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DSB 2024, 137
Quiel 

Ich wünsche mir das alte Twitter zurück!

Abbildung 1

Philipp Quiel Schriftleitung Datenschutz-Berater

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

in letzter Zeit denke ich immer mal wieder an das „alte Twitter“. Mit dem alten Twitter meine ich die Zeiten, in denen auf Twitter eine große Gemeinschaft von Datenschutzrecht’lern an fast 365 Tagen im Jahr die tagesaktuellen Themen miteinander teilte und mitunter bis spät in die Nacht lebhaft diskutierte. In den ganz überwiegenden Fällen war der Diskurs von Freundlichkeit und Kollegialität geprägt. Mitunter kam eine Art Sportsgeist im positiven Sinne auf. Das alte Twitter war auch ein gut geeigneter Ort, um der Datenschutz-Bubble bei gegebenem Anlass kleine Einblicke in das Privatleben zu gewähren und fachliche und persönliche Freundschaft zu schließen. Blicke ich heute in meine Timeline, dann finde ich dort zu anderen meiner Interessensgebieten mal mehr oder weniger interessanten Content. Vor allem für tagesaktuelle Informationen zu Kriegen oder dem Verfolgen des übrigen politischen Weltgeschehens taugt Twitter für mich noch etwas. Die Datenschutz-Szene gibt es auf Twitter aber quasi nicht mehr. Deswegen fehlt mir das alte Twitter. Ich wünsche mir das alte Twitter zurück!

Am 13. März 2024 schrieb der auch der Twitter-Datenschutz-Szene zugehörige Lars Garling (@LSAwesome) den folgenden Tweet: „Schon verrückt was man dem Netzwerk verdankt. Und wie wenig man es heute noch nutzt bzw. schätzt. Dank anderer Online-Kultur und Musk.“ Ähnliche Gedanken habe ich auch, wenn ich mir vor Augen führe, was ich selbst dem Netzwerk zu verdanken habe. So gibt es heute mehrere Personen aus der Twitter-Datenschutz-Szene, bei denen ich sehr froh bin, mit ihnen befreundet oder gut bekannt zu sein. Diese Freundschaften und Bekanntschaften wären ohne Twitter ggf. gar nicht oder später oder anders entstanden. Es wäre auf jeden Fall alles nicht so leicht gewesen. Ich bezweifle bspw., dass ohne das alte Twitter Malte Engeler und mich neben einer Freundschaft auch ein heute noch an mein Twitter-Profil angehefteter NJW-Aufsatz verbinden würde. Vor allem bin ich mir sicher, dass heute jemand anderes dieses Editorial schreiben würde, weil Carlo Piltz und ich uns vorher quasi ausschließlich von Twitter kannten und ich tatsächlich über die Direktnachrichtenfunktion wegen der Mitwirkung an dieser Zeitschrift angesprochen wurde. Und wer weiß, wer dann heute mein Arbeitgeber wäre?

Es war 2017 zum Start meiner ersten beruflichen Tätigkeit im Bereich Datenschutz auch ungemein hilfreich, bei den etablierten Personen aus der Datenschutz-Szene mitlesen zu können. Erst die Kommentierung oder den Aufsatz lesen und dann etwas von derselben Person auf Twitter lesen und ggf. sogar direkt mit ihr zu den Veröffentlichungen diskutieren. Das war durchaus realistisch. Die Szene nahm neu hinzustoßende Personen auch dankend auf. Man konnte ohne Rang und Namen sofort mitdiskutieren und von den verschiedenen Argumenten der Anderen immer etwas für den eigenen Berufsalltag mitnehmen. Als Berufsanfänger war es auch toll, mit Personen wie Winfried Veil diskutieren zu können. Er und andere haben viel Wissen aus erster Hand von den Verhandlungen zur DSGVO gepaart mit Diskussionsleidenschaft an den Twitter-Tisch gebracht.

Das alles fehlt sicherlich gerade nicht nur den derzeitigen Berufsanfängern ein Stück weit. Klar, auf LinkedIn gibt es ebenfalls eine Diskussionsgemeinschaft. Doch irgendwie ist das für mich nicht das Gleiche. Schon der Hintergrund des Netzwerks ist ein anderer und eigentlich möchte ich dort nicht allen Kontakten zumuten, dass sie meine – für alle Fachfremden sowieso ungemein spannenden – Diskussionen verfolgen müssen. Irgendwie ist es nicht der richtige Platz für das, was vorher auf Twitter unkompliziert wirkte und einfach passierte. Als bluesky startete, waren viele aus der Datenschutz-Szene hoffnungsvoll. Dazu gehörte auch ich. Aber aktuell muss man wohl feststellen, dass bluesky nicht die Antwort auf Sehnsüchte nach dem alten Twitter ist. Mit Mastodon bin ich irgendwie nie warm geworden, aber eventuell liegt das einfach an mir.

Wie könnte das alte Twitter wieder zum Leben erweckt werden? Ich weiß es nicht. Aber vielleicht geht es nicht nur mir so. Vielleicht gibt es eine Lösung für ein neues altes Twitter? Aktuell bleibt mir nur dieser etwas melancholische Blick in die Vergangenheit, zudem ich bestimmt auch einige von Ihnen beim Lesen verleiten konnte.

Ihr

Philipp Quiel

 
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