AGG im Allgemeinen und vor allem auf Darlehensverträge im Besonderen nicht aus. Zudem kennen sich die Berater der Antidiskriminierungsberatungsstellen mit den Einzelheiten der Kreditvergabepraxis in der Regel nicht genug aus, um zwischen einer sachlich gerechtfertigten Prüfung und (altersbedingter) Benachteiligung unterscheiden zu können.
Zur Lösung dieser Problematik schlägt die Studie vor:
– Die Verankerung des Schutzes vor altersbedingter Benachteiligung bei den Verbraucherkrediten entweder durch eine ausdrückliche Regelung im AGG bezüglich der Kreditverträge, oder durch eine allgemeine, umfassende Regelung zum Benachteiligungsverbot in zivilrechtlichen Verhältnissen, die auch Schutz vor Benachteiligungen bei den Kreditverträgen gewährt.
– Die Festlegung von Grundsätzen und Leitlinien zur Verwendung statistischer Werte für Kreditwürdigkeitsprüfung sowohl für Konsumenten- als auch bei Immobilienkrediten. Dadurch würden Grundsätze und Leitlinien für die Einzelfallprüfungen, ob die Benachteiligung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist, zur Verfügung gestellt. Die Verabschiedung der neuen Verbraucherkreditrichtlinie und deren Umsetzung ins deutsche Recht bietet dazu den geeigneten Anlass.
– Die Anpassung regulatorischer Vorgaben zur Besicherung des Kredits: Die Zugangsprobleme für ältere Menschen aufgrund Restschuldversicherungen werden durch die neue Verbraucherkreditrichtlinie nicht vollkommen ausgeräumt. Hier könnte wiederum eine regulatorische Vorgabe zweckmäßiger sein, die den Kreditinstituten mehr Ermessensspielraum im Hinblick darauf einräumt, durch welche alternativen Sicherheiten bzw. Versicherungen die Kreditvergabe besichert werden kann.
– Aufbau von Kompetenzen zur Schließung der Beratungslücke: Es fehlt an einer Fachstelle, die die Verschränkung von Benachteiligungsaspekten und Finanzdienstleistungs- bzw. Finanzaspekten beleuchten kann.
Die Studie „Altersdiskriminierung bei der Kreditvergabe“ finden Sie unter:
https://www.iff-hamburg.de/2023/09/26/altersdiskriminierung-bei-der-kreditvergabe/.
chk