ViDA-Verordnung: Unternehmen müssen sich auf Digitalisierung der Steuer-Compliance einstellen
Europäische Steuerbehörden nutzen zunehmend digitale Lösungen, um die Einhaltung der Steuervorschriften und die Steuererhebung zu verbessern. Grund dafür ist, dass digitale Lösungen einen besseren Einblick in die Transaktionen von Unternehmen bieten und so die Einhaltung der Rechtsvorschriften erheblich erleichtern. Sie helfen auch, die seit langem bestehende Umsatzsteuerlücke zu schließen. Im Dezember 2022 hat die Europäische Kommission dementsprechend Änderungen des europäischen Umsatzsteuersystems vorgeschlagen.
Steuer-Compliance: Auch hier hält die Digitalisierung Einzug.
Ziel der ViDA-Verordnung (VAT in the digital age) ist es, das System besser an die digitale Welt anzupassen und Steuerbetrug zu bekämpfen. Die Vorschläge für die Umsatzsteuer auf digitale Produkte werden derzeit noch verhandelt. Sie sollen schrittweise zwischen 2024 und 2028 umgesetzt werden.
Die wichtigsten von ViDA vorgeschlagenen Änderungen gliedern sich in drei Kernthemen:
– Die erste Säule betrifft die EU-weite Einführung von zeitnahen und kontinuierlichen Transaktionskontrollen (CTCs). Damit sollen Unternehmen verpflichtet werden, innerhalb eines vorgegebenen kurzen Zeitraums Auskünfte zur Umsatzsteuer auf alle Umsätze zu melden, um Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Die Meldepflicht für innergemeinschaftliche Transaktionen zwischen Unternehmen (B2B) soll erst im Jahr 2024 in Kraft treten. Anstelle einer EU-weiten Regelung sieht der Vorschlag nationale Systeme für die Meldung lokaler Lieferungen vor, sofern diese mit den EU-Grundsätzen konform sind. Da Länder wie Italien und Frankreich bereits jetzt sehr unterschiedliche nationale CTC-Regelungen anwenden, wird dies den Digitalisierungsprozess auf EU-Ebene ein wenig komplizierter machen.
– Bei der zweiten Säule geht es darum, wie wir im Zeitalter der Plattformökonomie mit dem Thema Umsatzsteuer umgehen. Nach den derzeitigen Vorschriften sind Unternehmen, die Online-Transaktionen ermöglichen, wie Airbnb und Uber, nicht grundsätzlich verpflichtet, Umsatzsteuer zu erheben. ViDA würde dies ändern und sicherstellen, dass für alle Unternehmen der Plattformökonomie dieselben Mehrwertsteuervorschriften gelten. Die Änderung tritt ab Januar 2025 in Kraft.
– Die dritte und letzte Säule ist die Ausweitung der Zonen für die einheitliche Mehrwertsteuer-Registrierung, oder One-Stop-Shop (OSS). Das OSS-System ermöglicht es Unternehmen, sich in einem einzigen Mitgliedstaat für Umsatzsteuerzwecke registrieren zu lassen und Umsatzsteuererklärungen für alle EU-Verkäufe aus diesem Land einzureichen. ViDA würde den Anwendungsbereich des OSS-Systems erweitern und Unternehmen so die Einhaltung der Vorschriften erleichtern.
Mit der Digitalisierung ändert sich auch die Art und Weise, wie die Einhaltung von Compliance-Vorschriften beurteilt wird. Da die Steuerbehörden mehr Zugang zu Transaktions- und anderen Daten haben als je zuvor, gibt es weniger Spielraum für Interpretationen. In der Vergangenheit haben die Steuerbehörden im Zweifelsfall oft den Unternehmen den Vorzug gegeben, wenn das Gesetz unklar war, da die Gerichte oft die Standards der „Angemessenheit“ aufrechterhalten haben.
Durch die Digitalisierung ist es für die Steuerbehörden jedoch einfacher geworden, Transaktionen und andere Wirtschaftsdaten nachzuvollziehen, so dass es nun weniger wahrscheinlich ist, dass sie Unregelmäßigkeiten bei der Einhaltung der Vorschriften übersehen. Vor diesem Hintergrund müssen Unternehmen bei ihren Compliance-Bemühungen präziser werden.
Da die Mitgliedstaaten Echtzeit-Meldepflichten auf nationaler Ebene einführen werden, wie beispielsweise Frankreich im Jahr 2024, sollten sich Unternehmen auf die nationalen und EU-weiten Änderungen der Umsatzsteuersysteme vorbereiten, indem sie eine umfassende Compliance-Strategie entwickeln. Mit anderen Worten: Unternehmen, die ihre Umsatzsteuer-Berichterstattung noch nicht digitalisiert haben, müssen jetzt damit beginnen, neue Technologien und Prozesse zu implementieren.
Ein weiterer Faktor, der berücksichtigt werden muss, ist die Frage, wie sich die neuen Vorschriften für die elektronische Rechnungsstellung auf bestehende EDI-Systeme eines Unternehmens auswirken werden. Welche Konsequenzen haben Veränderungen für das Management der Kundenkommunikation, für Software für automatisiertes Procurement, für die Kreditorenbuchhaltung von SaaS-Diensten oder für Order-to-Cash- und Zahlungslösungen? Unternehmen müssen sich fragen, ob ihre Systeme in der Lage sind, elektronische Rechnungen im richtigen Format zu erstellen und zu empfangen.
Auch wenn die anstehenden Veränderungen Herausforderungen mit sich bringen, ist eines sicher: Der langfristige Nutzen der Neuerungen wird die kurzfristigen Startschwierigkeiten überwiegen. Durch die Integration neuer Technologien können Unternehmen Verwaltungsprobleme lösen, die sie vorher vielleicht nicht lösen konnten, und langwierige interne Prozesse rationalisieren.
Martin Grote
Martin Grote, Solution Principal, Consulting Services bei Sovos, verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung von Kunden bei der Optimierung von Umsatzsteuerprozessen und der Umsetzung von Umsatzsteueranforderungen in IT-Systemen.