Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs: Richtige Balance gefunden?
Das Vorhaben war bereits seit 2018 angekündigt. Doch erst am 10. 9. 2020 hat der Bundestag das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs beschlossen. Es soll der “Eindämmung von Abmahnmissbrauch” dienen (BT-Drs. 19/12084, 1). Hierfür hat der Gesetzgeber, bildlich gesprochen, an vielen Stellschrauben gedreht. Er hat teilweise bestehende Rechtsprechungsgrundsätze kodifiziert, teilweise aber auch neue Akzente gesetzt.
Die Rechtsanwender müssen sich auf die folgenden Neuerungen einstellen: Anspruchsberechtigt sind die Mitbewerber nur noch, wenn sie “Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich” vertreiben oder nachfragen (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG). Es gelten spezielle Anforderungen an qualifizierte Wirtschaftsverbände (§§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 8 b UWG). Die Anspruchsberechtigung aus § 8 Abs. 3 Nr. 4 UWG wird unter anderem auf Gewerkschaften erweitert. Der Rechtsmissbrauch erhält eine eigenständige und erweiterte Regelung mit einem umfangreichen Fallgruppenkatalog (§ 8 c UWG). Es gelten inhaltliche und formale Anforderungen an die Abmahnung und in einigen Fällen können Mitbewerber keinen Aufwendungsersatz für Abmahnungen mehr verlangen (§ 13 UWG). Weiterhin finden sich nähere Regelungen zur Vertragsstrafe bei strafbewehrten Unterlassungserklärungen (§ 13 a UWG); unter anderem ist bei unerheblichen Verstößen von kleineren Unternehmen ein Kostendeckel von 1000 Euro vorgesehen. Schließlich wird der fliegende Gerichtsstand bei “Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien” abgeschafft (§ 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG), allerdings haben die Zuständigkeitsregeln der Brüssel Ia-Verordnung weiterhin Vorrang.
Die Neuregelungen werfen eine ganze Reihe von Fragen auf. Dies beginnt schon beim gesetzgeberischen Motiv. Es fehlen unabhängige Studien, in welchem Ausmaß in den letzten Jahren Missbräuche durch Abmahnungen tatsächlich aufgetreten sind. Befürchtungen, nach dem Inkrafttreten der DSGVO würden Unternehmen massenhaft mit Abmahnungen wegen Datenschutzverstößen auf der Grundlage des Rechtsbruchtatbestands (§ 3 a UWG) überzogen, sind bislang ebenfalls nicht empirisch belegt. Ohnehin ist derzeit noch offen, ob und ggf. in welchem Umfang das UWG überhaupt zur Durchsetzung des Datenschutzrechts herangezogen werden darf. Dass der deutsche Gesetzgeber mit dem neuen § 13 Abs. 4 Nr. 2 UWG eine solche Möglichkeit als selbstverständlich voraussetzt, ist aus unionsrechtlicher Sicht problematisch. Es wäre besser gewesen, ein klärendes Wort des EuGH abzuwarten.
§ 13 a Abs. 3 UWG geht davon aus, dass es Verhaltensweisen gibt, die zwar unlauter (also im Regelfall relevant oder spürbar) sind, aber zugleich “die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße” beeinträchtigen. Welche Kriterien gelten hier und sind wirklich Fälle denkbar, in denen beispielsweise die Verletzung einer Marktverhaltensregelung einerseits spürbar, die davon ausgehende Beeinträchtigung andererseits aber unerheblich ist?
Fraglich ist weiter, ob das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs nicht unbeabsichtigt eine Schwächung des Verbraucherschutzes bewirkt. Verbraucherschützende Informationspflichten im Internet werden oft nicht beachtet. Gewiss kann man darüber diskutieren, ob die Vielzahl und das Kleinklein dieser Pflichten immer vernünftig sind. Jedoch haben die Sektoruntersuchungen des BKartA zu Vergleichsportalen, Smart-TVs und Nutzerbewertungen beträchtliche Transparenzprobleme zu Tage gefördert. Ist es angesichts dieser Erkenntnisse das richtige Signal, wenn § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG den Anspruch auf Aufwendungsersatz von Mitbewerbern ausschließt? Und warum soll es einen Unterschied machen, wenn die gleiche Informationspflicht online oder offline verletzt wird?
Mit der privaten Rechtsdurchsetzung legt die Rechtsordnung die Verantwortung für lauteres Geschäftsverhalten in die Hände der Marktakteure – Mitbewerber, Verbände und sonstige Einrichtungen. Das war und ist ein Garant für die Funktionsfähigkeit des Lauterkeitsrechts. Zugleich ist es richtig, wenn das UWG Sorge dafür trägt, dass seine Ansprüche nicht zweckentfremdet werden. Ob das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs die richtige Balance gefunden hat, wird sich erweisen müssen. Der Eingriff in das seit vielen Jahren bestehende, effektive und zuverlässige System der privaten Rechtsdurchsetzung im Lauterkeitsrecht ist jedenfalls ein Wagnis, der Erfolg nicht garantiert. Sicher ist aber: Die Rechtsdurchsetzung wird komplexer und herausfordernder.
Prof. Dr. Christian Alexander, Jena