Willkommen zur 10. Ausgabe “Geldwäsche & Recht”
Liebe Leserinnen und Leser,
nach dem Ende der Sommerpause steht der Geldwäschebekämpfung aller Voraussicht nach ein intensiver Herbst bevor: Nicht nur wird in Brüssel und Straßburg die Endphase der politischen Debatten um das EU-AML-Paket erwartet, auch in Deutschland dürften gleich mehrere Legislativvorhaben heiß diskutiert werden: Zum einen das “Gesetz zur Stärkung der risikobasierten Arbeitsweise der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen”, zu dem das Bundeskabinett bereits einen Regierungsentwurf beschlossen hat, und zum anderen das im August 2022 von Bundesfinanzminister Lindner angekündigte “Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung von Finanzkriminalität”. Der Entwurf zu letzterem Gesetz ist zwar noch nicht offiziell veröffentlicht, kursiert aber bereits in verschiedenen Versionen und kann beispielsweise in einer 236-seitigen Fassung vom 21. Juli 2023 auf der Website des Finanzwende e. V. heruntergeladen werden (https://t1p.de/kohos; eine kurze Übersicht der in dem Entwurf behandelten Themen ist in der Rubrik Kurz & Knapp auf S. 82 zu finden).
Neuerungen sind in den letzten Monaten auf auch Behördenseite zu verzeichnen gewesen: So berichtet uns Christian Zumpf in diesem Heft von dem im Mai veröffentlichten FIU-Eckpunktepapier zur Verdachtsmeldepflicht nach § 43 GwG (“Negativtypologie”), das er in unserer Rubrik “Im Fokus” einer kritischen Analyse unterzieht. In derselben Rubrik stellt Silvia Heckmann die gemeinsamen Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz vor, die die Länder dieser Tage in einer aktualisierten Form veröffentlicht haben. Zwar konnte nicht in allen Punkten eine gemeinsame Linie der beteiligten Aufsichtsbehörden vereinbart werden, viele Verpflichtete werden aber z. B. mit Erleichterung wahrnehmen, dass die meisten Länder es vorerst nicht beanstanden wollen, wenn auch Verpflichtete des Nicht-Finanzsektors das Videoidentifikationsverfahren nach dem von der BaFin für den Finanzsektor vorgegebenem Standard einsetzen.
Auch zur Anwendung des geltenden Geldwäscherechts haben wir wieder einige praxisrelevante Ausarbeitungen einwerben können:
So liefert Charlotte Salathé eine verdienstvolle Einführung in die komplizierte geldwäscherechtliche Gemengelage, die beim Erwerb von Beteiligungen an Investmentgesellschaften entsteht.
Viktor Volkmann und Niklas Auffermann gehen in ihrem Beitrag auf das in der Praxis öfter zu beobachtende Phänomen ein, dass Staatsanwaltschaften Zahlungsinstitute bitten oder sogar anweisen, für ein bestimmtes Konto bis auf Weiteres keine Transaktionen mehr durchzuführen, ohne sich dabei auf die strafprozessualen Sicherungsinstrumente zu stützen. Die Autoren zeigen auf, warum solche Transaktionsuntersagungen rechtswidrig sind, welche Risiken sich daraus für Zahlungsinstitute ergeben und welche Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen.
Dilan Ateş und Jörg Lehnert befassen sich in der Rubrik “Praxisfrage” aus der Perspektive einer Aufsichts- und Bußgeldbehörde mit der Frage, wie praktisch damit umzugehen ist, dass Verpflichtete einerseits im aufsichtsrechtlichen Verfahren zur Mitwirkung verpflichtet sind, andererseits aber auch das verfassungsrechtlich verbriefte Recht haben, sich nicht mit Blick auf die Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten selbst belasten zu müssen. Dieses Problem hatte in Heft 1/2023 schon Lena Koch behandelt (S. 17 ff.), damals jedoch aus der speziell gelagerten Sicht einer Rechtsanwaltskammer. Ateş/Lehnert nehmen ergänzend nun den Nicht-Finanzsektor im Allgemeinen in den Blick.
Um die Begriffe und Konzepte des Geldwäscherechts mit praktischen Anschauungsbeispielen zu illustrieren, enthält unsere Zeitschrift in unregelmäßigen Abständen die Kategorie “Fallbericht”. Für diese Ausgabe steuert dafür unsere ständige Redaktionsmitarbeiterin Johanna C. Mayrhofer einen Einblick in die laufenden grenzüberschreitenden Geldwäscheermittlungen gegen den ehemaligen Präsidenten der libanesischen Zentralbank, Riad Salameh, bei – ein Fall der historisch seinesgleichen sucht.
Zur stetig wachsenden Rechtsprechung zum Geldwäscherecht haben uns schließlich zwei Entscheidungsanmerkungen erreicht, die für eine breitere Leserschaft interessant sein dürften: Lars Haffke bespricht ein bisher wenig beachtetes EuGH-Urteil, das sich mit den Anforderungen an die Risikobewertung bei der Erfüllung der Kundensorgfaltspflichten befasst. Michael Hippeli steuert Anmerkungen zu einem nicht weniger erstaunlichen Judikat des VG Ansbach bei, in dem das Gericht in einem Eilverfahren die Frage behandelt, unter welchen Voraussetzungen Verpflichtete die behördliche Publikation von gegen sie ergangenen Aufsichtsmaßnahmen oder Sanktionen (“naming and shaming”) gerichtlich unterbinden können.
Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!
Ihre Redaktion
Dr. Jacob Wende - Penelope Schneider - Prof. Dr. Kilian Wegner