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K&R 2013, 1
Roggenkamp, Jan Dirk 

Facebook-Fahndung - Gefällt mir?

Auf der Plattform Facebook kann jedermann für ein (vermeintliches) Fanobjekt eine besondere "Fanseite" erstellen. Solche Fanseiten sind inzwischen zum Standard im Methodenportfolio von Internetwerbestrategen avanciert. Längst gibt es nicht mehr nur Fanseiten von Justin Bieber (48 109 705 Fans), Bayern München (5 428 562 Fans), Angela Merkel (211 109 Fans) etc., sondern auch von Club Mate (95 694 Fans), Konnopke Currywurst (2682 Fans) und dem "Berliner Bierlokal Willy Bresch" (65 Fans). Um sich als Fan zu bekennen, ist ein Konto bei Facebook, ein Aufruf der Fanseite und ein Klick auf den "Gefällt mir"-Button notwendig. Die vom Fanseitenbetreiber publizierten Nachrichten (sog. Postings) erscheinen automatisch in der "Timeline" jedes Fans und können von diesen kommentiert, "geliked" und mit den jeweiligen Facebook-"Freunden" geteilt werden.

Die Beliebtheit der Fanseiten und das lauffeuerähnliche Verbreitungspotential von Postings kann, das wurde bereits vor einiger Zeit erkannt, auch im Rahmen der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr nutzbar gemacht werden. Bereits seit 2011 fahndet die Polizei Hannover (111 056 Fans) mit Hilfe einer eigenen Fanseite. Mit Erfolg: Von März bis Dezember 2011 konnten acht Fälle mit Hilfe von Fans aufgeklärt werden.

Anfang 2012 wurde die "Facebook-Fahndung"1 nach Bedenken des Niedersächsischen Justizministeriums und des Landesdatenschutzbeauftragten eingestellt, nach Umstellungen aber kurze Zeit später wieder aufgenommen. Auf der Fanseite finden sich nunmehr nur noch allgemeine Hinweise zur jeweiligen Fahndung sowie ein Link auf die Fahndungsseite des LKA Niedersachsen. Ausschließlich dort kann der Nutzer detaillierte Informationen (z. B. Tatumstände, Personenbeschreibungen, Bilder etc.) zur Fahndung sowie zur Kontaktaufnahme finden. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Hinweise nicht über die Kommentarfunktion, sondern per Telefon direkt an die jeweils angegebene Nummer übermittelt werden sollen. Ein Blick in die Kommentare zeigt, dass Nutzer anscheinend nur selten einen Kommentar zur Fahndung selbst abgeben. Vielmehr begnügt sich die Mehrheit damit mitzuteilen, dass das Posting an einem bestimmten Ort (z. B. Großburgwedel) "geteilt" wurde. Mitunter, insbesondere bei Fahndungserfolgsmeldungen auf der Fanseite des LKA, finden sich zustimmende, bisweilen überschwänglich positive Kommentare der Nutzer.

Mitte November 2012 wurde im Rahmen der Justizministerkonferenz die Facebook-Fahndung auf die Agenda genommen. Als vermeintlicher Showstopper wird einmal mehr das Datenschutzrecht genannt.2

Überraschenderweise wird in der Diskussion - zumindest soweit diese öffentlich geführt wird - jedoch nicht die mitunter behauptete grundlegende Unzulässigkeit der Nutzung von Fanseiten durch deutsche Anbieter3 problematisiert. Bejaht man diese, dann wäre nicht nur die "Facebook-Fahndung", die ja über Fanseiten abgewickelt wird, sondern jedwede unternehmerische und staatliche Fanseitenpräsenz rechtswidrig. Erste Beanstandungen sind bereits ausgesprochen und erste Bußgelder verhängt worden.4 Gerichtsentscheidungen zur Thematik stehen, soweit ersichtlich, noch aus.

Auch die noch grundlegendere Frage, ob der Staat eine Plattform nutzen soll, die nach wohl allgemeiner Auffassung nicht mit dem geltenden deutschen bzw. europäischen Datenschutzrecht konform geht,5 scheint auf der "JuMiKo" nicht gestellt worden zu sein. Dies, obwohl bereits im September 2011 die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder die Forderung erhoben hatten: "Es kann nicht sein, dass die Bürgerinnen und Bürger, die sich auf den Seiten öffentlicher Stellen informieren wollen, mit ihren Daten dafür bezahlen. Unbeschadet der rechtlichen Verantwortung sollten die öffentlichen Stellen auf solchen Plattformen keine Profilseiten oder Fanpages einrichten."6

Als kritisch werden der mögliche Verlust über die Herrschaft der Fahndungsdaten, die Gefahr von "Lynchjustiz" und eine mögliche "Prangerwirkung" angesehen. Das sind lösbare Problemstellungen. Ersterem wird dadurch hinreichend entgegengewirkt, dass die wesentlichen Informationen zur Fahndung, insbesondere Bilder, nur auf den Servern der Ermittlungsbehörden vorgehalten werden. Werden personenbezogene Informationen nach Fahndungsbeendigung vom Netz genommen (und zuvor gegen Suchmaschinenzugriffe geschützt), ist kein nennenswerter Herrschaftsverlust zu befürchten. Unproblematisch, da nicht personenbezogen, sind die derzeit verwendeten allgemeinen Anreißer à la "Helfen Sie mit! Die Polizei fahndet nach einem 30jährigen Mann, der in X eine ältere Dame beraubt haben soll. Für weitere Informationen klicken Sie bitte hier." Durch permanente Überwachung und Moderation der Nutzerkommentare können (öffentlichen) falschen Verdächtigungen, Gewaltaufrufen und einem allgemeinen "Über-die-Stränge-schlagen" entgegengewirkt werden.

All das sind organisatorische Selbstverständlichkeiten. Klarstellend könnte man sie in der RiStBV festhalten. Dort finden sich in der Anlage B7 "Richtlinien über die Inanspruchnahme von Publikationsorganen und die Nutzung des Internets sowie anderer elektronischer Kommunikationsmittel zur Öffentlichkeitsfahndung nach Personen im Rahmen von Strafverfahren". Bislang heißt es dort nur "Um die Aufmerksamkeit der Internetnutzer für die Öffentlichkeitsfahndung zu erlangen, ist es zweckmäßig, die staatlichen Fahndungsaufrufe im Internet auf speziellen Seiten - etwa der Polizei - zu bündeln. Private Internetanbieter sollen grundsätzlich nicht eingeschaltet werden."

Professor Dr. Jan Dirk Roggenkamp, Berlin/Nienburg (Weser)
1

Nicht zu Verwechseln mit der Fahndung in sozialen Netzwerken.

2

Siehe z. B. http://www.heise.de/newsticker/meldung/Hamburgs-Justizsenatorin-steht-Facebook-Fahndung-kritisch-gegenueber-1747907.html.

3

Zuletzt Weichert, DuD 2012, 716, 719.

4

Siehe die umfassende Dokumentation unter https://www.datenschutzzentrum.de/facebook/.

5

Einen Überblick über vermeintliche Verstöße bietet ebenfalls Weichert, DuD 2012, 716, 717 f.

6

Entschließung der 82. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 28./29. September 2011.

7

Nicht von allen Bundesländern umgesetzt.

 
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