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K&R 2019, I
Vander 

Gesetz für faire Verbraucherverträge – Schutz der Verbraucher vor sich selbst

Abbildung 1

RA Dr. Sascha Vander, LL.M., Köln

Nachdem das BMJV im März diesen Jahres ein Eckpunktepapier zum “Schutz vor Kostenfallen” vorgelegt hat, wurden Mitte August Nachrichten laut, wonach ein Gesetzesentwurf Gestalt angenommen habe. Ungeachtet des Umstandes, dass ein solcher Entwurf zum Zeitpunkt der medienübergreifenden Berichterstattung nicht einmal fertiggestellt war, geschweige denn veröffentlicht wurde, dürfte das Vorhaben in zentralen Punkten weniger als “Gesetz für faire Verbraucherverträge”, vielmehr als “Gesetz zum Schutz der Verbraucher vor sich selbst” zu bezeichnen ein.

Ein wesentlicher Kernpunkt des Vorhabens soll Änderungen für Laufzeiten und Kündigungsfristen bei Dauerschuldverhältnissen betreffen. Im Fokus steht einmal mehr die Telekommunikationsbranche, daneben Verträge mit Strom- und Gasanbietern, Verträge mit Fitnessstudios sowie Zeitungs- und Zeitschriftenabonnements. Die nach geltendem Recht AGB-rechtlich zulässigen zweijährigen Laufzeiten von Verträgen und die automatische Verlängerung um ein weiteres Jahr seien “nicht mehr interessengerecht”. Dem Gesetzgeber schwebt eine maximale Laufzeit von einem Jahr mit einer automatischen Verlängerung um drei Monate im Falle ausbleibender Kündigung vor. Die bisherige Kündigungsfrist von drei Monaten soll zudem auf einen Monat verkürzt werden.

Warum das derzeit geltende Laufzeit- und Beendigungsregime für Verbraucherverträge “nicht mehr interessengerecht” sein soll, erschließt sich nicht so recht. Dabei ist vor allem zu beachten, dass es Verbraucher mit Blick auf die Ausdifferenzierung von Vertrags- und Laufzeitkonzepten gerade im Telekommunikationsmarkt selbst in der Hand haben, ein individuell angemessenes Modell auszuwählen. Sämtliche Tarife haben ihre Vor- und Nachteile und sind regelmäßig nicht zuletzt laufzeitbezogen kalkuliert. Dies gilt vor allem, wenn in einen Vertrag der Erwerb eines mobilen Endgerätes eingepreist ist. Wollte man den gesetzgeberischen Plänen folgend die erlaubte Höchstbindung für TK-Verträge auf ein Jahr begrenzen, müssten die Angebote abweichend kalkuliert werden. In welche Richtung sich die Kalkulation verändern wird, bedarf nicht viel Phantasie: Kürzere Laufzeiten und schnellere Ausstiegsmöglichkeiten dürften zu höheren Preisen führen. Das ist vor allem für Verbraucher ärgerlich, die sich bewusst für eine längere Vertragslaufzeit entscheiden, um von vorgesehenen Tarifvorteilen profitieren zu können. Eine Verkürzung zulässiger Grundlaufzeiten bedeutet damit im Wesentlichen eins: Eine weitere Beschneidung der Privatautonomie.

Der staatlich verordnete Schutz von Verbrauchern wird einer mündigen Entscheidung vorgezogen, wobei Verbraucher mit Blick auf die ohnehin extensiven Informationspflichten der Anbieter eine mehr als informierte Vertragsentscheidung treffen können. Gerade im Bereich der TK-Dienste mutet eine weitere Verschärfung des regulatorischen Rahmens schon nahezu abenteuerlich an. So sei daran erinnert, dass die Anbieter von TK-Diensten im Interesse von Transparenz und Verbraucherschutz vor gar nicht allzu langer Zeit mit der TK-Transparenzverordnung dazu verpflichtet wurden, Verbrauchern ein gesondertes “Informationsblatt” mit den wesentlichen Vertragsinformationen zur Verfügung zu stellen und in jeder Rechnung die Vertragslaufzeit und den nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt vor Augen zu führen. Kündigungstermine und etwaige Vertragsverlängerungen kommen also bereits nach aktueller Rechtslage nicht überraschend, sondern werden in der Praxis allenfalls schlicht verschlafen. Dabei dürfte für den schlafenden Verbraucher weniger die initiale Grundlaufzeit oder die Kündigungsfrist das Problem sein, sondern allenfalls eine automatische Verlängerung um – wie bislang regelmäßig – ein weiteres Jahr und die verpasste Möglichkeit des Abschlusses eines ggf. attraktiveren Neutarifs. Wenn also überhaupt gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, dann allenfalls für den Einzelaspekt der automatischen Verlängerung um ein weiteres Vertragsjahr.

Eine im Übrigen geplante Maßnahme betrifft einen schon seit Jahren auf der Tagesordnung stehenden “Dauerbrenner”: Die Einführung einer sog. Bestätigungslösung für telefonisch geschlossene Verträge. Zur Wirksamkeit eines telefonisch geschlossenen Vertrages soll künftig eine Vertragsbestätigung des Kunden in Textform eingeholt werden. Hintergrund des erneuten Anlaufs spielen ersichtlich vermehrte Beschwerden von Verbrauchern über “untergeschobene” Verträge im Energiebereich. Nach den bislang kolportierten Plänen des Gesetzgebers dürfte eine branchenspezifische Sonderregelung geplant sein. Der Gesetzgeber spielt aber bereits mit dem Gedanken einer Ausdehnung auch auf weitere Branchen wie den TK- und Versicherungssektor.

Eine Bestätigungslösung könnte sicherlich ein wirksames Mittel zum Schutz von Verbrauchern vor unerwünschten Verträgen darstellen. Die Nachteile und Probleme sind hingegen nicht zu verkennen: Eine Bestätigungslösung führt zu einem Medienbruch und formalisiert die im telefonischen Bereich vergleichsweise einfachen Abläufe. Zudem liefe eine Bestätigungslösung auf ein neben dem regelmäßig bestehenden fernabsatzrechtlichen Widerrufsrecht weiteres “Vertragslösungsrecht” hinaus, wobei das Nebeneinander bzw. die Kumulation der Rechte Irritationen begründen könnten.

Unter dem Strich ist mit Spannung zu erwarten, auf welche Änderungen und Auswirkungen sich Unternehmen und Verbraucher anlässlich des gesetzgeberischen Gesamtpaketes, welches weitere flankierende Maßnahmen für die Bereiche Telefonwerbung und Inkassodienste vorsieht, schlussendlich “freuen” dürften. Der ein oder andere Verbraucher wird jedenfalls sicherlich noch besser schlafen.

RA Dr. Sascha Vander, LL.M., Köln

 
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