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K&R 2013, 1
Neuber, Michael 

Abmahnungen in sozialen Netzwerken

Seit einigen Jahren berichten die Medien in einiger Regelmäßigkeit über rechtliche Stolperfallen im Zusammenhang mit der Nutzung sozialer Netzwerke. Anlass geben dabei nicht selten öffentlich bekannt gewordene Abmahnungen sei es, wegen Verstoßes gegen Anbieterkennzeichnungspflichten gewerblicher Profilinhaber oder wegen des Hochladens urheberrechtlich geschützter Inhalte auf das eigene Profil.

Das neue Jahr 2013 war gerade ein paar Tage alt, da tauchten Berichte über eine bereits lang vorhergesagte Abmahnquelle auf. Im Fokus standen diesmal die automatisch erzeugten Vorschauansichten von Webseiten beim Weiterempfehlen von Links. Ein gewerblicher Facebook-Nutzer hatte in der Statuszeile seines Profils einen Link empfohlen, welcher in der eingebetteten Webseitenvorschau das Miniaturbild eines auf der empfohlenen Webseite integrierten Fotos enthielt. Der Urheber des Fotos mahnte das Unternehmen wegen unerlaubter Vervielfältigung und öffentlichen Zugänglichmachens ab und forderte zur Unterlassung und Zahlung von Schadenersatz auf. Schlechte Karten nun also für das (private) Weiterempfehlen?

Für das reine Verlinken hatte der BGH bereits im Jahre 2003 in der sog. Paperboy-Entscheidung festgestellt, dass dies weder ein öffentliches Zugänglichmachen noch eine Vervielfältigung eines Werkes darstellt. So weit so klar.

Beim Weiterempfehlen in sozialen Netzwerken werden dem eigentlichen Link allerdings automatisch (urheberechtlich schutzfähige) Inhalte hinzugefügt und in die Darstellung auf dem Nutzerprofil quasi "eingebettet" und veröffentlicht. All dies ohne das aktive Zutun der Nutzer, die sich der möglichen rechtlichen Implikationen in den wenigsten Fällen bewusst sind. Dass die zumeist in Nordamerika beheimateten sozialen Netzwerke ihre Tools oft kommentarlos anbieten, hat einen einfachen Grund. Nach dortigem Urheberrechtsverständnis ermöglicht die "fair use"-Regel grundsätzlich diese Art von Verwendung urheberrechtlich geschützter Inhalte.

Die Rechtslage erscheint hierzulande allerdings zunächst weniger günstig. Fotos, Videos und gegebenenfalls Texte unterliegen einem umfassenden urheberechtlichen Schutz. Dass ein Berechtigter allein durch das Einstellen einer urheberrechtlich geschützten Fotografie ins Internet anderen Internetnutzern weder ausdrücklich noch stillschweigend ein urheberrechtliches Nutzungsrecht an der Fotografie oder einen schuldrechtlichen Anspruch auf Nutzung der Fotografie einräumt, hatte der Bundesgerichtshof schon in seinen Urteilen zur Google-Bildersuche grundsätzlich klargestellt. Bei Videos unterscheide sich das "Einbetten" (Framing) urheberrechtlich geschützter Inhalte nach Ansicht einiger Richter von der reinen Verlinkung auch gerade dadurch, dass diese unmittelbar zum Abruf bereitgehalten werden, was der Zustimmung des Verwertungsberechtigten bedürfe. Ob dies tatsächlich so ist, hat der BGH aktuell zu entscheiden (PM Nr. 69/2013). Von dieser Entscheidung dürfte nicht nur für die digitale Wirtschaft, sondern ebenso für die (privaten) Nutzer einiges abhängen.

In jedem Fall wird der BGH hier seine anlässlich der Vorschaubild-Entscheidungen weiter angestellten Überlegungen zwingend mit zu berücksichtigen haben. Damals hatte das Gericht praxisnah argumentiert, dass ein Berechtigter oder ein Dritter, der Texte oder Bilder im Internet ohne Einschränkungen zulässigerweise frei zugänglich macht, mit den nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen rechnen muss. Was einst für Suchmaschinen galt, wird heute für Empfehlungen in sozialen Netzwerken gelten müssen. Sie sind heutzutage üblicher Ausdruck der sozialen Kommunikation im Netz. Diese hat sich seit der Einführung von Social Media grundlegend verändert. Das "Weitersagen" oder "Teilen" über Anbieter wie Facebook, Google Plus, Pinterest oder Twitter gehört heute zu den wohl gängigsten Mitteln, auf interessante Informationen aufmerksam und diese für Freunde und Bekannte auffindbar zu machen. Sie sind die neuen Suchmaschinen. Dieser Verständniswandel scheint sich dabei nicht nur unter den Nutzern sozialer Netzwerke durchzusetzen. Denn bezeichnenderweise sind die hierzu allenthalben prophezeiten Abmahnwellen auch stets ausgeblieben. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Entwicklung, wenn schon nicht vom Gesetzgeber, dann von den Gerichten, weiterhin durch praxisnahe und zukunftsorientierte Entscheidungen Rechnung getragen wird.

Michael Neuber, Berlin
 
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