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EWS 2025, I
Parashu 

Das Ende von “schiedlich, friedlich”? Der EuGH in Sachen von Schiedssprüchen des Internationalen Sportgerichtshofes

Abbildung 1

Dimitrios Parashu

Der EuGH unterband mit seinem Urteil die Letztgültigkeit von Entscheidungen des CAS und wies die Mitgliedstaaten an, ein jeweils geeignetes innerstaatliches Rechtsmittel gegen solche Schiedssprüche zu ermöglichen.

Der Internationale Sportgerichtshof (Court of Arbitration for Sport, in der offiziellen Kurzform CAS) hat es in seinen bis dato gut 40 Lebensjahren verschiedentlich (und auch aus ganz diversen Gründen) in die nationalen und internationalen Schlagzeilen geschafft. Es handelt sich um eine unabhängige, im Kontext der Olympischen Sommerspiele von Los Angeles (1984) vom Internationalen Olympischen Komitee gegründete Institution mit Sitz in Lausanne. Fälle mutmaßlichen Dopings wie auch bezüglich des speziell im Vereinssport immer wichtiger werdenden “Financial Fair Plays” sind an dieser Stelle u. a. als sein bisheriger “case law” zu nennen. Rein exemplarisch sei hier auch erwähnt, dass etwa ganze griechische Fußballmeisterschaften am grünen Tisch des CAS entschieden worden sind – und auch ansonsten hat dieses Schiedsgericht den Ausgang sportlicher Wettbewerbe von ganz unterschiedlicher Couleur maßgeblich beeinflussen können.

Athleten, Sportfunktionäre und insbesondere auch Vereine waren bis dato gezwungen, CAS-Urteile zu akzeptieren. Doch dies wird sich in der Folgezeit gewiss ändern: Der EuGH unterband mit seinem Urteil vom 1. August 2025 (Rs. C-600/23, Royal Football Club Seraing SA gegen FIFA, UEFA und URBSFA, ECLI:EU:C:2025:617) die Letztgültigkeit von Entscheidungen des CAS und wies die Mitgliedstaaten an, ein jeweils geeignetes innerstaatliches Rechtsmittel gegen solche Schiedssprüche zu ermöglichen. Eine entsprechende (allerdings realiter kaum wahrgenommene) Möglichkeit gibt es freilich, aufgrund des oben angesprochenen Schweizer Sitzes des CAS, bereits in der dortigen Rechtsordnung.

Im zu prüfenden Ausgangsfall ging es um einen mehrjährigen Rechtsstreit zwischen dem belgischen Verein RFC Seraing und insbesondere dem internationalen Fußball-Dachverband FIFA. Der Verein wehrte sich vehement gegen die FIFA-Regeln etwa Dritteigentum an wirtschaftlichen Rechten von Spielern; Regeln, die sich in den Augen der Verantwortlichen von RFC Seraing zu Ungunsten vergleichbarer, kleinerer Vereine auswirkten.

Im Ergebnis des hier behandelten EuGH-Urteils müssen sich aber auch internationale Schiedssprüche, nach Ansicht der EuGH-Richter, am Maßstab des EU-Rechts messen lassen: Mithin müssen in diesem Sinne nationale Judikativorgane der Mitgliedstaaten, sei es auf Antrag oder von Amts wegen, eine eingehende gerichtliche Überprüfung der Vereinbarkeit solcher Schiedssprüche mit dem EU-Recht und dessen Grundlagen durchführen können.

Es ist schon auf den ersten Blick nachvollziehbar, dass die mögliche Tragweite entsprechend monierter Regeln (wie der oben genannten FIFA-Regeln) auch für den EU-Binnenmarkt und dessen notwendiger Effizienz und Funktionalität den EuGH alarmierte und gleichsam auf den Plan rief. Man stieß sich dort namentlich unter anderem daran, dass

. . .“(der) zwingende Charakter derartiger Schiedsmechanismen (. . .) eng mit dem Umstand verbunden (ist), dass sie auf Rechtsstreitigkeiten zwischen (. . .) einem Sportverband, der über besonders weitgehende Regelungs-, Kontroll- und Sanktionsbefugnisse sui generis verfügt, und (. . .) einer allgemeinen und unbestimmten Gesamtheit juristischer oder natürlicher Personen, die der Ausübung dieser Befugnisse im Rahmen der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit unterliegen, Anwendung finden sollen.” (Rn. 93 des Urteils)

Die Möglichkeit der negativen Beeinflussung von Aspekten der Funktionalität des Binnenmarktes steht durch solche und vergleichbare, potenziell nicht über EU-Recht kontrollierbare Rechtsprechungs-”Inseln” in der Tat im Raum; es erscheint daher als konsequent zu seiner bisherigen, marktrelevanten Judikatur, dass der EuGH dies an der hiesigen Stelle ahndete. Völlig zurecht pochten die EuGH-Richter zudem auch auf Art. 47 der EU-Grundrechtecharta, der seinerseits das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf unterstreicht, und dem durch das Fehlen eines einschlägigen nationalen Rechtsbehelfes gegen solche Schiedssprüche nach Ansicht der EuGH-Richter nicht Genüge getan würde.

Das Urteil hat schon auf den ersten Blick das Potenzial, ähnlich der (ebenfalls im Ausgang belgischen!) Bosman-Entscheidung (Rs. C-415/93 vom 15. Dezember 1995, Slg 1995, I-04921) einen großen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Sportrechts zu nehmen. Wie dies sich in den kommenden Jahren (bei den kommenden Olympischen Sommerspielen in Los Angeles, 2028, sind wir gewiss klüger) konkret äußern wird, steht derzeit freilich noch abzuwarten: Denn nicht in jedem Mitgliedstaat der EU ist das Vertrauen in die heimische Justiz ein solches, das nationale Rechtsmittel in einem entsprechenden Kontext ohne jeglichen Argwohn zuließe.

PD Dr. Dimitrios Parashu, Hannover

 
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