Editorial
Das Thema des 4. Informationsrechtstages, zu dem das Zentrum für Informationsrecht an der Heinrich-Heine-Universität am 7. 2. 2006 nach Düsseldorf eingeladen hatte, lautete: "TKG 2004 - ein Modell zur Deregulierung oder mehr Bürokratie ohne Rechtssicherheit?" Geboren wurde die Idee für diese Tagung in unmittelbarem Anschluss an den ersten Informationsrechtstag des Zf I, der am 8. 11. 2004 am gleichen Ort stattfand. Schon damals wurde der Wunsch laut, sich mit gewissem zeitlichem Abstand zum In-Kraft-Treten der Gesetzesreform über erste Erfahrungen mit dem neuen Regulierungsmodell auszutauschen. Welche Dynamik die rechtliche Entwicklung dabei entfalten würde, war damals nicht ohne weiteres erkennbar.
Heute wissen wir, dass die alte Fußballerweisheit "Nach dem Spiel ist vor dem Spiel" auch für die Reformdebatten des TK-Bereichs gilt: "Nach der Reform ist vor der Reform".
Erwähnt sei nur das Stichwort der "neuen Märkte" und die jüngste Initiative des Bundeswirtschaftsministers zur Etablierung eines neuen § 9 a TKG. Mit dem Reformvorstoß, der auf Festlegungen des Koalitionsvertrages zurückgeht, deutet sich womöglich eine nicht ganz unerhebliche Akzentverschiebung in der Regulierungsphilosophie an. Es sei der falsche Ansatz, so heißt es in einem unlängst in der Presse zitierten Schreiben des Wirtschaftsministeriums, wenn
"das Hauptziel der Regulierung die Beseitigung von beträchtlicher Marktmacht" darstelle. Denn dann werde Regulierung schnell "ineffizient und übermäßig, weil natürliche Monopole und Bottleneck-Stellungen geradezu charakteristisch für die Telekommunikation sind".
Brauchen wir also, wie Telekom-Chef Kai Uwe Ricke zuletzt formuliert hat, ein "Umdenken in der Regulierungspolitik", um in Deutschland den Anschluss nicht zu verlieren? Schützenhilfe erhält seine Forderung jedenfalls durch eine Untersuchung der Unternehmensberatung McKinsey and Company, die für Deutschland eine Investitionslücke von 6,5 Milliarden Euro jährlich diagnostiziert hat, deren wesentliche Ursache in einer übermäßigen Regulierung zu finden sei.
Gerade die Vereinigten Staaten, aber auch die Schweiz avancieren zunehmend zu den Kronzeugen für das Innovationspotential deregulierter Telekommunikationsmärkte, während Deutschland mit einer Investitionsrate von gerade einmal 50% des OECD-Durchschnitts mehr als bescheiden dasteht.
Nicht ausdiskutiert erscheinen im Bereich der neuen Märkte auch die eigentumsrechtlichen Fragen der Regulierung. Denn die beliebte, wenngleich verfassungsrechtlich gewiss fragwürdige Legitimation der asymmetrischen Regulierung über den Slogan einer besonderen Sozialpflichtigkeit des in Monopolzeiten geschaffenen Eigentums dürfte spätestens im Bereich neuer Märkte an seine natürlichen Grenzen stoßen.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat sich schließlich auch die Monopolkommission unlängst zu Wort gemeldet. In ihrem Sondergutachten vom 15. 12. 2005 fordert sie, die Trennung von Marktanalyse und Regulierungsverfügung rückgängig zu machen und das Verfahren zu straffen.
Hinzu kommen die gemeinschaftsrechtlichen Revisionsüberlegungen, die - zumal soweit es um eine mögliche Überarbeitung der Leitlinien zu Marktanalyse und Marktmacht geht - den nationalen Regulierungsprozess zu überholen drohen; und dies zu einer Zeit, in der die Umsetzung des EU-Rechtsrahmens gerade erst anläuft, in der gerade einmal 3 der 18 sog. "Kandidatenmärkte" analysiert und mit Regulierungsverfügungen abgeschlossen worden sind. Schon hat die zuständige EU-Kommissarin etwa angeregt, die TK-Märkte länderübergreifend zu betrachten und von der Bestimmung nationaler Märkte abzugehen.
Die Fragen an das gegenwärtige Regulierungssystem sind jedenfalls - und das nicht nur mit Blick auf die Praxistauglichkeit des Art. 7-er-Verfahrens - lauter und drängender geworden. Aufschlussreiche Analysen, kritische Anfragen und mögliche Lösungsvorschläge liefern die nachfolgend zusammengefassten Beiträge zahlreicher renommierter Wissenschaftler und Praktiker, für deren Engagement an dieser Stelle nochmals herzlich zu danken ist.