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CNL 2023, 4
Makowicz 

Wenn Compliance, dann nur mit Integrity!

Es ist gut, dass immer mehr Unternehmen, auch im Mittelstand, Compliance-Management-Systeme (kurz CMS) implementieren. Noch besser ist es, wenn sie diese evaluieren und fortlaufend verbessern. Nur wenige davon kommen inzwischen aber zu der Erkenntnis, dass ein CMS um einen Integrity-Ansatz ergänzt werden muss, wenn das System seine Wirksamkeit entfalten soll. Doch wie funktioniert ein solches Integrity-Management-System (kurz IMS) und welche Fähigkeiten soll eine für Integrity zuständige Person besitzen?

Abbildung 4

Integrity: unverzichtbar im Compliance-Kompass.

Während es inzwischen klar sein dürfte, wie ein effektives CMS zu gestalten ist, so scheint der Bereich der Integrity zwar auch in aller Munde, jedoch bisher systematisch wenig aufgearbeitet zu sein. Dabei spielt der Ansatz die entscheidende Rolle: So sollten im Mittelpunkt eines jeden CMS nicht eine Compliance-Richtlinie oder andere Compliance-Werkzeuge, sondern eben der Mensch und seine Werte stehen. Aber warum eigentlich? Weil ein Verstoß gegen eine konkrete Regel dem Menschen dann wesentlich schwerer fallen wird, wenn sie oder er diese als eigene Werte verinnerlicht hat. Und an genau der Stelle kommt ein IMS ins Spiel.

Mitarbeitende eines Unternehmens dürfen nicht als Objekte eines formalen Managementsystems betrachtet oder gar behandelt werden. Vielmehr müssen sie als Subjekte mit eigenen Werten geschätzt und abgeholt werden, damit das nötige Verständnis dafür entwickelt wird, welche Anreize womöglich dazu führen können, dass sie in bestimmten Situationen einem Regelbruch unterliegen. Andererseits erzeugt der Integrity-Ansatz bei den Mitarbeitenden das Gefühl der Wertschätzung und Zugehörigkeit, was wiederum die Bereitschaft der Systemakzeptanz steigert.

Ferner sollte ein CMS von diversen Integrity-Werkzeugen systematisch begleitet werden. Einen guten Überblick darüber bietet der DICO-Standard Integrity Management (S13). Danach soll ein IMS zunächst auf den Prinzipien der Werteorientierung, Mitgestaltung, Transparenz und Glaubwürdigkeit basieren. Insbesondere das letztgenannte Prinzip fordert auch von Führungskräften, die gesetzten Ziele konsistent zu verfolgen (Prinzip Walk-the-Talk). Das Hauptziel des IMS soll dabei sein, dass allen Mitarbeitenden ein gewisser Wertekompass mitgegeben wird, der sie bei ihren täglichen Aktivitäten konform mit den Unternehmenswerten begleitet.

Integrity Managerinnen und Manager sollen daher Fähigkeiten beherrschen, die weit über die Erledigung von typischen „Compliance-Aufgaben“ hinausgehen. Kenntnisse aus den Bereichen der Psychologie und hier insbesondere der Verhaltensforschung, aber auch Kommunikation und Philosophie verbunden mit einem klaren Managementgeschick sind unerlässlich, um ein IMS so zu implementieren und zu betreiben, dass es sinnvoll mit dem CMS verzahnt wird. Doch wie geschieht dies Schritt für Schritt? Wie kann ein IMS das CMS effektiv fördern?

Bekanntlich sollte immer mit der Planung begonnen werden. Hier soll unter Berücksichtigung von Integrity-Dimensionen eine Integrity-Strategie erstellt werden, die sich in eine übergreifende Governance-Strategie einfügt und mit den Compliance-Regelwerken kohärent ist. Behilflich ist dabei etwa das sogenannte Quadranten-Modell, in dem vier Dimensionen hervorgehoben und zu einem Einklang gebracht werden: Erstens, die Innenansicht und das Bewusstsein; zweitens, das Verhalten nach außen; drittens, die Stellung im kollektiven Wir, die über Kultur definiert wird und viertens, das nach außen sichtbare Sozialsystem. Ziel der Übung ist es, Integrity bereits an der Stelle einerseits mit der Governance, andererseits mit den darunter liegenden Prozessen vertikal zu verankern, um damit einen der Grundsteine einer wertebasierten ESG-Strategie zu legen.

Ist diese fertig und die Strukturen und Organisation unter Berücksichtigung aller Stakeholder erstellt, so kann die Umsetzung weiter gehen. Hierzu muss zunächst die Unternehmenskultur analysiert werden, um Handlungsfelder zu identifizieren, die entsprechend adressiert werden. Hier sollen die Unternehmenswerte nun horizontal nachhaltig verankert werden. Entsprechende Konzepte der internen Kommunikation, die zeitgleich die Speak-up-Kultur fördern, sollen das Implementierungskonzept ergänzen. Wichtig an der Stelle ist auch die Einbindung von Integrity in die Personalprozesse, die weitere wertvolle Zugänge zu den Mitarbeitenden eröffnen. Evaluation und Verbesserung dürfen zuletzt bei einem Integrity-Managementsystem auch nicht fehlen.

Es wundert zusammenfassend nicht, dass die Spezialkenntnisse und -fähigkeiten einer für Integrity zuständigen Person über die Spezifik und Eigenart des IMS definiert werden. Exzellente Kommunikationsfähigkeiten, interkulturelles Management, Psychologie und solche Attribute wie Empathie, Glaubwürdigkeit, Charakterstärke und eigene Integrität sind nur der Anfang. Im Idealfall kommen diese Fähigkeiten in der Person zusammen, die gleich für Compliance und Integrity zuständig ist. Nur dann können die beiden Systeme miteinander gekonnt verzahnt werden, um so Compliance und Integrity in der Organisation auf eine völlig neue Stufe zu bringen.

Prof. Dr. Bartosz Makowicz

Abbildung 5

Prof. Dr. Bartosz Makowicz ist Universitätsprofessor am Viadrina Compliance Center an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt(Oder) und Leiter des Masterstudiengangs „Compliance & Integrity Management“ (www.compliance-master.de)

 
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