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INTER 2022, 1
Ensthaler 

Die Entwicklung von Industrie 4.0 und staatliche Maßnahmen

Abbildung 1

Im vergangenen Jahr hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ein Positionspapier herausgegeben, in dem Überlegungen zur Stärkung von technischen Inventionen und Innovationen durch den Staat im Sinne von ersten Arbeitsthesen vorgestellt wurden. Das Arbeitspapier ist – wohl bewusst – sehr abstrakt gefasst und dient wesentlich dem Zweck, fachkundig diskutiert zu werden. Es sollte Anreize bieten, die in der Fachwelt zu Überlegungen führen, welcher Weg der richtige ist. Die hohe Qualität des Arbeitspapiers liegt darin, umfassend Thesen und Maßnahmen vorzustellen und die Fachwelt dazu zu hören. Die folgenden Ausführungen sind Diskussionsbeiträge des Autors diese Editorials und Leiter des Lehrstuhls für Wirtschafts- und Technikrecht an der Techn. Universität Berlin.

Es heißt im Arbeitspapier, die Innovationsfähigkeit wird wesentlich durch regulative Rahmenbedingungen bestimmt. Das ist nur zum Teil richtig. In marktwirtschaftlichen Systemen entstehen die Innovationsbedürfnisse und damit regelmäßig verbunden die Innovationsfähigkeiten, überwiegend durch Marktmechanismen. Das Internet wurde nicht durch Gesetz geschaffen, die Applikation auch nicht, ebenso wenig wie die Dampfmaschine oder der Roboter.

Natürlich muss oder sollte der Staat unterstützen; welche Möglichkeiten hat er? Man kann diese Möglichkeiten in zwei Gruppen einteilen. Zum einen kann der Staat die Marktstrukturen mit beeinflussen, z. B. bestimmen, ob Kooperationen zwischen Unternehmen gefördert werden sollen, oder ob der Ordoliberalismus Leitbild bleiben soll. Wir haben beides im europäischen Recht. Am Anfang des ex-EG-Vertrages gibt es ein Bekenntnis zum Ordoliberalismus und in den Gruppenfreistellungs-VO, dort wo Wettbewerbsrecht ganz konkret wird, da haben wir „more economic approach“, also Funktionalismus.

Wenn man das praktisch denkt, ist die GVO Forschung und Entwicklung zu nennen. Damit hat die Union etwas geschaffen, durch das Unternehmen zur Risikominderung, zur Vermeidung von Imageverlusten und zur schnelleren Konstruktion zusammenarbeiten können, wobei man immer sehen muss, der Staat hat durch die F&E – GVO diese Möglichkeiten geschaffen, die Frage, ob die Unternehmen das wollen, ist eine andere. Der Staat kann dies aber beeinflussen, in dem er Gesetze schafft, die solche Kooperationen zumindest provozieren; denken wir an das hochautomatisierte Fahren, ein Thema zur Industrie 4.0. Die Unternehmen sind im Moment noch nicht bereit zusammen zu arbeiten zur Entwicklung der Stufe 3. Das Argument: Es geht um Wettbewerbskriterien, also darum, jeweils besser zu sein. Das ist nicht richtig, weil es die Entwicklung verzögert und die Risiken erhöht. Eine gemeinsame Grundlage ist nötig. Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zulassungsrechts könnte Kooperationen fördern, Kooperationen zur Erfüllung von nötigen Grundanforderungen an automatisiertes Fahren.

Zum anderen geht es um Einzelmaßnahmen. Im Arbeitspapier werden dann auch rechtliche Instrumente dazu vorgestellt. Dort ist auch das „leistende“ Recht angesprochen. Die Ausführungen überzeugen. Das wird deutlich, wenn man für „leistendes Recht“ den Begriff Daseinsvorsorge einsetzt. Es ist an der Zeit diese Daseinsvorsorge aus dem engen Bereich des kommunalen Rechts, wo es überwiegend angesiedelt ist, herauszuholen und es mehr auf eine höhere Ebene, auf Bundesebene zu bringen. Zu denken ist an die Förderung der Entwicklung von Clouds, an die Entwicklung von Smart City, an Bildungssysteme zur Nutzung des Internets, an Hilfen zur Erfüllung der Cybersicherheit. Die Gesellschaft ist in einem Wandel wie seit langen Zeiten nicht und es müssen Infrastrukturen vom Staat her mit aufgebaut werden, damit dieser Wandel funktional auch im internationalen Vergleich positiv läuft. Das bezieht sich InTeR 2022 S. 1 (2)sowohl auf die Konsumenten dieses Wandels als auch auf die Produzenten der Technik.

Weiterhin ist im Arbeitspapier angeführt, „stimulierendes“ Recht, wie z. B. Subventionen. Mit Bedacht angewandt – immer richtig. Vor allen Dingen in der Zeit, die im technischen Wandel steht. Es gibt hier auch bereits viele Aktivitäten in den Ministerien; es werden viele Studien vergeben, subventioniert wird insbes. im Bereich hochautomatisiertes Fahren, bei vernetzten, selbstlernenden Maschinen. Es handelt sich um Subventionierungen zur Gewinnung von Wissen, das in der Gesellschaft vorhanden ist, um es dann zu bündeln oder um zu erkennen, was wichtig ist und was nicht. Ein Bereich der Subventionierung sollte im Moment das Einkaufen von Wissen sein, auf innovationsträchtigen Gebieten.

Vermeidung von Risiken gehört ebenfalls zum angesprochenen Themenbereich. Maßnahmen zur Risikovermeidung ist ein ganz zentraler Punkt. Innovationsprozesse sind für eine Gesellschaft nur insofern von Wert, wie auch die Risiken von der Gesellschaft getragen werden können. Zu denken ist hier an das Produktsicherheitsrecht, an die Frage, wie unterschiedlich einsetzbare Maschinen, selbstlernende Maschinen künftig zertifiziert werden sollen.

Das System von Akkreditierung und Zertifizierung wird auch im Papier behandelt, also das Zusammenwirken von Gesetzen und Normen. Man könnte dieses System auch für andere Gebiete denken, z. B. für die ganz wichtige Sache der Cybersicherheit. Man muss sich vor Augen halten, Cybersicherheit ist praktisch für viele Anwendungen dieser neuen Technologie der Weg von der analogen Welt zur digitalen Welt. Es gibt ein Gesetz auf diesem Gebiet, das ist aber noch relativ inhaltsleer. Dieses Gesetz könnte viel mehr durch Normen gefüllt werden, es könnte auch hier mandatierte Normen geben.

Zum Thema Immaterialgüterrechte nur zwei Bemerkungen. Im Patentrecht müsste im Zusammenhang mit dem additiv generativen Verfahren der Schutzbereich verändert werden. Nicht nur ein Erzeugnisschutz, sondern bereits ein CAM-Schutz wäre richtig, weil dort bereits das Produkt genauestens abgebildet ist; jede Biegung, jede Eigenart des Produkts ist sichtbar. Das große Problem der Datenhoheit, der Befugnis über maschinengenerierte Daten, die nicht personenbezogene Daten sind, zu verfügen, muss geklärt werden. Darüber muss man nachdenken, weil viele Geschäftsmodelle über solche Daten laufen und unbestimmt ist wem diese Daten gehören bzw. wer sie unter welchen Voraussetzungen nutzen darf.

Prof. Dr. Dr. Jürgen Ensthaler*

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Mehr über den Verfasser erfahren Sie auf Seite III.

 
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