Die letzte Seite
Tanja Bauer-Glück
Konfuzius sagt “A great man is hard on himself; a small man is hard on others.”
Genau diese Beobachtung scheint heute auf viele Menschen zuzutreffen. Der Blick auf die anderen, die “anders” sind, die den Mund aufmachen und darauf hinweisen, dass man sie nicht als gleichwertig, gleichberechtigt ansieht und entsprechend behandelt. Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, People of Color, Menschen der LGBTIQ+ Community und so fort. Die Menschen, die eine Gesellschaft vielfältig und perspektivreich machen.
Wir erleben eine Zeit, in der ganze Gruppen von Menschen auf dem höchsten Level unserer Gesellschaft, Politik und Kirche abgewiesen und in ihren Bedürfnissen nicht ernst genommen werden. Wir hören immer wieder: Sei authentisch, verstelle dich nicht – sei wer du bist! Das ist sehr einfach, solange man genau das ist, was sich die Gesellschaft vorstellt. Mit Abweichungen von der sogenannten Norm gehen viele von uns nicht gut und wertschätzend um.
Noch schlimmer ist, dass wir immer wieder mit unwahren und plakativen Falschaussagen konfrontiert werden, die ohne ausreichende Recherche in die Öffentlichkeit getragen werden. Diese dienen oft nur dazu, Spannungen zu schüren und bestimmte Narrative zu bedienen. Doch sie richten mehr Schaden an, als wir uns vorstellen können, da sie Menschen verletzen und stigmatisieren.
Kabarettistin Monika Gruber zum Beispiel sagt in ihrem Programm: “Diese hundsverschissene political correctness. . .” und berichtet weiter von der Straßenverkehrsordnung, in der es “keine Männer mehr gibt”. Es darf nicht mehr “Radelfahrer” heißen, sondern “neutral Fahrradfahrende”. Die Begründung hierfür, stellt sie dem lachenden und klatschenden Publikum weiter vor, liege darin, dass sie eine Frau ist. Wörtlich: “wegen mir! Weil ich eine Frau bin. Ich könnte mich diskriminiert fühlen.” Leider ist Frau Gruber mit dieser Art des Kabaretts nicht die einzige. Es gibt viele weitere Beispiele angesehener deutscher Künstler, die ebenso agieren. Dieter Nuhr in Bezug auf die Aktivist*innengruppe Letzte Generation, Dieter Hallervorden, der in einem Interview sagt: Deutsche Sprache entwickelt sich, aber “Sprache entwickelt sich aus sich selbst heraus – deshalb kämpfe ich gegen die Veränderung der deutschen Sprache.”
Kabarett ist eine Unterhaltungsform, die gesellschaftskritisch sein darf, die Zustände satirisch aufgreifen und auch überspitzt darstellen darf. Es ist eine Kunstform, die ohne Zweifel eine wichtige Daseinsberechtigung hat. Die Kunst ist es, die feine Linie zu erkennen zwischen Kritik an einer Gruppe oder einer Situation, die eine Machtposition hat, der nur über diesen Weg begegnet werden kann und einer Gruppe Minderheiten, deren Diskriminierung persönliche Züge annimmt.
Wenn diese Linie nicht erkannt wird, sorgen Beiträge wie der oben erwähnte und viele andere dafür, dass einer rechtsgerichteten Denkweise Wege geebnet werden. Man stimmt mit plakativen, unwahren Aussagen einer politischen und gesellschaftlichen Richtung zu, die wir in unserem Land nie wieder etablieren wollten.
Die Kunst und die Medienlandschaft hat unseres Erachtens eine sehr große Verantwortung. Die Art und Weise, wie Menschen in den Medien dargestellt werden, hat einen erheblichen Einfluss auf unsere Wahrnehmung von Vielfalt und Inklusion. Leider sind Stereotypen und Vorurteile in vielen Medien immer noch weit verbreitet. Es ist wichtig, dass Medienunternehmen sicherstellen, dass sie eine breite Palette von Stimmen und Perspektiven repräsentieren und dass sie negative Stereotypen und Vorurteile aktiv bekämpfen.
Vielfalt und Inklusion sind grundlegende Prinzipien für eine gerechte und harmonische Gesellschaft. Es muss doch möglich sein, das eigene Privileg anzuerkennen und dabei im Sinn zu haben, dass es Menschen im eigenen Umfeld gibt, die Diskriminierung ausgesetzt sind, weil sie sich nicht dem heteronormativen Spektrum zuordnen.
Wir müssen lernen, die Brillen zu wechseln und die Welt durch die Augen von den jeweils anderen sehen. Das ist oft nicht einfach, weil unsere Haltung festgefahren ist. Wie häufig versuchen Sie, Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten?
Am Ende des Tages möchte ich auf eine ganz einfache Wahrheit hinaus. Ein Perspektivwechsel, der nichts mit Regeln und Grundsätzen der Sprache zu tun hat: Was wäre denn, wenn Sie einen Menschen mit der individuell präferierten Anrede einfach nur glücklich machen könnten? Wenn es gar nicht ums Prinzip oder die deutsche Sprache ginge, sondern einfach nur um die Person, die gerade vor Ihnen steht, die sich dadurch gesehen und wahrgenommen fühlt.
Tanja Bauer-Glück ist Business & Leadership Coach in Mainz. Sie arbeitet mit Unternehmer*innen und Führungskräften an den Themen Mindset, Leadership und Diversity.