Sie wachsen nicht auf Bäumen
Adrian Schneider
Schriftleitung
Datenschutz-Berater
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
diesen Monat begehen wir – mit durchaus unterschiedlicher Feierlaune – den ersten Geburtstag der DSGVO. Und wir dürfen mäßig überrascht feststellen: Datenschutz ist mehr als nur ein Hype. Die Notfallprojekte mögen etwas abgenommen haben, die Nachfrage nach datenschutzrechtlicher Beratung erscheint jedoch im Wesentlichen ungebrochen.
Kein Wunder: Die digitale Transformation nimmt unaufhaltsam Fahrt auf und konzentriert sich wie ein Brennglas auf das Datenschutzrecht. Daten spielen eine zentrale Rolle bei digitalen und digitalisierten Geschäftsmodellen. Ohne Datenschutzrecht geht wenig.
Uns Datenschutzrechtler und Datenschutzrechtlerinnen stellt das nach wie vor vor Herausforderungen. Brexit, Machine Learning, Legal Tech, datenschutzrechtliche Themen sind nicht nur buzzwordgeladen, sondern auch ungemein schnelllebig. Und täglich prasseln Anfragen, Mandate, Urteile, Stellungnahmen und neue Geschäftsmodelle auf uns ein und wir müssen Schritt halten. Ein gutes Informationsmanagement – beispielsweise durch Fachzeitschriften mit praxisnahen und pointierten Artikeln (betrachten Sie diesen Einschub bitte als schamlose Eigenwerbung) – kann helfen.
Der Datenschutz hat jedoch ein viel zentraleres Problem: Datenschutzrechtler wachsen nicht auf Bäumen.
In der juristischen Ausbildung fristet das Datenschutzrecht nach wie vor ein Nischendasein. Es bedarf gehöriger Eigeninitiative, um während des Jurastudiums mit Datenschutzrecht in Kontakt zu gelangen – etwa über einzelne Schwerpunktbereiche oder Zusatzqualifikationen und auch dort oft nur als Randaspekt. Für ein Rechtsgebiet, das in Zeiten des digitalen Wandels eine zentralere Rolle kaum einnehmen könnte, ist das zu wenig!
Unter den Universitäten gibt es natürlich die üblichen Verdächtigen, die sich bereits seit Jahren auch um den Datenschutz verdient gemacht haben. Und hier und da rüsten andere Einrichtungen nach – das Engagement des Lehrstuhls Informations- und Datenrecht an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn ist etwa ein positives Beispiel. Solange Studentinnen und Studenten jedoch vor allem das staatliche Examen im Blick haben (müssen), bleibt für Ausflüge in Nicht-Pflichtfächer viel zu selten Raum. Es krankt sowohl auf Angebots- als auf Nachfrageseite.
Um den Bedarf an qualifiziertem Nachwuchs im Datenschutzrecht zu decken, bedarf es daher mehr.
Daher richte ich mich an Sie mit einer Bitte: Bilden Sie aus! Gehen Sie an die Unis, nehmen Sie sich Zeit für Referendare und wissenschaftliche Mitarbeiter, machen Sie das Datenschutzrecht für den Nachwuchs spannend. Denn in Zukunft werden wir eher mehr als weniger qualifizierte Kolleginnen und Kollegen brauchen. Und wenn wir uns heute vor lauter Arbeitsdruck keine Zeit für den Nachwuchs nehmen, wird es morgen nicht besser werden.
Ihr
Adrian Schneider