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K&R 2012, 1
Möller, Mirko 

"Abofalle" und "Adressbuchschwindel" - Schluss mit den Euphemismen!

Und schon wieder musste sich der BGH mit einem betrügerischen Geschäftsmodell untergeschobener Vertragserklärungen - landläufig bekannt als "Adressbuchschwindel" - auseinandersetzen (Urt. v. 26. 7. 2012 - VII ZR 262/11). Dem entscheidungsrelevanten Sachverhalt lässt sich im Wesentlichen Folgendes entnehmen: Es ging um die übliche Masche: Der Betreiber eines Branchenverzeichnisses versendet massenweise Formulare an Gewerbetreibende, die auf den ersten Blick wie bloße Korrekturabzüge aussehen und nur an versteckter Stelle eine Entgeltklausel vorsehen. Er legt es darauf an, dass möglichst viele der Angeschriebenen die Entgeltklausel übersehen und das Formular unterzeichnet zurücksenden.

Warum muss sich das höchste deutsche Zivilgericht in regelmäßigen Abständen mit derartigen Geschäftspraktiken befassen? Erst vor wenigen Monaten machte die Entscheidung des für das Wettbewerbsrecht zuständigen I. Zivilsenats vom 30. 6. 2011 (I ZR 157/10) die Runde, demnächst steht die Entscheidung über die gegen das Urteil des OLG Düsseldorf vom 14. 2. 2012 (I-20 U 100/11) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde an (Az. BGH: I ZR 70/12). Die Antwort lautet: Wegen des Versagens der Strafrechtspflege. Dieses betrifft die Verantwortlichen derartiger Adressbuchbetrügereien gleichermaßen wie auch die Initiatoren sogenannter "Abofallen". In beiden Fällen geht es den Tätern um die Gewinnerzielung mit Hilfe untergeschobener Vertragserklärungen, meist i. V. m. der Anwendung zweifelhafter Inkassomethoden. Gemeinsam ist beiden Geschäftsmodellen auch, dass die Verantwortlichen vor den Zivilgerichten schlichtweg nichts zu verlieren haben: Geht es dort um die gerichtliche Auseinandersetzung über den angeblichen Vergütungsanspruch, so wird dem Betreiber im ungünstigsten Fall der Anspruch gegen einen einzigen "Kunden" aberkannt oder er wird zur Rückzahlung einer bereits erhaltenen Vergütung verurteilt. Auch auf das Wettbewerbsrecht gestützte Unterlassungsklagen sind praktisch nicht dazu geeignet, entsprechenden Geschäftsmodellen einen Riegel vorzuschieben: Die Verbotsanträge müssen wegen des prozessualen Bestimmtheitsgebotes auf die konkrete Verletzungsform zugeschnitten werden mit der Folge, dass den Tätern meist schon in den Entscheidungsgründen der Weg aufgezeigt wird, dem jeweiligen Unterlassungsgebot durch geringfügige Änderungen der Geschäftspraxis zu entkommen. Hinzu kommt noch, dass den meisten Unterlassungstiteln frühestens nach Eintritt der Rechtskraft - und damit nach mehreren Jahren Verfahrensdauer - eine realistische Chance auf Vollstreckung zukommt. Das Kostenrisiko derartiger Verfahren stellt angesichts der erzielbaren Gewinne eine zu vernachlässigende Größe dar. Lässt sich vor den Zivilgerichten somit für die Verantwortlichen nichts verlieren, so lässt sich dort aber einiges gewinnen: Hierbei geht es weniger um grundlegende obergerichtliche Judikate, als vielmehr um einzelne amtsgerichtliche Entscheidungen, die unter regelmäßig nicht näher bekannten Umständen zustande gekommen sind und deren Drohpotenzial von der Inkassomaschinerie der Täter umfassend ausgeschöpft wird. Fazit: Derartige Geschäftsmodelle sind nach wie vor äußerst lukrativ und bergen kaum rechtliche Risiken.

Was also ist zu tun? Sieht man einmal von dem in der Praxis weitgehend unbedeutenden Gewinnabschöpfungsanspruch des § 10 UWG ab, der in der Rechtspraxis keine größere Bedeutung erlangt hat, so scheint nur das Strafrecht geeignete Instrumente vorzuhalten, entsprechenden Praktiken wirksam zu begegnen. Dieses erlaubt gleichermaßen die Bestrafung der Täter wie auch die effiziente Abschöpfung der erlangten Vorteile im Wege des Verfalls nach §§ 73 ff. StGB. Wer ein Geschäftsmodell darauf aufbaut, dass er seinen Gewinn ausschließlich zu Lasten solcher Personen erzielt, die infolge seiner Handlung einem Irrtum erliegen, der erfüllt auch dann die Voraussetzungen des Betrugstatbestandes, wenn es daneben noch eine mehr oder weniger große Anzahl von Personen gibt, die diesen Irrtum vermeiden können, etwa in Folge einschlägiger Vorerfahrungen oder der umfangreichen Warnungen öffentlicher und nicht öffentlicher Stellen. Das OLG Frankfurt a. M. hat in der ungekürzten Original-Entscheidung sage und schreibe 23 Seiten benötigt, um dieses nahe liegende Ergebnis zu begründen (Beschluss vom 17. 12. 2010 - 1 Ws 29/09, K&R 2011, 205 ff.). Es nimmt daher nicht Wunder, dass sich so mancher Staatsanwalt schwer tut, entsprechende Betrugsstraftaten mit dem erforderlichen Nachdruck zu verfolgen. Gleichwohl kann es aus den bezeichneten Gründen nur den Strafverfolgungsorganen obliegen, den entsprechenden Geschäftsmodellen endgültig den Garaus zu machen, indem sie als das verfolgt werden, was sie sind: gewerbsmäßig begangene Betrugsstraftaten! Eines kann jedoch auch die Fachdiskussion beitragen: Euphemismen wie "Abofallen" und "Adressbuchschwindel" sollten endlich aufgegeben und durch "Abobetrug" und "Adressbuchbetrug" ersetzt werden.

Rechtsanwalt Dr. Mirko Möller, LL.M., Dortmund
 
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