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K&R 2012, 1
Buchmann, Felix 

Ius est

Am 1. 8. 2012 wird das "Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum besseren Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Kostenfallen im elektronischen Geschäftsverkehr und zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes" in Kraft treten. Erklärtes Ziel ist es, insbesondere einen wirksamen Schutz vor so genannten "Abofallen" im Internet herbeizuführen. Mittel ist eine eindeutig beschriftete Schaltfläche. Diese muss ein Unternehmer einem Verbraucher am Ende des Bestellprozesses zur Verfügung stellen, damit eine kostenpflichtige Bestellung ausgelöst werden kann. Ansonsten kommt ein Vertrag nicht zustande (§ 312 g Abs. 4 BGB n. F. - nicht mit Art. 8 Abs. 2 a. E. RL 2011/83/EU vereinbar).

Schon vor drei Jahren sollte das "Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen" Verbrauchern einen besseren Schutz vor Abofallen gewähren. Der Versuch scheiterte. Auch die Button-Lösung wird das Phänomen "Abofalle" kaum bekämpfen können. In beiden Fällen verkennt der Gesetzgeber, dass es sich hier nicht um ein zivilrechtliches Problem handelt. Auf den einschlägigen Abofallen-Internetseiten kommen Verträge nach einhelliger Ansicht sowieso nicht wirksam zustande. Es ist daher auch sinnlos zu versuchen, den Abofallen mit einem angepassten Widerrufsrecht oder einer besonders bezeichneten Schaltfläche zu begegnen, höchstens ist es politisch opportun. Das Gesetz mag gut gemeint gewesen sein und glücklicherweise konnte Schlimmeres (sog. Doppel-Klick-Lösung) von den beratenden Experten noch verhindert werden. Aber Gesetze sollten der Sache dienen, nicht der Politik. Die vorhandenen allgemeinen gesetzlichen Regelungen hätten völlig genügt - vorausgesetzt, sie werden von den Gerichten und der zuständigen Verwaltung konsequent angewendet. Recht ist nur dort, wo es umgesetzt wird.

Die wenigen Abofallen-Betreiber, die Auslöser dieser Gesetze waren, werden sich um ihre neuen Pflichten kaum scheren. Wenn doch, muss überlegt werden, ob trotz der allgemeinen Regelungen kein Vertrag zustande gekommen ist oder ob der richtig bezeichnete Button zu einer Legalisierung des Geschäftsmodells führt. Das Ergebnis ist in jedem Fall kontraproduktiv. Getroffen werden stattdessen tausende (ehrliche) Online-Händler, die ihre Online-Shops an die neuen Regelungen anpassen müssen und für die ein weiteres Risiko einer lauterkeitsrechtlichen Abmahnung geschaffen wurde.

Schon plant der Gesetzgeber mit ähnlich hektischem Aktivismus ein neues Gesetz, um augenscheinliche Ungerechtigkeiten zu regulieren. Gegenstand des Unmuts in Berlin sind dieses Mal Abmahnungen (für die der Gesetzgeber selbst immer mehr Grundlagen geschaffen hat). Nach dem Referentenentwurf des BMJ für ein "Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken" sollen unter anderem Streitwerte bei Abmahnungen gedeckelt, der fliegende Gerichtsstand abgeschafft und ein Erstattungsanspruch bei rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen geregelt werden. Im Lauterkeitsrecht brauchen wir diese Ergänzungen nicht. U. a. § 8 Abs. 4 UWG ist ein weit gefasstes Werkzeug für die Justiz, um solchen Begehren nicht stattzugeben, die evident den lauteren Wettbewerb nicht im Blick haben, sondern andere Ziele verfolgen.

Aber auch hier gilt: Die bestehenden Regelungen müssen von den erkennenden Gerichten angewendet und ausgeschöpft werden. Der Schutz des lauteren Wettbewerbs ist ein wichtiges Ziel, aber es muss eben auch das Ziel eines geltend gemachten Unterlassungsanspruchs sein. Es mag für die Gerichte mehr Aufwand bedeuten, die Sachverhalte mit Sorgfalt zu prüfen, aber Recht muss glaubwürdig sein. Und wenn Entscheidungen nicht mehr vermittelbar sind, verliert das Recht seine Glaubwürdigkeit. Im BMJ wurde völlig richtig erkannt, dass das Lauterkeitsrecht gerade in Fällen mit Bezug zum Internet auf einem bedenklichen Weg ist - die vorhandene Rechtsprechung aus dem offline-Bereich unbesehen auf den online-Bereich zu übertragen, kann nicht ausreichend sein; einschränkende Tendenzen für den Online-Handel zeigt der BGH (I ZR 174/10, K&R 2012, 518 ff.) bereits. Es ist nicht Sache des Gesetzgebers, die ausreichend vorhandenen Regelungen durch neues Recht zu ersetzen. Es ist Sache der Gerichte, die vorhandenen Vorschriften anzuwenden und denjenigen keinen Spielraum zu geben, die auf den ersten oder auch zweiten Blick keine lauterkeitsrechtlichen Ziele verfolgen. Der römische Jurist Celsus wusste: Ius est ars boni et aequi. Daran sollte sich auch im Zeitalter des Internet nichts ändern.

Rechtsanwalt Dr. Felix Buchmann, Reutlingen
 
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