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K&R 2012, 1
Kempf, Dieter 

Abmahnungen dürfen keine Einnahmequelle sein

Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat Ende vergangenen Jahres angekündigt, missbräuchlichen Abmahnungen einen Riegel vorzuschieben. Den meisten Anbietern von Online-Handelsplattformen spricht sie damit aus der Seele. Ein kritischer Blick auf die derzeitige Abmahn-Praxis im Internet ist berechtigt und eine einschränkende Anpassung klar zu befürworten.

Abmahnungen wurden als legitimes Mittel der Selbstregulierung und zur Vermeidung teurer Gerichtsverfahren geschaffen. Als solche erfüllen sie auch weiterhin eine wichtige Funktion. Es stimmt allerdings nachdenklich, dass ein Expertenwerkzeug des Wettbewerbsrechts in der öffentlichen Wahrnehmung ausgesprochen negativ besetzt ist. Mit dieser negativen Konnotation schaden Abmahnungen mehr als sie nutzen. Sie werden als moralisch fragwürdige Einnahmequelle von Anwälten und deren Auftraggebern wahrgenommen. Abmahnungen sind so für viele zu einem empfindlichen Ärgernis geworden, was längst entsprechende Protestbekundungen hervorruft.

Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen sind kein Selbstzweck, sondern sollen den fairen Wettbewerb sicherstellen. Derzeit führen aber oft schon einfache Verstöße gegen rechtliche Formalien dazu, dass rigoros abgemahnt wird.

Relativ geringfügige, juristische Fehler, die aus Unkenntnis entstanden sind und die keinen Vorsprung im Wettbewerb verschaffen, können so die Existenz von Unternehmen gefährden. Besonders häufig sind davon junge, aufstrebende Online-Unternehmen betroffen. Gerade im Online-Handel hat das Wettbewerbsrecht eine besondere Wirkung entwickelt. Das erklärt sich durch die hohe Komplexität der Vorschriften, verbunden mit der einfachen Auffindbarkeit von Webseiten. Da die Zahl gängiger Abmahngründe im hohen dreistelligen Bereich liegt, nimmt es nicht Wunder, dass Online-Händler Abmahnungen als ständige Bedrohung wahrnehmen. Der Missbrauch des Instruments Abmahnung ist gerade für kleine und mittelständische Betriebe eine der größten Gefahrenquellen im Online-Handel.

Eine Begrenzung dahingehend, dass Abmahnungen nur noch dort erfolgen, wo wirklich Wettbewerb beeinträchtigt wurde, verbunden mit einer Begrenzung der Abmahnkosten, könnte das Problem deutlich entschärfen. Natürlich sollten die zu erstattenden Rechtsverfolgungskosten dem im Einzelfall nötigen Aufwand entsprechen. Die gängige Abmahnpraxis mit pauschalierten Abmahngebühren z. B. gegen simple Impressumsverstöße vorzugehen, würde sich dann vermutlich als "Geschäftsmodell" von selbst erledigen.

Unschuldigen Abmahn-Opfern einen Gegenanspruch einzuräumen, kann ebenfalls sinnvoll sein, um missbräuchliche Abmahnungen einzudämmen. Die Einführung von Regelbeispielen für missbräuchliche Abmahnungen könnte außerdem dazu führen, dass die bereits bestehenden Abwehrmöglichkeiten der Gerichte gegen missbräuchliche Abmahnungen häufiger erfolgreich eingesetzt werden.

Es gilt also, falsche Anreize für Abmahnungen zu beseitigen, ohne das sinnvolle Institut der Abmahnung als solches in Frage zu stellen. Für Online-Anbieter gilt darüber hinaus, was im geschäftlichen Verkehr schon immer galt: sich im Vorfeld einer Geschäftsaufnahme juristisch gut beraten zu lassen, um Rechtsverstöße zu vermeiden.

BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf
 
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