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EWS 2017, I
Bartosch 

Die Entscheidungspraxis der Kommission zur Zwischenstaatlichkeit im EU-Beihilfenrecht – Sind die 7 Zwerge auch die 7 Weisen?

Abbildung 1

Es war einmal eine Zeit, als die Zwischenstaatlichkeitsklausel wie Schneewittchen in ihrem gläsernen Sarg lag, zwar durchaus frisch und gesund aussah, sich aber leider gar nicht mehr bewegte. Das fünfte Tatbestandsmerkmal des Beihilfenverbotes, wie es in Art. 107 Abs. 1 AEUV niedergelegt ist, wurde als tot angesehen. Die Rechtsprechung der Unionsgerichte hatte es nämlich so vergiftet, dass es sich nicht mehr rühren konnte. Diese hatte u. a. befunden, dass es gar kein Spürbarkeitserfordernis mehr geben würde, also weder jeder noch so geringe Betrag an öffentlichen Mitteln noch jedes noch so kleine Unternehmen als Empfänger dieser Mittel es ausschlössen, dass es dennoch als erfüllt angesehen werden müsste.

Der EU-Kommission passte dies schon lange nicht. Bereits in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte sie zwei Diskussionspapiere mit den Titeln “LET”, was für “Limited Effect on Trade between Member States” stand, und “LASA”, womit “Limited Amount of State aid” gemeint war, auf den Weg gebracht, diese dann aber aus juristischem Selbstzweifel zurückgezogen. So setzte die Zwischenstaatlichkeitsklausel also ihren Schlaf fort.

Mit der Verkündung der Junckher´schen Devise “big on big, small on small” – also die Ressourcen der Kommission auf die großen, wettbewerbsverzerrenden Fälle zu konzentrieren und die kleinen Fälle, von denen nicht viel Unheil ausgeht, nicht anzutasten – wurde eine Lösung gesucht, wie man die Zwischenstaatlichkeitsklausel wieder zum Leben erwecken könnte. Das vergiftete Stückchen Apfel konnte die Zwischenstaatlichkeitsklausel dann schließlich dank der so genannten “sieben Zwerge” wieder ausspucken. Unter denen sind die insgesamt sieben Entscheidungen von Ende April 2015 zu verstehen, die die Kommission zu regionalen bzw. lokalen Förderprojekten annahm, bei denen sie verneinte, dass diese Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten haben könnten.

Soweit das Märchen!

Die Realität setzt dann ein, wenn man sich ansieht, ob diese Entscheidungspraxis, die sich zwischenzeitlich auch in der sog. Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe vom Juli 2016 wiederfindet, den Vorgaben der insoweit immer noch unveränderten Rechtsprechung standhält. Dazu muss man sich die beiden Erfordernisse vor Augen führen, die die sieben Zwerge aufstellen, um Schneewittchen in Gestalt der Zwischenstaatlichkeitsklausel ins Leben zurückzurufen. Erstens fordern sie, dass der Beihilfeempfänger seine durch öffentliche Mittel geförderte Tätigkeit nur regional bzw. lokal begrenzt erbringt. Zweite Voraussetzung ist, dass die staatliche Förderung nur einen marginalen Effekt auf Investitionen über mitgliedstaatliche Grenzen besitzt. Dabei schauen sie sich an, wie viele Besucher das geförderte Projekt aus dem EU-Ausland hat und wie wahrscheinlich es ist, dass ein Investor aus dem Ausland gekommen wäre, hätte der Staat auf die Förderung verzichtet.

Die Schwächen dieses Ansatzes werden jedoch bereits deutlich, wenn man sich die Zitatweise der Kommission in ihrer Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe anschaut. Werden im Abschnitt 6.3. betreffend das hier diskutierte Thema zunächst in Tz. 190 bis 196 die Belege aus der Rechtsprechung abgearbeitet, so werden die in Tz. 197 aufgeführten repräsentativen Beispielsfälle, angefangen von Sport- und Freizeiteinrichtungen bis hin zu Seilbahnen, nur noch mit Kommissionsentscheidungen unterlegt, deren Alter von 16 Jahren, dem in Beihilferechtskreisen berühmten Schwimmbad Dorsten, bis eben zu den sieben Zwergen reicht. Eine Subsumtion unter die Vorgaben der Judikatur unterbleibt. Und hier kommen die Unschärfen zum Vorschein. Es stellt sich nämlich die Frage, wie die in Tz. 197 zusammengewürfelte Kasuistik mit den allgemeinen Rechtsprechungsaussagen der Tz. 190 bis 196 zusammenpasst.

Konkret:

Kann es ausreichend sein, dass Sport- und Freizeiteinrichtungen für Kunden aus anderen Mitgliedstaaten nicht von Interesse sein dürften, wenn es qua staatlicher Förderung dennoch für Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten schwieriger wird, eine vergleichbare Einrichtung an demselben Ort zu bauen?

Wieso wird bei allen diesen Infrastrukturen nur auf die lokalen bzw. regionalen Nutzer abgestellt, ohne das potenzielle Interesse ausländischer Investoren sinnvoll zu gewichten? Deren Desinteresse wird in all diesen Entscheidungen einfach unterstellt, ohne irgendwelche Ausführungen zu der Wirtschaftlichkeit solcher Investitionen zu machen.

Kann denn so einfach das angeblich fehlende Auslandsinteresse unterstellt werden, wenn die bloße, empirisch keineswegs unsinnige Möglichkeit eines solchen Interesses nach dem, was die Rechtsprechung sagt, ausreicht, um in die Zwischenstaatlichkeit zu gelangen?

Das gesagt, glaube ich, dass die sieben Zwerge doch ins Märchenreich gehören. Den Titel der sieben Weisen, die der Realität der Rechtsprechung folgen, verdienen sie wohl nicht.

Dr. Andreas Bartosch, Rechtsanwalt, Brüssel

 
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